Ein Jahr nach dem verheerenden Einsturz der Morandi-Brücke in Genua ist in der norditalienischen Hafenstadt der Opfer gedacht worden. Am Rande der zentralen Gedenkfeier kam es zu einem Eklat.
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Am Jahrestag des Brückeneinsturzes von Genua hat Kardinal Angelo Bagnasco die Stadt weiter zu Solidarität und Zusammenhalt aufgerufen. Bei einer Messe sagte der Erzbischof: "Die Stadt blickt in die Zukunft, eine, die wir ehrlich und entschlossen gemeinsam angehen müssen."
Der Gottesdienst mit Familienangehörigen der Opfer und Rettungskräfte von Polizei, Feuerwehr und Zivilschutz fand in einer Halle mit Blick auf den ersten Stützpfeiler der neuen Brücke von Stararchitekt Renzo Piano statt. Auch außerhalb der Halle kamen viele Menschen zusammen.
In Anwesenheit der versammelten Staats- und Regierungsspitze erinnerte Bagnasco an die 43 Opfer, die am 14. August 2018 beim Einsturz der Autobahnbrücke Ponte Morandi ums Leben kamen. Wie "Engel der Stadt" schauten sie nun vom Himmel auf ihre Angehörigen herab. Die Leere in deren Herzen jedoch könne niemand füllen, so Bagnasco. Allenfalls könne man behutsam und respektvoll versuchen, ihnen das Gefühl zu geben, nicht alleine und verlassen zu sein.
Ebenso sprach der Kardinal die alltäglichen Schwierigkeiten der Genueser Pendler an, die seit dem Brückeneinsturz große Umwege in der nun geteilten Stadt in Kauf nehmen müssen. Dennoch zeige sich heute bereits eine Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Genua - ein Jahr nach dem Brückeneinsturz
Mehr als 40 Menschen starben, als am 14. August 2018 mitten in Genua die Autobahnbrücke Ponte Morandi einstürzte. Nun hat der Wiederaufbau begonnen.
Bild: AFP/V. Pinto
Schock für Genua und Italien
Blick auf die den Fluss Polcevera überspannende Autobahnbrücke Ponte Morandi am 14. August 2018 - kurz nachdem ein Teilstück mehr als 40 Meter tief abgestürzt war. Zu diesem Zeitpunkt wurden elf Todesopfer befürchtet. Später offenbarte sich, dass bei dem Unglück 43 Menschen ums Leben gekommen waren.
Bild: picture-alliance/AP Photo/Ansa/L. Zennaro
Verlorenes Zuhause
"Mein Zuhause gibt es nicht mehr", sagt Iris Bonacci, hier mit ihrem Partner Francesco Ferrieri. Die 56-jährige Lehrerin hatte ihre Wohnung direkt unter der Morandi-Brücke. Über ihrem Balkon ragten die mächtigen Stützpfeiler auf und die vierspurige Fahrbahn spannte sich darüber. Nun pulverisierte die Sprengung der Brückentrümmer auch die Überreste ihrer Wohnung.
Bild: picture-alliance/dpa/L. Klimkeit
Chefsache Morandi-Brücke
Die nationale Bedeutung der Genuaer Brückenkatastrophe zeigte sich neuerlich als neben Genuas Bürgermeister Bucci (Mitte) auch Italiens Vizeregierungschef Luigi Di Maio (vorne links) und Innenminister Salvini (vorn rechts) zur Sprengung der Brückentrümmer erschienen.
Bild: picture-alliance/Zuma/D. Gentile
Ehrgeizige Pläne
Genuas Bürgermeister, Marco Bucci, ist zugleich Sonderkommissar für den Wiederaufbau. Das Bild zeigt ihn im Dezember 2018 bei der stolzen Präsentation des Entwurfs für den Brückenneubau. Er stammt aus der Hand von Stararchitekt Renzo Piano. Der versprach seiner Heimatstadt eine Brücke, die mindestens 1000 Jahre halten solle.
Bild: picture-alliance/AP Photo/L. Zennaro
Gesagt, getan
Es schien recht kühn, als Bürgermeister Bucci wagte, den 15. April 2020 als Datum für die Vollendung der neuen Brücke auszurufen. Doch ist der Bau bereits in vollem Gange. Am Tag nach der Sprengung der Trümmerreste erreichten, wie hier zu sehen, Elemente der neuen Pylonen den Hafen von Genua.
Bild: Getty Images/AFP/V. Pinto
Die Katastrophe als Chance?
Während der Bau erste Konturen annimmt, gibt sich Bürgermeister Bucci entschieden optimistisch. Der italienischen Nachrichtenagentur sagte er: "Die Tragödie ist etwas Negatives, aber wir haben uns entschieden, sie als Chance zu nehmen, damit Genua nach dieser Phase besser dasteht als zuvor".
Bild: Getty Images/AFP/V. Pinto
Eine zweite Großbaustelle bleibt offen
Dass beim Neubau zugepackt wird, darauf hat Genua ein Jahr gewartet. Gleiches gilt indes auch für eine andere Baustelle. Ein Ende der juristischen Aufarbeitung der Katastrophe ist nicht in Sicht. Ermittelt wird inzwischen gegen über 70 Personen - und den Autobahnbetreiber Autostrade per l'Italia.
Bild: Getty Images/AFP/V. Pinto
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Neben Staatspräsident Sergio Mattarella kamen Regierungsvertreter wie Ministerpräsident Giuseppe Conte und die beiden Vizepremierminister Matteo Salvini und Luigi Di Maio. Um 11.36 Uhr gab es eine Schweigeminute, die von den Glocken aller Kirchen der Stadt und den Schiffshörnern im Hafen durchbrochen wurde.
Zu dieser Uhrzeit war am 14. August 2018 ein etwa 180 Meter langes Stück der Fahrbahn der Morandi-Brücke in die Tiefe gestürzt - mit ihr Fahrzeuge und deren Insassen. Die Bilder des Einsturzes während eines starken Unwetters gingen um die Welt.
Noch immer ist nicht aufgeklärt, wie es zu der Tragödie kommen konnte. Ermittelt wird gegen mehr als 70 Personen und gegen den Autobahnbetreiber Autostrade per l'Italia, der über den Konzern Atlantia von der Familie Benetton kontrolliert wird.
Nach einem Protest von Angehörigen der Opfer verließ die Delegation des Konzerns die Gedenkfeier. Den Betreibergesellschaften wird vorgeworfen, die Brückenkonstruktion nicht angemessen gewartet zu haben. Etliche Angehörige hatten sich gänzlich geweigert, an der offiziellen Gedenkfeier teilzunehmen.