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Ein Jahr Plastiktütenverbot in Kenia

Bettina Thoma-Schade
28. August 2018

Plastiktüten waren ein fester Bestandteil des Lebens in Kenia. Dann hat das Land die Tüten verboten und die schärfsten Regeln weltweit eingeführt. Eine Bilanz nach 12 Monaten.

Ein junger Afrikaner hält ein Schild hoch auf dem steht: #ISupportBanPlasticsKE
Bild: James Wakibia

Irgendwann konnte er nicht mehr weggucken. James Wakibia wusste, er musste etwas tun, gegen den Plastikmüll in seinem Land. Das war 2013. Auf seiner Stammstrecke von seinem Haus in die Innenstadt von Nakuru, einer Stadt 150 km nordwestlich von Nairobi, lagen die Plastiktüten überall. Der Wind hatte sie von einer Mülldeponie in alle Himmelsrichtungen geweht.

"Sie hingen in den Bäumen, lagen in den Pfützen, säumten den Weg. Sie waren wie Luft - einfach überall", erinnert er sich.

2015 startete der Student und Fotograf eine Kampagne in den sozialen Medien, schuf den Hashtag #ISupportBanPlasticsKE und rief zum Verbot von Einwegplastiktüten auf. Über Nacht wurde er zum Umweltaktivisten.

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Seine Kampagne erregte viel Aufmerksamkeit. Sogar die Regierung in Nairobi griff das Thema auf und setzte das Verbot von Plastiktüten ganz oben auf ihre To-Do-Liste.

Es war so ein Anblick, der James Wakibia inspirierte, zu handelnBild: James Wakibia

Nun sind sie seit einem Jahr verboten, sowohl Tragetüten mit Henkeln, als auch dünne Plastikbeutel ohne Henkel, die zum Beispiel zum Verpacken von Obst und Gemüse verwendet werden.

"Kenia hat einen großen und mutigen Schritt gemacht", sagt Wakibia. "Die meisten anderen Länder wagen es nicht, diesen Weg zu gehen, weil die Industrie zu mächtig ist und sehr stark mit der Politik vernetzt ist."

Wer sich nicht an die Regeln hält, dem drohen Strafen von bis zu umgerechnet 32.000 Euro oder Haftstrafen von bis zu vier Jahren. Kein anderes Land geht härter gegen Plastiktüten vor.

Laut der kenianischen Umweltbehörde NEMA gab es auch schon saftige Strafen, selten bei Privatpersonen, aber bei Herstellern und Verkäufern von Tüten. Bislang wurden 100 Menschen bei Polizeikontrollen auf Märkten und Straßen festgenommen und mussten Geldstrafen bezahlen.

Plastiktüten waren bis vor einem Jahr ein fester Bestandteil des Lebens, vor allem auf den Märkten Kenias. So auch auf dem Kangemi Markt im Westen Nairobis, der Hauptstadt des Landes mit 3 Millionen Einwohnern.

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Händler und auch Kunden mussten im Alltag umdenkenBild: Bettina Thoma-Schade

Kangemi ist ein beliebter Markt, auf dem so ziemlich alles verkauft wird: Obst, Gemüse, Kleidung. Das Verbot scheint zu wirken, die illegalen Tüten sind nirgendwo zu sehen. Stattdessen: bunte, recyclebare Stofftaschen, die an jedem Stand hängen. Diese kosten allerdings 20 kenianische Schilling (20 Cent), zehnmal so viel wie Plastiktüten, bevor sie verboten wurden. Viele Kunden bringen eigene Taschen mit oder transportieren ihre Ware in Eimern.

Geteilte Meinungen

Für Wilfred Mwiti, der regelmäßig auf dem Markt einkauft, ist das Verbot der Plastiktüten kein Problem, im Gegenteil.

"Ich finde die Regierung sollte noch einen Schritt weitergehen und Plastik auch bei der Verpackung verbieten."

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Doch nicht alle sind mit dem Verbot glücklich: Martha Ndinda bietet Süßkartoffeln auf dem Markt an.

"Auch wenn das Verbot für die Umwelt gut ist, für mein Geschäft ist es schlecht. Früher habe ich meine Kartoffeln in Plastiktüten verkauft, damit sie länger frisch bleiben. Jetzt trocknen sie schnell aus."

