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Politik

Ein Jahr GroKo: Die große Verunsicherung

14. März 2019

Seit einem Jahr ist die große Koalition, kurz GroKo, in Berlin im Amt. Was hat die Regierung außenpolitisch auf die Beine gestellt, wie hat sie auf Krisen reagiert? Ein Blick auf die wichtigsten außenpolitischen Themen.

Frankreich 2018 Gedenken Ende Erster Weltkrieg | Trump, Merkel & Macron
Bild: Getty Images/AFP/B. Tessier

EU und deutsch-französische Beziehungen

"Ein neuer Aufbruch für Europa" - so steht es bereits im Titel des Koalitionsvertrags. Doch daraus dürfte nichts werden. Das hat mit den äußeren Umständen wie dem anstehenden Brexit und dem zunehmenden Rechtspopulismus in Europa zu tun. Aber die Bremser sitzen auch in Berlin. Nirgendwo wird das deutlicher als bei der deutsch-französischen Zusammenarbeit. Präsident Emmanuel Macron hat die Deutschen mehrfach aufgefordert, Europa zu einer stärkeren sozialen Schutzmacht auszubauen und dazu konkrete Vorschläge gemacht. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel blieb dazu distanziert und betrieb lieber Symbolpolitik: Zusammen mit Macron hob sie einen neuen Elysée-Vertrag aus der Taufe. 

Symbolpolitik statt konkreter Zusagen: Feierliche Karlspreisverleihung an Macron in AachenBild: Getty Images/AFP/L. Marin

Stattdessen antwortete am vergangenen Sonntag die CDU-Vorsitzende und wahrscheinliche nächste Kanzlerin Annegret Kramp-Karrenbauer auf Macrons Ideen - und verriss die meisten. Ja zu einer schärferen Migrationspolitik und mehr verteidigungspolitischer Zusammenarbeit, aber "europäischer Zentralismus, europäischer Etatismus, die Vergemeinschaftung von Schulden, eine Europäisierung der Sozialsysteme und des Mindestlohns wären der falsche Weg", schrieb sie in einem Zeitungsbeitrag. Eine Zumutung für Frankreich ist außerdem, dass sie den Straßburger Sitz des Europaparlaments auflösen will und Frankreich seinen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat der EU überlassen soll. Einer engeren militärischen Kooperation stehen außerdem unterschiedliche Vorstellungen in der Rüstungsexportpolitik entgegen.

Blick nach Osten

Mit mehreren mittelosteuropäischen Staaten hat Berlin wachsende Probleme, vor allem beim Thema Migration. Der Widerstand der Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn zu jedweder Aufteilung von Flüchtlingen ist so heftig wie eh und je. Auch die autoritären Tendenzen in Ungarn und Polen bereiten der Berliner Koalition Kopfzerbrechen. Ursprünglich wollte Berlin EU-Zahlungen vom Wohlverhalten dieser Länder abhängig machen, aber davon hört man im Moment wenig. Offenbar will die Bundesregierung alles vermeiden, was den Rechtspopulisten bei der Europawahl im Mai zusätzlichen Auftrieb geben könnte.

Streit um Nord Stream 2: der größte Teil der Gasleitung auf dem Grund der Ostsee ist schon verlegtBild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

Beim Verhältnis zu Russland vollführt die Bundesregierung eine besonders schwierige Gratwanderung. Sie will - trotz russischer Krim-Annexion und Aufrüstung - ein halbwegs gutes Verhältnis zu Moskau wahren, schon um eine Vermittlerrolle im Ukraine-Konflikt zu erhalten. Aber auch wirtschaftliche Interessen spielen eine Rolle. So wollte Berlin lange die Gasleitung Nord Stream 2 auch gegen heftige Widerstände vor allem aus Polen durchsetzen. Jetzt haben Washington und die Brüsseler Kommission das Vorhaben in der ursprünglichen Form gestoppt. Besonders bitter für Berlin: Erst durch das Umschwenken Frankreichs auf die Gegnerseite bekam die Kommission eine Handhabe, um einzugreifen.

Afrika und Migration

"Fluchtursachen bekämpfen" bleibt das Oberthema der Afrikapolitik der GroKo. Erst mit den Flüchtlingen entdeckte Merkel den afrikanischen Kontinent als strategisch wichtigen Nachbarn. Zuletzt besuchte sie Senegal, Ghana und Nigeria sowie Algerien und Marokko. Dort verteidigte sie ungewohnt kämpferisch den UN-Migrationspakt als klares "Bekenntnis zum Multilateralismus" und betonte, dass legale Migration auch Wohlstand schaffe. Den will die GroKo durch Investitionserleichterungen und Reformen in Afrika weiter fördern.

Die deutsche Afrikapolitik wird stark von Migrationsfragen bestimmt Bild: picture-alliance/dpa/AP/E. Morenatti

Die Bundesregierung setzt hierbei auf milliardenschwere Entwicklungsprojekte und will die Präsenz deutscher Unternehmen in Afrika fördern. Auch sicherheitspolitisch engagiert sich Deutschland verstärkt in Afrika, etwa in Mali. "Das alles wird nichts nützen", sagte Merkel jedoch bei der Münchener Sicherheitskonferenz, "wenn diese Länder keine wirtschaftliche Perspektive haben".

Transatlantische Beziehungen

Ausdrücklich bekennt sich die GroKo zur transatlantischen Partnerschaft mit den USA. Doch die Ernüchterung gegenüber der Regierung Donald Trump ist in Berlin groß. Washingtons Aufkündigung des Iran-Nuklearabkommens wurde in Brüssel und Berlin als Weckruf wahrgenommen, die eigene Handlungsfähigkeit zu stärken.

Die deutschen Autobauer haben Angst vor einem Handelskrieg mit den USABild: picture-alliance/SvenSimon/F. Hoermann

Ein transatlantischer Handelsstreit gilt derweil als aufgeschoben, aber nicht als aufgehoben. Merkel setzt unterdessen wie jüngst beim Weltwirtschaftforum in Davos Trumps "America-first"-Aufruf ihren eigenen entgegen: Man müsse "die Interessen anderer mitdenken, um daraus Win-win-Situationen zu machen".

Asien

Deutsche Asienpolitik bleibt auch unter der neuen GroKo vor allem China-Politik. Aber nicht nur "Chancen", sondern auch "Risiken" sah der Koalitionsvertrag in bezug auf diesen strategisch so wichtigen Partner. Chinas wohl größtes Infrastrukturprojekt "neue Seidenstraße" beobachten Deutschland und die EU weiter kritisch, man achtet verstärkt auf gleiche Investitionsbedingungen, an denen es auf der chinesischen Seite oft mangelt.

Die USA warnen die Deutschen vor Huawei beim Bau des 5G-MobilfunknetzesBild: picture-alliance/dpa/Z. Min

Neben Menschenrechten ist in einem Jahr GroKo die Frage nach der strategischen Sicherheit chinesischer Hochtechnologie zum neuen Reizthema geworden. Der Ausbau des deutschen 5G-Mobilnetzes steht an. Die Frage, ob das chinesische Unternehmen Huawei hierfür in Frage kommt, wird auch Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen haben. Der Kontrast zu der mit Japan gepflegten "Wertepartnerschaft" könnte kaum größer sein. Merkel reiste Anfang Februar eigens zum Inkrafttreten des Freihandelsabkommen zwischen Japan und der Europäischen Union nach Japan. Sie bezeichnete das Abkommen als "neue Chance in jede Richtung" und hofft, damit den gegenseitigen Mehrwert multilateraler Abkommen zu demonstrieren.

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