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Ein Jahr danach: Was wir über das Coronavirus wissen

31. Dezember 2020

Vor einem Jahr hat der Arzt Li Wenliang erstmals vor dem Virus gewarnt und wurde dafür abgemahnt. Seitdem haben Forscher viel über Corona und seine Bekämpfung herausgefunden. Hier die wichtigsten Punkte.

China Wuhan Augenarzt  Li Wenliang gestorben
Li Wenliang alarmierte als Whistleblower seine Kollegen. Später starb er selbst an COVID-19.Bild: picture-alliance/AP

Der Augenarzt Li Wenliang  vom Zentralkrankenhaus von Wuhan war der erste, der Informationen über eine SARS-artige Lungenerkrankung mit Kollegen teilte. Das war am 30. Dezember 2019.

Er verteilte seine Warnung über die chinesische Social-Media-Plattform WeChat unter Arbeitskollegen an andere Krankenhäuser. Dafür mahnte ihn die Polizei ab. Er habe "falsche Kommentare im Internet" verbreitet. Er starb später selbst an COVID-19, am 2. Februar. Erst post mortem wurde er durch eine Untersuchungskommission der kommunistischen Partei rehabilitiert. 

Das neue Coronavirus wird offiziell anerkannt

Anfang der zweiten Januarwoche, gaben die chinesischen Behörden erstmals öffentlich bekannt, dass ein neuartiges Virus in der Stadt Wuhan grassiert. Seitdem gab es in Deutschland nahezu 1,7 Millionen Infektionen, weltweit waren es bis Ende Dezember mehr als 82 Millionen. Hier eine Bestandsaufnahme, was bis jetzt über das Coronavirus bekannt geworden ist und wie weit die Medizin bei der Bekämpfung von SARS-CoV-2 vorangekommen ist: 

Der Ursprung von Corona

Als die Behörden die Existenz des Virus bekannt machten, lag die Erstinfektion eines Menschen durch ein Wirbeltier schon einige Wochen zurück. Anfangs hatten die Behörden offenbar versucht, Hinweise zu unterdrücken. Bis heute ist nicht genau geklärt, wann und wo das neuartige Coronavirus vom Tier auf den Menschen übergesprungen ist. Als wahrscheinlich gilt eine Übertragung von der Fledermaus auf einen Zwischenwirt, vielleicht einen Marderhund, und dann auf den Menschen. So begann die Pandemie, die noch heute in vollem Gange ist. 

Mittlerweile verdichten sich die Hinweise, dass Corona sich schon im Sommer 2019 weltweit verbreitet hatte. So konnte das Virus etwa in Proben aus Italien vom September 2019 nachgewiesen werden. 

Eigenschaften von SARS-CoV-2

Chinesische Virologen haben in Rekordzeit die Erbinformation des Erregers entschlüsselt. Bereits am 21. Januar veröffentlichten sie die Genomstruktur, und drei Tage später eine genaue Beschreibung des Virus. Damit konnten Mediziner und Mikrobiologen weltweit beginnen, Medikamente und Impfstoffe zu entwickeln. 

Typisch für das Virus sind die an seiner Oberfläche sitzenden Spike-Proteine (ACE-2). Diese sind für die Bindung an die Wirtszelle entscheidend. Daher konzentriert sich ein Großteil der Medikamenten- und Impfstoffentwicklung darauf, dieses Protein zu binden, zu blockieren oder anderweitig unwirksam zu machen. 

Das Coronavirus im Modell: Am markantesten ist das Spike-Protein (S), was die typischen Kronenzacken bildet. Bild: picture-alliance/Newscom/CDC

Übertragung

Mittlerweile steht - unter anderem durch die Heinsberg Studie - fest, dass sich das Virus insbesondere im Rachenraum und in der Lunge festsetzt. Die größte Infektionsgefahr besteht neben direkten Schmierinfektionen durch Aerosole. Diese verbreiten sich etwa durch Klimaanlagen, wie in der Fleischindustrie, besonders gut.

Sehr gefährlich sind geschlossene Räume mit vielen Menschen. Deshalb waren Lockdown-Maßnahmen, die Schließung von Unterhaltungsbetrieben und die Absage von Messen und Großveranstaltungen auch sehr wirksam bei der Eindämmung der Seuche. Die größten Infektionsketten ließen sich auf sogenannte Superspreader-Events zurückführen.