Ein paar Schritte weiter, am Hang neben dem Markt, liegen sie allerdings noch in großen Mengen: ausgediente, weggeworfene Plastiktüten. Nach dem Beschluss wollten die Marktbesucher die Tüten so schnell wie möglich loswerden.

Plastik, das auf Müllhalden wie dieser landet, kann leicht vom Wind weggetragen werden und landet dann in Flüssen oder an Orten, wo arglose Tiere es fressen.Bild: James Wakibia

Die wohl größte Kritikerin des Verbots ist die Kenya Association of Manufacturers (KAM). In dem ostafrikanischen Land produzierten rund 170 Firmen Plastik und beschäftigten fast drei Prozent aller kenianischen Arbeitskräfte.

Sachen Gudka hat ein Unternehmen, das Etiketten herstellt. Er ist einer der einflussreichsten Unternehmer des Landes und Vorsitzender des Industrieverbands KAM.

Viele Firmen mussten dicht machen, rund 60.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze gingen durch das Verbot verloren, beklagt er, man hätte das Ganze schrittweise einführen müssen.

"Kenia hatte früher eine erfolgreiche Industrie, die Plastiktüten ins Ausland exportiert hat. Die Einnahmen sind jetzt weggebrochen."

Obwohl Alternativen neue Perspektiven bieten könnten, müssten die Firmen erstmal viel Geld investieren, was die meisten nicht haben, sagt er. Von der Regierung haben sie keine Entschädigung erhalten.

Illegale Einfuhr

Plastiktüten kommen jetzt zum Teil illegal über die Grenzen ins Land, zum Beispiel aus Uganda, beobachtet Betty Nzioka, von der kenianischen Umweltbehörde NEMA.

"Deshalb hoffen wir, dass es irgendwann ein Verbot in ganz Ostafrika geben wird."

Obwohl die Behörde noch vor vielen Herausforderungen stehe, sei die Bilanz insgesamt positiv, so Nzioka. Die Menschen hätten die Veränderung angenommen. Die Straßen seien sauberer, keine herumfliegenden Plastiktüten mehr, weniger Beutel in den Netzen der Fischer und in den Mägen der Kühe.

"Das Verbot wurde von einer Aufklärungskampagne begleitet. Wir haben in Broschüren und Aufklärungsfilme investiert, um zu zeigen, wie schädlich Plastik für die Umwelt ist."

Die Zukunft ist Recycling

Für den Studenten James Wakibia aus Nakuro geht das Verbot in Kenia allerdings noch nicht weit genug.

"Es gibt viele Ausnahmen, vor allem bei der Verpackung", meint er. "Die darf es in Zukunft nicht mehr geben. Außerdem sollten wir Einweg-Gegenstände generell verbieten."

James Wakibia hat mitgeholfen, das Plastikverbot auf den Weg zu bringen. Jetzt möchte er, dass die Regierung noch ehrgeizigere Regelungen einführt.Bild: James Wakibia

Doch genau das findet der Herstellerverband schwierig: "Wenn wir über ein generelles Verbot von Plastik sprechen, müssen wir auch über bezahlbare, praktikable Alternativen sprechen. Und ehrlich gesagt, davon gibt es nicht viele", sagt Sachen Gudka.

Brot könnte man zum Beispiel alternativ in Wachspapier einwickeln, bislang gibt es aber nur eine einzige Firma, die das herstellt, so Gudka.

Deshalb plädiere er dafür, das Sammeln, die Wiederverwertung und die Aufarbeitung von Plastik in den Mittelpunkt der Diskussion zu stellen.

"Damit können wir einen Recycling-Kreislauf schaffen, der  wirtschaftlich sinnvoll ist und Arbeitsplätze schafft."

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Zurzeit vernetzt sich James Wakibia aus Nakuro mit Aktivisten in den afrikanischen Ländern Sambia und Sudan, um gemeinsam an einer weiteren Strategie zu arbeiten. Denn auch wenn er auf seinem täglichen Weg in die Innenstadt von Nakuru so gut wie keine Tüten mehr sieht, weiß er: Das Problem ist längst noch nicht gelöst.