Er war der bekannteste Regisseur Polens, ein Chronist seines Landes, hat Filme gedreht über den Zweiten Weltkrieg und die Umbrüche in seiner Heimat. Wajda mischte sich auch im hohen Alter von 90 Jahren politisch ein.
Anzeige
Die wichtigsten Filme von Andrzej Wajda
Er war der bekannteste Filmregisseur Polens und hat sich immer wieder mit der Geschichte seiner Heimat auseinandergesetzt. Andrzej Wajda war ein unabhängiger Geist: Seine Filme feierten Triumphe und stießen Debatten an.
Bild: Berlinale 2008/R. Hübner
Debüt: "Eine Generation"
1955: Schon in seinem ersten Film klangen Themen an, die Wajdas weitere Karriere bestimmen sollten. In "Eine Generation" geht es um Polen während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Gleichzeitig werfen die Protagonisten schon einen Blick auf die Zeit nach Kriegsende. Kommunismus und Kapitalismus, Widerstand und Opportunismus - all das spielte im Debüt des Regisseurs bereits eine Rolle.
Bild: picture alliance/Mary Evans Picture Library
Erster großer Erfolg: "Asche und Diamant"
Wajdas drittes Werk begründete den Weltruhm des Regisseurs. "Asche und Diamant" spielt am 8. Mai 1945, am Tag der deutschen Kapitulation. Wajda fragt in diesem Film, was das für Polen bedeutet und gibt Antworten, die auf die weitere Geschichte des Landes verweisen. Thematisiert wird auch die Zerrissenheit der Gesellschaft zwischen kommunistischer Herrschaft und dem Wunsch nach Eigenständigkeit.
Bild: picture alliance/United Archives/IFTN
Europäische Regiepersönlichkeit
Nach einigen weiteren wichtigen Filmen in den 60er Jahren war Andrzej Wajda Mitte der 70er Jahre ein weltweit respektierter und anerkannter Regisseur geworden. 1974 stand er für die Dreharbeiten für seinen Film "Das gelobte Land" hinter der Kamera. Der Film spielt in Łódź, wo Wajda Jahre zuvor an der berühmten Filmhochschule seine Ausbildung abgeschlossen hatte.
Bild: picture alliance/PAP
Blicke auf die Gegenwart
Der Film "Der Mann aus Marmor" leitete 1977 eine weitere Etappe in der Karriere des polnischen Regisseurs ein. Hier hat Wajda einen Protagonisten porträtiert, der in die Mühlen sozialistischer Planwirtschaft gerät. Besonders eindrucksvoll gelang dem Regisseur in "Der Mann aus Marmor" das Zusammenspiel von fiktiven Spielfilmszenen und dokumentarischen Aufnahmen.
Bild: Imago
"Der Dirigent"
Drei Jahre später drehte Andrzej Wajda "Der Dirigent", ein eher persönliches Werk, welches das Verhältnis zwischen Kunst und Wirklichkeit auslotet. Für die Titelrolle hatte der Regisseur (r.) den britischen Theaterstar John Gielgud verpflichtet. An seiner Seite agierte die polnische Starschauspielerin Krystyna Janda.
Bild: picture alliance/Mary Evans Picture Library
"Der Mann aus Eisen"
Wiederum ein Jahr später drehte der Regisseur sein nächstes Meisterwerk: "Der Mann aus Eisen". Hier thematisierte Wajda, damals hochaktuell, den politischen Umbruch in seiner Heimat: das Engagement der Gewerkschaftsbewegung "Solidarność" und den über das Land verhängten Ausnahmezustand. Lech Wałęsa besuchte das Team sogar bei den Dreharbeiten. In Cannes gab's für den Film die Goldene Palme.
Bild: Imago
Arbeit im Ausland
Wegen seiner kritischen Haltung gegenüber der Politik Warschaus konnte Wajda daraufhin nur im Ausland drehen. Doch auch hier gelang ihm Großes. Sein Film "Danton" über die Machenschaften hinter der Französischen Revolution ist ein ungemein packendes Werk über Politik und Terror, Leidenschaft und Idealismus. In der Titelrolle glänzte der damals noch jugendlich wirkende Gérard Depardieu.
Bild: Imago
"Eine Liebe in Deutschland"
Auch sein nächstes Projekt realisierte der polnische Regisseur im Ausland. In West-Berlin und in Baden-Württemberg drehte Wajda 1983 seinen Film "Eine Liebe in Deutschland". Auch hier ging es wieder um die deutsch-polnische Geschichte und die Beziehungen beider Nationen. Neben polnischen Schauspielern wie Daniel Olbrychski war auch Armin Mueller-Stahl mit dabei.
Bild: picture-alliance/KPA
Arbeit in der Heimat
Nach Ende des Kalten Krieges arbeitete Andrzej Wajda dann wieder hauptsächlich in seiner Heimat. Mitte der 1990er Jahre drehte er "Die Karwoche", ein Drama über eine polnische Jüdin im Zweiten Weltkrieg. Hier zeigte der Regisseur, was es für einen Menschen hieß, während der deutschen Besatzung Jüdin zu sein - obwohl die Protagonistin zur Religion nur ein sehr distanziertes Verhältnis hat.
