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Politik

Ein Grüner für den Westbalkan

2. März 2022

Der grüne Osteuropa-Experte Manuel Sarrazin wird Sonderbeauftragter der deutschen Bundesregierung für den Westbalkan. Auf ihn warten viele offene Baustellen.

Manuel Sarrazin - Sondergesandter der Bundesregierung für die Länder des westlichen Balkans
Der Grünen-Politiker Manuel SarrazinBild: Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion/Stefan Kaminski

Nun ist es offiziell: Der Grünen-Politiker Manuel Sarrazin ist seit dem 1. März dieses Jahres Sonderbeauftragter der Bundesregierung für den Westbalkan. "Gerade in der jetzigen Lage ist die Stabilität und europäische Perspektive des Westbalkan für Deutschland höchste strategische Priorität", erklärte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock in Berlin die Entscheidung der Bundesregierung, diese neue Position zu schaffen. "Wir haben als Bundesregierung die Stelle des Sondergesandten geschaffen, um gemeinsam mit den sechs Staaten ganz gezielt an Entwicklungsperspektiven zu arbeiten und um sie bestmöglich bei laufenden Reformprozessen zu unterstützen." Zu den Westbalkanstaaten gehören Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien. 

"Ein Traumjob"

Schon zehn Tagen zuvor war über die sozialen Medien das Gerücht über die neue Position für Sarrazin verbreitet worden. Die grüne Europa-Politikerin Viola von Cramon war eine der Ersten, die damals gratulierte und erklärte, warum Sarrazin die richtige Besetzung für diesen Posten sei. "Der Westbalkan braucht eine starke und prinzipientreue Unterstützung durch die EU. Es gibt keine geeignetere Person unter den Grünen in Deutschland für diesen Posten." Sarrazin sei ein überzeugter Unterstützer der EU-Erweiterung in der Region.

 

Fragt man den frisch gekürten Sondergesandten nach seinem Traum vom Westbalkan, dann sagt er: „Ich träume von einem friedlichen und prosperierenden Westbalkan in der EU, der mit seinen kulturellen und ökologischen Schätzen und der multiethnischen Vielfalt die Union bereichert" Für ihn sei die die Tätigkeit als Sondergesandter für den Westbalkan ein "Traumjob".

Der 40-Jährige ist derzeit Präsident der Südosteuropa-Gesellschaft, die ihren Sitz in München hat. In den beiden vorangegangenen Legislaturperioden war er für die Grünen im Bundestag immer wieder eine starke Stimme für den Westbalkan. In diese Aufgabe war er im Lauf seiner parlamentarischen Tätigkeit hineingewachsen. Sarrazin studierte Geschichte, Osteuropastudien und Jura, zunächst an der Universität Bremen, dann an der Universität Hamburg und war jahrelang der Osteuropa-Experte der Grünen - als das bezeichnet er sich selbst bis heute.

Beobachter der Region begrüßen die Ernennung von Sarrazin. Gerade seine Osteuropa-Expertise käme seinem neuen Posten nur zugute, sagt die Engjellushe Morina, vom European Council on Foreign Relations in Berlin. Sie wünscht sich aber auch eine klarere Positionierung gegenüber den Beitrittskandidat Serbien, der sich weigert, sich en EU-Sanktionen gegen Moskau anzuschließen. "Ich hoffe, dass die Bundesregierung und Herr Sarrazin ganz klar zu Serbien sagen, dass es jetzt nicht mehr neutral sein kann", sagt Morina der DW.

 

Vedran Dzihic ist Balkan-Experte an der Universität WienBild: Privat

Vedran Dzihic, Balkan-Experte der Universität Wien, hofft, dass mit einem grünen Sondergesandten auch "das Ende der Appeasement-Politik in Bezug auf autoritär regierenden Politiker wie Aleksandar Vucic oder Milorad Dodik" eintrete. "Diese Haltung hat Manuel Sarrazin immer schon ausgezeichnet - hervorragende Kenntnisse der Region verbunden mit klaren demokratischen Prinzipien und Standards", sagt Dzihic der DW.

Viele offene Fragen zu lösen

Mit der Ernennung Sarrazins setzt Deutschland nun einen deutlichen Akzent. "Nicht immer konnte die Region in den letzten Jahren und Jahrzehnten nach den schrecklichen Kriegen im absoluten Fokus des Interesses und der Kalender der deutschen und europäischen Europa- und Außenpolitik stehen", erklärt Sarrazin. "Mit der Einrichtung dieser Position gibt die Bundesregierung ein klares Bekenntnis ab, dass sie an die Europäische Zukunft des Westbalkans glaubt und sich noch stärker für diese engagieren wird."

Deutschland ist das einzige EU-Land, das einen eigenen Westbalkan-Beauftragten hat. Auf EU-Ebene vertritt das Thema Miroslav Lajcak, dessen Arbeit Sarrazin nun unterstützen soll, wie es aus dem Auswärtigen Amt hieß. Eigene Beauftragte haben unter anderem auch Großbritannien mit Stuart Peach und die USA mit Gabriel Escobar. Sie alle sollen bei der Lösung der offenen Fragen und Konflikte in Südosturopa mitwirken.

Die Ukraine-Krise hat die Gräben auf dem Westbalkan vertieft, meint Gresa Hasa, Politwissenschaftlerin und Publizistin aus der albanischen Hauptstadt Tirana, die sich selbst als  feministische Aktivistin bezeichnet. "Die russische Botschaft in Sarajevo hat in den letzten Tagen eine Flut von Drohungen gegen die Souveränität Bosniens ausgestoßen - und gleichzeitig ist das von fünf EU-Mitgliedstaaten noch nicht anerkannte Kosovo jedem Versuch, die Region zu destabilisieren, unmittelbar ausgesetzt", beschreibt sie die derzeitige Lage auf dem Westbalkan.

Die Politwissenschaftlerin Gresa Hasa setzt sich für Menschenrechte, Frauenrechte und Demokratie einBild: Privat

Jetzt, da der Westen geeint sei wie nie zuvor, biete sich die Chance, bisher ungeklärte Positionen innerhalb der EU und im Westbalkan zu klären. Sarrazin könne sich hier engagieren und darauf hinwirken, dass auch die fünf restlichen EU-Mitglieder das Kosovo als unabhängigen Staat anerkennen, die dies bisher nicht getan hätten, so Hasa. Er könne darauf drängen, dass Serbien die Verbrechen des Milosevic-Regimes an den Kosovo-Albanern einräume und dass Albanien, Serbien und Nordmazedonien keine Parallelstrukturen zur EU wie zum Beispiel die Initiative Open Balkans aufbauten, so Hasa.

Und was ist für Manuel Sarrazin selbst das realistische Ziel des neuen Sondergesandten der Bundesregierung für den Westbalkan? "Mir sind große Hoffnungen in meine Tätigkeit gespiegelt worden. Diese werde ich versuchen, auf ein realistisches Maß zu dämpfen und die Erwartungen zu erfüllen."