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Ein Jahr danach: Wie Corona den Tourismus verändert hat

22. August 2023

Nach Corona ist das Reisen wieder uneingeschränkt möglich. Die Deutschen machen davon auch kräftig Gebrauch. Dennoch ist nicht alles so wie zuvor - was hat sich geändert?

Ein voller Strand in Zinnowitz auf der Insel Usedom, Deutschland
Im Urlaub zu verreisen gehört für die meisten Deutschen einfach dazu. Hier Touristen auf der Insel UsedomBild: Stefan Sauer/dpa/picture alliance

Die Corona-Pandemie konnte der Reiselust der Deutschen auf Dauer nichts anhaben. Der Urlaub steht bei ihnen auf der Prioritätenliste nach wie vor weit oben, belegt die jüngste Marktanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen. Demzufolge liegen die Urlaubsreisen unter den wichtigsten Konsumgütern hinter den Lebensmitteln auf Rang zwei. "Auf die Erholung, den Kontrast zum Alltag, die zahlreichen Erlebnisse vor Ort, Sonne, Strand und Meer zu verzichten, ist schlicht und ergreifend für viele Bundesbürger keine Option", sagt Professor Ulrich Reinhardt, Tourismusforscher und wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen.

Trend zurück zur langfristigeren Buchung

Dass die Pandemie daran grundlegend nichts geändert hat, belegen auch die Zahlen. Der Inlandstourismus etwa lag zuletzt schon wieder über dem Niveau von 2019. Im Mai verbuchten die Beherbergungsbetriebe in Deutschland 47 Millionen Übernachtungen – 5,8 Prozent mehr als vor Corona. Auch der Deutsche Reiseverband meldet, dass sich das Reiseverhalten dem der Vor-Pandemie-Zeit angleicht. "Es sind wieder deutlich mehr Auslandsreisen gefragt, viele Familien buchen sehr preissensibel, setzen auf All-Inclusive", heißt es dort. Es gebe zudem einen Trend zurück zur langfristigeren Buchung.

Der Inlandstourismus lag im Mai bereits wieder über Vor-Corona-Niveau. Hier Zugreisende am Hauptbahnhof StuttgartBild: Anne Stein/dpa/picture alliance

Und dennoch: Corona hat durchaus Spuren hinterlassen im Reiseverhalten der Deutschen und in der Branche insgesamt. Das bestätigt der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW). "Am deutlichsten und vermutlich auch dauerhaftesten sind die Veränderungen durch Corona im Bereich der Geschäftsreise", so eine Verbandssprecherin. "Insbesondere die massive Digitalisierung und das seit Corona fast alltäglich gewordene Nutzen von Videokonferenzen hat dazu geführt, dass es deutlich weniger Geschäftsreisen als vor Corona gibt."

Digitalisierungsschub durch Corona

Auch branchenintern gab es laut BTW neue Entwicklungen. Die Pandemie habe zu einem Digitalisierungsschub in zahlreichen Bereichen geführt: "Egal ob es um Möglichkeiten der digitalen Beratung von Kunden geht, neu eingeführte oder optimierte Online-Reservierungsmöglichkeiten von Restaurants und Sehenswürdigkeiten oder schlicht die Verbesserung der Online-Präsenz", so eine Verbandssprecherin. Auch QR-Codes seien vor Corona den meisten Betrieben und Gästen noch überhaupt kein Begriff gewesen.

In der Luftfahrtbranche zeichnen sich ebenfalls bleibende Veränderungen ab. So lag die Zahl der Passagiere an den deutschen Flughäfen in den ersten fünf Monaten des Jahres laut der aktuellen Statistik der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) noch um mehr als 27 Prozent unter dem Vergleichswert von 2019. Verantwortlich dafür ist vor allem der Bereich der innerdeutschen Flüge. Im Mai lag die Passagierzahl hier laut ADV bei gerade einmal 2,1 Millionen. Im Mai 2019 waren es noch mehr als doppelt so viele (4,3 Millionen). Als Gründe nennt eine ADV-Sprecherin unter anderem das deutlich verkleinerte Streckenangebot. Auch werde zunehmend Verkehr auf die Schiene verlagert.

Während Fernreisen derzeit gefragt sind, hat die Zahl innerdeutscher Flüge stark abgenommen. Hier zu sehen: Der Flughafen Frankfurt am MainBild: Andreas Arnold/dpa/picture alliance

Steigende Ticketpreise in der Flugbranche

Aber noch etwas hat sich in der Luftfahrtbranche grundlegend gewandelt: Seit der Normalisierung des Reiseverkehrs liegen die angebotenen Flugkapazitäten noch nicht wieder auf dem Stand von 2019. Gleichzeitig ist die Nachfrage in die Höhe geschossen. Das führt zu steigenden Ticketpreisen. Daten des Statistischen Bundesamtes zufolge lagen diese im ersten Halbjahr 2023 um 52,6 Prozent höher als im 1. Halbjahr 2021. Auch für Pauschalreisen müssen Urlauber derzeit tiefer in die Tasche greifen: Sie kosteten im 1. Halbjahr 2023 durchschnittlich 10,2 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, gegenüber dem ersten Halbjahr 2021 betrug die Steigerung gar 19 Prozent.

Trotz steigender Preise und allgemeiner Inflation haben die Menschen nach der pandemiebedingten Auszeit laut Tourismusforscher Ulrich Reinhardt aber ganz offensichtlich noch einigen Nachholbedarf. Das spiegele sich etwa im Anstieg der Reisedauer wider. Nachdem diese vor Corona stetig abgenommen hatte, sei nun ein Anstieg zu beobachten: Etwa 13 Tage waren die Bundesbürger 2022 in ihrem Haupturlaub auf Reisen – und damit fast zwei Tage länger als noch im Vorjahr. "Ein ähnlich hoher Wert wurde zum letzten Mal Anfang der 2000er Jahre erreicht."

Sicherheit ist eine neue Grundvoraussetzung

Ein Thema, das seit der Pandemie an Bedeutung gewonnen hat, ist das Thema Sicherheit – eine neue "Grundvoraussetzung" für Urlauber, wie Reinhardt sagt. Davon profitieren können Nischenmärkte wie etwa der Campingtourismus, der seit Corona zugelegt habe. Ob die Nachfrage nach Fernreisen so hoch bleibt wie derzeit, sei dagegen fraglich. "Hohe Preise und zunehmende Diskussionen bezüglich des Ressourcenverbrauchs werden zukünftig mehr Einfluss haben." Die grundsätzliche Reiselust der Deutschen aber dürfte auch weiterhin bestehen bleiben.