Bild: Imago
"Wałęsa. Der Mann aus Hoffnung"
In seinem letzten Film knüpfte Wajda 2013 noch einmal an seine großen Filmerfolge "Mann aus Marmor" und "Mann aus Eisen" an, in denen er die wechselhafte Geschichte seiner Heimat schilderte. In "Wałęsa. Der Mann aus Hoffnung" zeigte er das Leben des Elektrikers Lech Wałęsa, der zum Arbeiterführer der Lenin-Werft aufsteigt und später Staatspräsident Polens wird.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Warzawa
Großer Europäer und Regisseur
Andrzej Wajda war über sechs Jahrzehnte künstlerischen Schaffens zum filmenden Chronisten seines Landes geworden. Seine Werke wurden mit zahlreichen Preisen bei den großen Festivals der Welt bedacht. 2000 wurde ihm der Ehren-Oscar verliehen. Auch in Berlin war er häufig zu Gast - hier bei der Premiere seines Films "Katyń" 2008 im Rahmen der Berlinale.
Bild: Berlinale 2008/D. M. Deckbar
11 Bilder1 | 11
Wajdas gesellschaftliches Engagement hat bis zum Schluss nicht nachgelassen. Auch im hohen Alter nicht. Der polnische Regisseur rieb sich an den politischen Zielen der nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit". Dass die neue Regierung in Warschau entscheidende Veränderungen in den Bereichen Medien und Justiz in die Wege leitete, dass passte dem Filmemacher ebenso wie vielen anderen Intellektuellen im Lande nicht. Wajda brachte das klar zum Ausdruck.
Andrzej Wajda, ein Kind der berühmten Filmschule in Łódź
Natürlich gerät der große alte Mann des polnischen Kinos, der am 6. März 2016 seinen 90. Geburtstag feiern konnte, damit auch ins Kreuzfeuer der nationalen Kräfte im Lande. Als es im Frühjahr um die Verleihung der Ehrenbürgerschaft der polnischen Stadt Gdańsk (Danzig) an ihn ging, protestierten die Nationalkonservativen, die in der Hafenstadt in der Opposition sitzen. Es sei höchste Zeit, Wajda für sein Werk zu danken, plädierte hingegen Danzigs Bürgermeister Paweł Adamowicz.
Polen hat Andrzej Wajda viel zu verdanken. Und das europäische Kino auch. Wajda war zweifellos einer der bedeutendsten Regisseure des europäischen Nachkriegsfilms. Er wurde mit der Zeit zum wichtigsten Chronisten seines Landes auf der Kinoleinwand. Wajda, 1926 im nordostpolnischen Suwałki geboren, hatte mit jungen Jahren zunächst Kunst studiert, wechselte dann aber auf die renommierte Filmhochschule in Łódź, wo er unter anderem auch auf den sieben Jahre jüngeren Roman Polanski traf.
Tragik und Aufbegehren: die Protagonisten bei Andrzej Wajda
Seine Filme rückten ab Mitte der 1950er Jahre Polen auf die Landkarte des europäischen Films. Die berühmten Film-Kritiker Frankreichs tauften die Filme Wajdas und die seiner Kollegen "Polnische Schule". Was steckt dahinter? Ein deutscher Kritiker umschrieb Wajdas Lieblingssujet, das sich immer wieder in seinen filmischen Protagonisten manifestierte, einmal so: "Der Teufelskreis, die Situation ohne Ausweg, in der sich der Held verfängt, erlangt nach Jahren der Verpöntheit des Tragischen im sozialistischen Realismus große Bedeutung."
Der Einzelne, gefangen in den Zeitläuften der Geschichte. Das mal ohnmächtige, mal sich wehrende Individuum im Kampf mit den Oberen - das zieht sich wie ein roter Faden durch das Œuvre des Regisseurs Andrzej Wajda. Zunächst war es die polnische Bevölkerung, die unter dem Martyrium der deutschen Besatzer zu leiden hatte. Das rückte der Regisseur immer wieder eindrucksvoll ins Blickfeld.
Das Individuum gegen Partei und Staat
In vielen späteren Filmen beschäftigte sich der Pole mit den Zwängen, unter denen seine Landsleute während der von Moskau diktierten Politik ächzten. So rückten bei Wajda Männer und Frauen in den Fokus, die gegen die Deutschen kämpften, sich gegen sozialistische Vorgaben auflehnten. Zumeist waren es Gegenwartsstoffe, die Wajda verfilmte, manchmal ging er auch in die Vergangenheit - aber auch dann sagten seine Filme viel aus über aktuelle Geschehnisse in Polen und Europa.
Doch Andrzej Wajda war kein Regisseur, der seine Protagonisten und Geschichten unter Politik und Moral begrub. Seine Filme bargen fast immer eine große künstlerische Kraft. Wajda war ein poetischer Filmemacher ebenso wie ein politischer. Er arbeitete mit Symbolen, Träumen, mit surrealen Einsprengseln. Zudem konnte er sich auf die große Kunst der polnischen Kameramänner stützen, von denen einige später Weltkarriere machten. Wajdas Filme waren immer großes Kino, oft schwarz-weiß, später auch in Farbe.
Realismus und Poesie
Er zauberte trotz der Grausamkeiten und Brutalitäten, mit denen sich seine Helden auseinandersetzten mussten, wunderbar leicht inszenierte Szenen voller Poesie auf die Leinwand. Bei den Filmen von Andrzej Wajda kommen alle auf ihre Kosten: diejenigen Kinogänger, die das Medium vor allem als Träger von politischen und gesellschaftlichen Botschaften verstehen, aber genauso auch die, für die Kino vor allem eine Kunst ist.