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Gesellschaft

Ein Escape-Room zum Holocaust

Anthee Carassava fab
3. März 2019

"Ein unbestritten unterhaltsames Abenteuer". Das sagt ein Teilnehmer des Escape Rooms, der sich in Griechenland befindet. Einem Land, in dem der Antisemitismus wieder Auftrieb erlebt. Jüdische Verbände sind alarmiert.

Umstrittene Holocaust-Erlebnis escape rooms in Griechenland
Bild: DW/A. Carassav

In Griechenland ist "Schindlers Liste" nicht nur ein bedeutender Film über die Geschichte des Holocaust. Es ist auch ein sogenannter Escape Room, der das Holocaust-Thema zum Spiel macht und damit Griechenlands Jugend offenbar im Sturm erobert. Die jüdische Gesellschaft im Land ist empört.

Die Firma "The Great Escape", die den Spielort betreibt, hat zwar nach der Kritik den Name des Spiels, "Schindlers Liste", geändert. Es heißt nun "Geheimagent". Aber das Ziel des Spiels ist geblieben: eine Liste von Überlebenden zusammenzustellen, denen dadurch der grausame Tod durch feindliche Kräfte erspart bleibt. Eine verzerrende Imitation der Listen, um die es in dem vielfach ausgezeichneten Hollywoodfilm geht.

Szene aus dem Film: Oskar Schindler (Liam Neeson, l) und sein jüdischer Buchhalter Itzhak Stern (Ben Kingsley).Bild: picture-alliance/dpa/UIP

Auf der Website des Betreibers, wo das Spiel prominent beworben wird, gibt es zwar keinen Hinweis auf Juden oder den Holocaust. Doch die Beschreibungen auf diversen griechischen Internetseiten sind eindeutig: Die Teilnehmer sollen dem deutschen Unternehmer Oskar Schindler im polnischen Krakau dabei helfen, "viele unschuldige Menschen vor der SS zu retten".

Oskar Schindler - Rockstar oder Fußballer?

Vertreter des Zentralkomitees der Juden in Griechenland haben den Escape Room verurteilt. "Es geht dabei nicht um Antisemitismus", sagt Vizepräsident Victor Eliezer. "Der sogenannte Erfolg dieser Spiele kommt aus der Ignoranz in der griechischen Gesellschaft. Fragen Sie mal herum, wer Oskar Schindler ist. Die Chancen stehen gut, dass die meisten Griechen sagen werden, er sei eine Art Rockstar oder ein Fußballspieler."

Dass die Betreiber des Escape Room nur den Name des Spiels wechselten, ohne die Handlung wesentlich zu verändern, zeige einen großen Mangel an Respekt, so Eliezer. "Sie alle sollten einmal nach Auschwitz fahren, um wenigstens für einen Augenblick Terror und Tod in einem deutschen Konzentrationslager zu spüren. Dann gäbe es vielleicht die Hoffnung, dass sie aufhören, menschliches Leid herabzusetzen", sagte Eliezer der DW.

Auch in Athen wird das umstrittene Spiel angebotenBild: DW/A. Carassav

Die Kritik des Zentralkomitees wurde kaum gehört in Griechenland. Aber US-Aktivisten sind dran geblieben und sie sind wirklich wütend. Die Erfahrungen des Holocaust, in dem die Opfer entmenschlicht wurden, für ein Spiel zu nutzen, bagatellisiert nicht nur das Ereignis, sondern auch das Leiden", sagte Victoria Barnett dem Internetportal "Medium". Sie ist Direktorin des Ethikprogramms am United State Holocaust Memorial Museum. "Ethisches Verhalten basiert auf Respekt und Mitgefühl für andere Menschen", sagt sie.

Thessaloniki, die "Mutter Israels"

Escape Rooms sind sehr populär in Griechenland. Dabei wird eine kleine Gruppe in einen themenbezogenen Raum gesperrt. Sie müssen Hinweise finden und Rätsel lösen, um innerhalb einer Stunde aus dem Raum zu fliehen. Das umstrittene Holocaust-Spiel wurde zuerst in Thessaloniki angeboten, Griechenlands zweitgrößte Stadt und Heimat einer pulsierenden jüdischen Gemeinde, die von den Nazis 1943 fast komplett ausradiert wurde.

Vor dem Zweiten Weltkrieg gehörte die jüdische Gemeinde Thessalonikis zu den größten der Welt. Die Stadt wurde deshalb auch "Israels Mutter" und das "Jerusalem des Balkans" genannt. Im zweiten Weltkrieg wurden von hier 44.000 Juden deportiert und in Konzentrationslager in Zentraleuropa gebracht. Nur eine Handvoll Überlebende kam zurück in die Stadt, die 96 Prozent ihrer jüdischen Einwohner verloren hatte.

"Wir können nicht vergessen. Wir werden nicht vergessen und wir sollten nicht vergessen", sagte David Saltiel, der Präsident des Zentralkomitees der Juden in Griechenland, in einem Medium-Interview.

Holocaust-Mahnmal in Thessaloniki - Deutschland hat sich am Bau beteiligtBild: picture alliance / AP Photo

"The Great Escape"

Das umstrittene Spiel ist eines von acht Angeboten der Firma "The Great Escape". Sie bewirbt es als "einen der aufregendsten Escape Rooms". In Telefonaten mit Firmenvertretern in Thessaloniki lehnten diese einen Kommentar zu dem Holocaust-Escape-Room und die Kontroverse darüber ab. Vertreter in Athen, wo das Spiel inzwischen auch angeboten wird, bekräftigten erneut, dass es keinen Bezug zum Holocaust gäbe.

Auch von der DW angesprochene Teilnehmer wollten sich nicht äußern. Aber sie schienen nicht beunruhigt darüber zu sein, welchen Einfluss ein solches "Abenteuer" in einem Land haben könnte, in dem es starke antisemitische Strömungen gibt. Doch in Kommentaren auf der Website des Anbieters und bei Tripadvisor wird das Erlebnis als "ausgezeichnete" Erfahrung bewertet. Ein Teilnehmer nannte es "ein unbestritten unterhaltsames Abenteuer".

Nicht zum ersten Mal wird in einem Escape Room das Thema Holocaust inszeniert. 2016 hatte eine niederländische Firma für einen Escape Room einen Anne-Frank-Bunker entworfen. Ein Jahr später protestierte das griechische Zentralkomitee bereits gegen einen Escape Room, der die Teilnehmer in ein Konzentrationslager in Galatsi, in der Nähe von Athen führte.

"Das alles ist sehr unerfreulich", sagte Eliezer, der Vizepräsident des Zentralkomitees. "Aber es sollte uns auch warnen: Die Vermarktung des Holocausts und der Erinnerung an die, die ausgelöscht wurden, betrifft eines der dunkelsten Kapitel der Menschengeschichte. Wir sind verpflichtet dafür zu sorgen, dass dies nicht noch einmal passiert."