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Politik

Ein Jahr Trump: ein Albtraum für Mexiko

20. Januar 2018

Mexiko steht mehr als andere Länder unter direktem Einfluss der Politik Donald Trumps. Der Republikaner zählt zu den unbeliebtesten US-Präsidenten aller Zeiten. Ein Jahr Trump aus mexikanischer Sicht: eine Analyse.

Donald Trump trifft Enrique Pena Nieto
Bild: picture alliance/dpa/J.Nunez

Mauerbau, Drohungen gegen Investoren und das Infragestellen des Freihandelsvertrags Nafta - für Mexiko war das erste Amtsjahr von US-Präsident Donald Trump ein Albtraum. "Erstmals sind wir mit einem offen antimexikanischen US-Präsidenten konfrontiert", sagt Luis de la Calle, Ökonom und Ex-Chefunterhändler von Nafta der Deutschen Welle. Schlimmer und schädlicher als jede Naturkatastrophe, hat der US-amerikanische Staatschef die Grundfeste der bilateralen Beziehungen erschüttert. Trump schwingt nicht nur rassistische Parolen, er sabotiert mit seinem Protektionismus auch das, was seit dem Inkrafttreten von Nafta 1994 als unerschütterliches Credo der bilateralen Beziehungen galt: Freihandel. Dabei gebe es für beide Länder keine Alternative zur Kooperation, gibt de la Calle zu bedenken.

Trump in Mexiko so unbeliebt wie kein US-Präsident zuvor

"Trump hat den bilateralen Rückwärtsgang eingelegt", bewertet Carlos Heredia das erste Amtsjahr. "Und damit hat er nicht nur die Politik in eine Krise gestürzt, sondern antiamerikanische Reflexe in der Bevölkerung geweckt", konstatiert besorgt der Experte für die USA am Forschungsinstitut CIDE in Mexiko-Stadt. Trump ist in der Tat der unpopulärste US-Präsident aller Zeiten in Mexiko. 93% lehnen ihn einer Umfrage des Pew Research Center zufolge rundheraus ab. Pappmaché-Figuren mit seinen Gesichtszügen, die traditionell in Mexiko mit Süssigkeiten gefüllt und auf Kindergeburtstagen hingebungsvoll zerschlagen werden, sind ein Publikumsrenner. Im gleichen Masse wie sich die Regierungsbeziehungen verschlechterten, seien aber die binationalen Kontakte zwischen Abgeordneten, Städten, Unternehmern und Gremien enger geworden, ergänzt de la Calle.

Nahezu unüberwindlich: Prototyp eines Mauerelements, mit dem die USA ihr Land abriegeln wollen.Bild: picture-alliance-/Zuma/San Diego Union-Tribune/J. Gibbins

Vieles von dem, was Trump vollmundig androhte, sieht in der Realität etwas anders aus. Die 600 Millionen US-Dollar für den Mauerbau, die der Kongress letztlich bewilligte, werden höchstens für ein paar Teilstücke ausreichen, und die angedrohten Massenabschiebungen sind bislang ausgeblieben. "Unter Trump wurden mehr Arbeitsvisa an Mexikaner ausgegeben als unter Barack Obama", führt de la Calle an. Der immer wieder angekündigte Austritt aus dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen Nafta hat zähen Neuverhandlungen Platz gemacht. „Wäre das mit dem Austritt so einfach, hätte Trump es längst gemacht", meint de la Calle. Stattdessen erreichten Mexikos Autoexporte in die USA 2017 einen historischen Höchststand (2,3 Millionen Autos), ebenso die Rücküberweisungen ausgewanderter Mexikaner in die Heimat (26 Milliarden US-Dollar). Und: Mexikos Wirtschaft wuchs mit 1,9 Prozent sogar etwas mehr als vorhergesagt. Dennoch wirkten sich Trumps Attacken aus: Der Peso unterlag hohen Schwankungen und die Inflation erreichte ein 17-jähriges Rekordhoch von 6,7%. Neue Investitionen wurden angesichts der unklaren Zukunft auf Eis gelegt. Vor allem mittelfristig gesehen sehen Heredia und de la Calle dunkle Wolken am Horizont aufziehen.

Nafta-Gespräche vor neuer Runde

Mexiko hat bislang kein probates Gegenmittel gefunden, wie man mit dem gewandelten Nachbar am besten umgeht. Das liegt auch daran, dass das Phänomen Trump zunächst schwer zu fassen war. Heredia definiert ihn als „Oligarchen mit populistischem Diskurs." De la Calle zufolge misst Trump seinen Erfolg - auch den außenpolitischen - vorrangig an den Börsenkursen der Wall Street. „Zuerst hoffte die Regierung, er werde sich schon besinnen und von den wirtschaftlichen Realitäten in die richtigen Bahnen gelenkt", sagt Heredia. Doch das habe nicht funktioniert. „Trump interessiert sich nicht für Grafiken und Zahlen, sondern regiert impulsiv." Anschließend habe die Regierung versucht, über Handelspartner und Interessensgruppen wie zum Beispiel die Getreideexporteure Druck auszuüben. Derzeit appellieren die Handelskammer und die Autoindustrie an Trump, Nafta nicht aufzukündigen. Ob diese Strategie Früchte trägt, muss sich weisen. Die Nafta-Gespräch gehen dieser Tage in eine neue Runde.

Dreamer-Bleiberecht für Mauerbau? 

Immer wieder gab es auch Stimmen wie die des Ex-Außenministers Jorge Castañeda der forderte, die mexikanische Kooperation in Sicherheitsfragen vom Überleben Naftas abhängig zu machen. Doch dagegen gab es Widerstand in der mexikanischen Regierung, denn auf solche Versuche antwortete Trump seinerseits mit Erpressung: Ein Bleiberecht für die als Kinder in die USA eingewanderten sogenannten „Dreamer", gebe es nur im Gegenzug für den Mauerbau, verkündete er unlängst.

Das Schicksal von rund 700.00 Dreamern in den USA ist nach wie vor unsicher.Bild: Getty Images/AFP/R. Beck

Statt sich auf Trump zu fixieren, wäre Mexiko besser beraten, eigene Schwachstellen auszumerzen, empfehlen Heredia und de la Calle. Die Niedriglohnpolitik, mit der Mexiko sich innerhalb der Nafta positioniert habe, sei keine Zukunftsstrategie, so De la Calle, der außerdem mehr Strukturreformen und mehr Diversifizierung des Außenhandels fordert. In Sachen Migration und Sicherheitspolitik wäre Mexiko nach Auffassung von Heredia besser beraten, enger mit den mittelamerikanischen Ländern zu kooperieren statt kritiklos dem Drogenkriegs-Paradigma aus Washington zu folgen. Doch strategische Neuorientierungen in Mexikos Außenpolitik sind in diesem Jahr kaum zu erwarten. Die politische Elite ist ganz auf die Präsidentschaftswahlen im Juli konzentriert.