Heim für alle Kulturen
9. Juli 2009Beinahe zwanzig Jahre lang wurde heftig diskutiert. Seit kurzem nun steht endlich fest, wie die Mitte der Berliner Spreeinsel künftig gestaltet werden soll. Der Italiener Franco Stella wird hier einen Neubau in der Kubatur des 1950 abgerissenen Berliner Stadtschlosses errichten und dabei drei barocke Außenfassaden sowie den berühmten Schlüterhof rekonstruieren. Denn die Bundesregierung hat sich entschieden, den im November 2008 gekürten 1. Preis im Internationalen Wettbewerb "Wiedererrichtung des Berliner Schlosses – Bau des Humboldt Forums im Schloss-Areal Berlin" zu realisieren.
Keine Form ohne Inhalt
Aparterweise hat die künftige Nutzung dieses nicht gerade kleinen Gebäudes lange Zeit eine untergeordnete Rolle gespielt. Es war schließlich Klaus-Dieter Lehmann, seinerzeit Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der im Jahre 2002 die alle überzeugende Idee des Humboldt-Forums präsentierte. Hinter den rekonstruierten Fassaden des Schlosses und direkt gegenüber der Museumsinsel soll nun ein Freiraum für Wissenschaft, Bildung und Kultur entstehen, in dem alle Kulturen der globalisierten Welt gleichberechtigt aufeinander treffen, sich austauschen und auf lebendige Weise erfahrbar werden. An diesem ambitionierten Projekt beteiligen sich im Wesentlichen drei Organisationen, nämlich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit ihren Staatlichen Museen, die Humboldt Universität und die Zentral- und Landesbibliothek Berlin.
Starke Partner
Die außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ziehen aus dem zentrumsfernen Dahlem in das Schloss um. Hier werden die Zeugnisse der Kunst und Kultur Afrikas, Asiens, Amerikas und Ozeaniens ergänzt durch die Wissenschaft der Humboldt Universität sowie um das in der Zentral- und Landesbibliothek gespeicherte Wissen. Sammlungen, Forschungsaktivitäten und Medienbestände der drei Partner sollen, so die Idee, kreativ zusammenspielen, auf dass ein dynamischer Ort der Weltkulturen entstehe. Wie dieses Zusammenspiel aussehen und nach welchen Methoden es erfolgen könnte, möchte die Ausstellung "Anders zur Welt kommen" im Alten Museum nun verdeutlichen.
Vage Ortsbestimmung
Leicht macht sie es dem Besucher freilich nicht. Nur mühsam erkennt er hinter einer Mixtur aus Ausstellungsarchitektur, Schildern, Wegweisern und Exponaten von allen Kontinenten einen roten Faden. In Berlin, das immerhin wird deutlich, sammelt man schon lange. Zunächst Exotisches und Besonderes für die Königliche Kunstkammer. Mit den Brüdern von Humboldt begann dann die wissenschaftliche Erschließung der Welt durch Forschungsreisende. Sie mündete in der Dokumentation vom Kolonialismus bedrohter Kulturen anderer Kontinente. Im 20. Jahrhundert traten dann Feldforschungen an die Stelle der Sammlungsreisen, und infolge von Veränderungen im Wissenschaftsverständnis präsentierte man Kulturen nicht mehr nur als solche, sondern als Bestandteil einer Welt in Bewegung. Unter anderem dieser Bedeutungswandel einzelner Exponate soll im Humboldt Forum dereinst verhandelt werden. Nur wie, das verrät die Schau im Alten Museum mit ihrer unscharfen Aneinanderreihung von Schiffsmodellen, Eskimo-Masken, Goldfiguren, Tierpräparaten nicht.
Die Zeit drängt
Möglicherweise lasten über dem Projekt "Humboldt Forum" dem aktuell größten Kulturprojekt Deutschlands, noch zu viele Schlagworte und Worthülsen. Oder aber es ist den am Humboldt- Forum beteiligten Institutionen einfach nicht gelungen, ihren Plan verständlich offen zu legen. Mit dem Architekten des Stadtschlosses, Franco Stella, verhandeln sie jedenfalls schon seit längerem über die Anpassung seines Entwurfs an ihre Bedürfnisse. Details sollen im Oktober bekannt gegeben werden.
Der Bau des Humboldt-Forums soll 2010 beginnen und bis 2013/2014 abgeschlossen sein.
Autor: Silke Bartlick
Redaktion: Marcus Bösch