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"Ein großes Kind, das mit Meeren spielt"

Gabriela Schaaf 2. Mai 2002

Der Schriftsteller Wolfgang Hilbig erhält den Georg-Büchner-Preis 2002 - den bedeutendsten Literaturpreis Deutschland. Die Verleihung findet im Herbst in Darmstadt statt.

Vom Außenseiter zum Preisträger: Wolfgang HilbigBild: AP

Es ist erst wenige Wochen her, dass Wolfgang Hilbig der Peter-Huchel-Preis für Lyrik verliehen wurde - und jetzt also die höchste deutsche Literaturauszeichnung: der Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Hilbig, geboren 1941 im thüringischen Meuselwitz, ist in beiden Genres zuhause: in der Lyrik wie in der Prosa. Und er hat Jahre seines Lebens eine Doppelexistenz geführt: eines Arbeiters, der zugleich Schriftsteller ist.

In der ehemaligen DDR arbeitete er unter anderem als Werkzeugmacher, Monteur, Tiefbauarbeiter und immer wieder als Heizer. Erfahrungen, die seine Literatur von Anfang an geprägt haben. Heizungskeller, Tagebaulandschaften und Bahnhofskneipen sind in seinen Texten ebenso präsent wie Ostseestrände und Kirchenräume.

Arbeiter blieb Außenseiter

Aber obwohl er zum staatlich geförderten 'Zirkel schreibender Arbeiter' gehörte, blieb er in der DDR-Kultur ein misstrauisch beäugter Außenseiter. Sein erster Lyrikband "Abwesenheit" erschien 1979 im westdeutschen S. Fischer Verlag, was dem Autor in der DDR Untersuchungshaft und eine Geldstrafe einbrachte. Weitere Lyrik- und Prosabände folgten, bis er 1985 in den Westen Deutschlands übersiedelte.

Obwohl er da längst ausschließlich als Schriftsteller arbeitete, blieb die Rückbesinnung auf sein Leben als Arbeiter ein wichtiges Thema seiner Bücher. Und immer wieder auch die DDR. In dem Roman "Ich" von 1993 steht ein Spitzel des Staatssicherheitsdienstes im Zentrum; ein Buch, das als "Gesellschaftsroman über die Endzeit der DDR" viel gelobt und mit etlichen Preisen ausgezeichnet wurde.

Kritischer Blick auf die Gesellschaft

Begeistert aufgenommen wurde auch sein 2000 erschienener autobiographischer Roman "Das Provisorium". In dessen Mittelpunkt steht die Figur des Schriftstellers C., der aus der DDR in den Westen gekommen ist. Mit gnadenloser Genauigkeit legt Hilbig darin die inneren Verletzungen frei, die das DDR-Leben seinem Helden zugefügt hat und der zugleich seine Illusionen über den Westen verliert.

Bei alldem ist Wolfgang Hilbig, der zur Zeit als Stadtschreiber im Frankfurter Stadtteil Bergen-Enkheim arbeitet, aber immer auch der Dichter geblieben, von dem ein Kritiker meinte, er sei ein "großes Kind, das mit Meeren spielt", einer der "Traum und Alltag im Vers vereint". Der Furor, die beinah wütende Leidenschaft, mit der er seinen kritischen Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse richtet, verbindet ihn mit Georg Büchner, dem radikaldemokratischen Vorgänger aus dem 19. Jahrhundert. Dass er nun den nach ihm benannten Preis bekommt, ist nur folgerichtig.

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