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Ein historischer Schritt im Nordirland-Konflikt?

Kommentar von Irene Quaile-Kersken24. Oktober 2001

Trotz Entwaffnung der IRA bleibt Skepsis

Eine unerwartete, hoch erfreuliche Nachricht in äußerst schwierigen und kriegerischen Zeiten: Während die Welt seit dem 11. September jeden Tag mit neuen Terror-Akten rechnet, kündigt die IRA den Beginn des Entwaffnungsprozesses an. Die unabhängige Entwaffnungskommission bestätigt, dass die Organisation tatsächlich mit der Zerstörung von Waffen, Munition und Sprengstoff begonnen hat. So wird das Friedensabkommen von 1998 wieder in Kraft gesetzt. Der protestantische Führer David Trimble, der aus Protest gegen die Nicht-Erfüllung dieses wichtigen Kriteriums des Abkommens als Erster Minister im Nordirischen Parlament zurückgetreten war, kündigt seine Bereitschaft zu einer Rückkehr ins Parlament an. Großbritannien will seine Militärpräsenz in der Unruheprovinz verringern.

Die Ankündigung der IRA kam zum richtigen Zeitpunkt, um den vom Zusammenbruch bedrohten Friedensprozess zu retten und die Auflösung des Parlaments in Belfast zu verhindern. Auch dem britischen Premier Tony Blair, der in Großbritannien nicht nur Zustimmung für seinen übereifrigen Einsatz zur Unterstützung der amerikanischen Militär-Aktion in Afghanistan geerntet hat, kommt die Nachricht aus Nordirland sehr gelegen. US-Präsident George W. Bush begrüßt dies als "historischen Schritt" in Richtung Frieden.

Aber man sollte sich nicht zu früh freuen. Trotz allem bleibt Grund für eine gewisse Skepsis. Die "historische Wende" haben wir schon mal erlebt, begrüßt, bejubelt. Auch 1998 glaubte man an einen Durchbruch im Nordirland-Konflikt, der seit 30 Jahren akut ist, dessen Wurzeln aber weit zurück in der Geschichte der britischen Inseln reichen. Die Menschen in Nordirland - und die ganze Welt - wurden noch im selben Jahr durch den Kollaps des Friedensabkommens und erneute Terroranschläge bitter enttäuscht.

Dieser Konflikt beruht auf Hass und Intoleranz im Namen der Religion. Und auch hier werden Intoleranz und Gewalt im Namen einer Religion ausgeübt, die eigentlich das Gegenteil predigt. Noch gibt es die Extremisten auf beiden Seiten, die den Friedensprozess auf alle Fälle zerstören wollen und bereit sind, dafür zu töten. Möglicherweise gewinnt die selbst ernannte "Wirkliche IRA" - jene Splittergruppe, die für den Bombenanschlag in Omagh 1998 verantwortlich war - Zulauf. Als Verrat sehen diese Menschen die Ankündigung des Beginns der Entwaffnung. Aber auch bei den pro-britischen protestantischen Unionisten gibt es militante Gegner des Friedensprozesses.

Meint es die IRA diesmal ernst mit Entwaffnung und Frieden? Oder wird sich die Entwaffnung nur als geschicktes taktisches Manöver entlarven? Wird David Trimble seine zurückgetretenen Minister überzeugen können, ihre Ämter wieder aufzunehmen und den militanten Gegnern des Friedensabkommens im protestantischen Lager Paroli bieten können?

In diesen Zeiten freut man sich mit Recht über jeden Schritt in Richtung Frieden. So lange aber Kinder nicht ungehindert zur Schule gehen können, weil sich diese in einem vornehmlich von der "anderen Religionsgemeinschaft" bewohnten Stadtgebiet befindet; so lange es noch Menschen gibt, die selbst gebastelte Bomben in die Wohnzimmer ihrer Gegner werfen, die nichts anderes verbrochen haben, als einer anderen - christlichen - Religionsgemeinschaft anzugehören - so lange wird der Frieden in Nordirland wohl noch auf sich warten lassen.