Virenschleuder Fleischfabrik

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Der Einsatz eines Mund-Nasen-Schutzes hat sich in fast allen Staaten der Welt mittlerweile durchgesetzt. Viele Mediziner stellen jedoch anfangs noch in Frage, ob die meisten Menschen überhaupt in der Lage sind, diesen im Alltag so einzusetzen, dass er eine potentielle Virenübertragung verhindern kann. Weitere Schutzmaßnahmen sind Händewaschen, Abstand halten und gründliches Lüften. 

Auch wenn bestimmte Haustiere  wie Katzen, Frettchen und Goldhamster sich bei Menschen infizieren können, spielen diese bei Infektionsketten keine nachweisbare Rolle. Anders sieht es bei Ausbrüchen in Nerzfarmen aus, die den Gesundheitsbehörden große Sorgen bereiten. Millionen von Nerzen  mussten deshalb in verschiedenen Ländern getötet werden. 

Symptome und Risikogruppen

Anfangs kursierte noch die These, dass das neuartige Virus kaum gefährlicher sei als eine saisonale Grippe. Mittlerweile wissen es die Mediziner aber besser: Die Erkrankung ähnelt von ihrer Gefährlichkeit eher der verheerenden Spanischen Grippe von 1918. Zwar kann eine SARS-CoV-2 Infektion bei vielen Menschen symptomfrei verlaufen, andere erkranken dafür sehr schwer an COVID-19. 

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Wer besonders gefährdet ist, lässt sich nicht eindeutig sagen. Stärker gefährdet sind Menschen mit Vorerkrankungen, ältere Menschen, Personen mit Blutgruppe A und Männer.

Pathologen, die COVID-19-Opfer untersucht haben, konnten bestätigen, dass Bluthochdruck, Diabetes, Krebs, Nierenversagen, Leberzirrhose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu den gefährlichsten Vorerkrankungen gehören. Grundsätzlich kann ein schwerer Verlauf aber alle treffen.

Krankheitsverlauf

Leichte Formen von COVID-19 können wie eine Erkältung wirken. Typisch sind Rachenschmerzen, Atemprobleme und ein Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns. Bei schweren Verläufen kann es hingegen zu einer lebensgefährlichen Multi-Organ-Erkrankung kommen. 

Oft führen diese zu einer Sepsis - einer oft tödlich verlaufenden Überreaktion des Immunsystems, die das eigene Gewebe und die eigenen Organe angreift. Bei der Schwere des Krankheitsverlaufes spielt es also eine große Rolle, wie stark das Immunsystem auf den Erreger reagiert. 

Behandlung

Zu Beginn der Corona-Pandemie wurden viele Patienten mit schweren Verläufen frühzeitig künstlich beatmet (intubiert) und sind trotzdem gestorben. Mittlerweile sind Intensivmediziner von der standardmäßigen Beatmung wieder abgerückt, weil sich die Einsicht der Lungenärzte durchgesetzt hat, dass eine künstliche Beatmung unter Überdruck in der Lunge mehr Schaden anrichten als helfen kann.

Solange die Patienten in der Lage sind, selbst zu atmen, bekommen sie Sauerstoff, ohne an ein Atemgerät angeschlossen zu werden. Nur im äußersten Notfall kommt jetzt eine Intubation in Frage. In vielen Fällen, wenn die Nieren durch COVID-19 schwer geschädigt sind, ist zudem eine Dialyse notwendig. Auch berücksichtigt die Intensivbehandlung nun die anderen geschädigten Organe stärker. 

Der Heilungsprozess kann in spezialisierten Kliniken durch die Gabe von Antikörpern aus dem Blut geheilter COVID-19-Patienten beschleunigt werden. Dann nimmt das Immunsystem aus dem Spenderblut den Kampf gegen das Virus im Körper des Patienten auf, der die Spende empfangen hat.

Grundsätzlich müssen COVID-Patienten nach der intensivmedizinischen Behandlung langwierige, individuell zugeschnittene Rehabilitationsmaßnahmen durchlaufen, die auch ihre spezifischen Vorerkrankungen und mögliche Organschäden berücksichtigen. 

Mehr dazu: Faktencheck: Wie tödlich ist das Coronavirus wirklich?

Bislang keine überzeugenden Medikamente

Bisher gibt es kein überzeugendes Medikament gegen COVID-19. Ein pharmazeutisches Medikament, bei dem überhaupt feststeht, dass es den Krankheitsverlauf verkürzen kann, ist Remdesivir. Deshalb ist es gerade auf dem Markt heiß umkämpft. 

Ein Wundermittel ist es aber nicht. Es verkürzt bei mit Patienten, die Sauerstoff erhalten, den Heilungsprozess um wenige Tage. Aber es verbessert nicht ihre Überlebenschancen. Die WHO hat es jüngst auf ihren Leitlinien zur Behandlung von Corona- Patienten wieder herausgenommen. 

Ärzte versuchten immer wieder, weitere auf dem Markt befindliche Medikamente gegen das Coronavirus in Stellung zu bringen. Dazu gehören etwa der Entzündungshemmer Dexamethason. Studien haben gezeigt, dass dieses Corticosteroid die Sterblichkeit von schwer erkrankten Patienten, die auf Sauerstoffgabe angewiesen sind, um etwa ein Drittel senken kann.  

Andere Hoffnungsträger waren der RNA-Polymerasehemmer Avigan und das Malaria-Mittel Hydroxylchloroquin. Beim ersten ist die Wirksamkeit und Sicherheit noch nicht abschließend erwiesen, beim zweiten ist mittlerweile nachgewiesen, dass es nicht hilft. 

Wie weit ist die Impfstoffentwicklung?

Die Zulassungsbehörden in Großbritannien, den USA und der EU gaben ihr grünes Licht für die ersten Impfstoffe im Laufe des Dezember 2020. Weitere Zulassungen werden für die ersten Wochen und Monate des Jahres 2021 erwartet. Daneben haben Russland und China eigene Impfstoffe zugelassen, die zum Teil auch in Drittländer exportiert werden.

Die Massenproduktion und die Logistik beim Start von Impfkampagnen stellen die Gesundheitsbehörden und die pharmazeutische Industrie weltweit vor große Herausforderungen. Sogenannte mRNA-Impfstoffe, bei denen viele Dosen relativ schnell produziert werden können, sind hierbei von Vorteil. Experten rechnen aber nicht damit, dass die Impfkampagnen weltweit vor 2022 abgeschlossen werden können. 

Was ist noch in der Pipeline? 

Weltweit sind inzwischen nach Angaben der WHO mindestens 233 Impfstoffprojekte angelaufen. Nach Angaben der  forschenden Pharmaunternehmen  sind es 246 (Stand: 22.12.2020). Diese teilen sich im Wesentlichen in drei Impfstofftypen auf: Lebendimpfstoffe, Totimpfstoffe und genbasierte mRNA-Impfstoffe. 

Die Deutsche Welle hat einen Impfstoff-Tracker eingerichtet, der stets den aktuellen Stand wiedergibt.  Weitere Informationen zu den Impfstoffen finden Sie hier.  

Ein Impfstoff im Schnellverfahren

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Bei den RNA-Impfstoffen betreten die Mediziner Neuland, weil es bisher keine derartigen zugelassenen Impfstoffe gab. Beide derzeit in den USA bzw. der EU zugelassenen Vakzine sind solche mRNA-Impfstoffe. 

Dabei handelt es sich um die Produkte von BioNTech-Pfizer (zugelassen in der EU und den USA) und Moderna  (USA, aber eine Zulassung in der EU wird in den ersten Tagen des Jahres 2021 erwartet).

Ein weiterer Impfstoff der Firma AstraZeneca wurde am 30. Dezember in Großbritannien zugelassen. Das ist kein mRNA-Impfstoff, sondern ein Totimpfstoff, bei dem ein harmloses Schimpansen-Erkältungsvirus als Träger genutzt wird, um Proteine des SARS-CoV-2 Virus einzubringen, die dann eine Immunantwort auslösen.  

Daneben gibt es einen bereits zugelassenen Tuberkulose-Impfstoff, der sich allerdings nicht direkt gegen SARS-CoV-2 richtet, sondern die angeborene Grundimmunität der Menschen stärkt. Diesen versuchen Forscher am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin derzeit genetisch zu verbessern. 

Wann kommt es zu einer Herdenimmunität?

Es infizieren sich zwar immer mehr Menschen weltweit. Bis Ende Dezember waren es mehr als 82 Millionen Menschen. Die Weltbevölkerung ist mit ihren 7,8 Milliarden aber noch weit davon entfernt, dass die Erkrankungen zu einer relevanten Immunität führen. 

Zudem ist unklar, ob genesene Patienten dauerhaft immun gegen das Virus bleiben. Ob jemand Antikörper gegen das Virus in sich trägt, lässt sich mit einem serologischen Test aus dem Blut ermitteln. Ein Abstrich mit dem Wattestäbchen kann durch einen Gen-Test Klarheit bringen, ob jemand akut erkrankt und ansteckend ist.  

Dieser Artikel wurde mehrfach aktualisiert, zuletzt am 30. Dezember 2020 

Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen
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