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Sorge über Suezkanal-Erweiterung

Naomi Conrad/ cb5. August 2015

Der Suezkanal ist erfolgreich erweitert, Politiker und Bürger in Ägypten feiern. Wissenschaftler hingegen sind über die Folgen für die Umwelt besorgt. Sie fürchten vor allem invasive Arten.

Bildergalerie Ägypten Neuer Suezkanal (Bild: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/K. Elfiqi

Seit kurzem stehen an den verstopften Straßen Kairos große Plakatwände. Sie kündigen ein "ägyptisches Projekt" an, das die Welt verzaubert". Riesige Flaggen hängen an den Regierungsgebäuden und im Fernsehen läuft Werbung, die die Ingenieurskunst des Landes preist. Ägypten weiht diesen Donnerstag seine Suezkanal-Erweiterung ein.

Der neue Teil, der in nur elf Monaten fertiggestellt wurde, erweitert den Kanal um eine 37 Kilometer lange Spur in dem Bereich der Wasserstraße, der das Rote Meer mit dem Mittelmeer verbindet. Außerdem wurde der alte Teil des Kanals verbreitert und vertieft.

Kairo Regierung rechnet damit, dass die Erweiterung den Schiffverkehr im Kanal erhöht und sich dadurch die Einnahmen mehr als verdreifachen. Schon jetzt ist der Suezkanal eine der Hauptgeldquellen für das Land.

Die Nachricht scheint genau zur rechten Zeit zu kommen: Die Wirtschaft erholt sich nur langsam von den politischen Tumulten, die seit dem Arabischen Frühling das Land beschäftigen, und leidet unter einer zunehmend prekären Sicherheitslage.

Stolz und Prestige

"Ich denke, es ist ein großartiges Projekt, das der Wirtschaft wirklich gut tun wird", erklärt der 24-jährige Mahitab Mahmoud gegenüber der DW. Der arbeitslose Universitätsabsolvent kommt aus dem Agouza Wohnviertel, wo die meisten der Anwohner, mit denen die DW sprach, begeistert von dem Projekt sind. Die Kanalerweiterung "wird das ganze Land verändern", meint Mahmoud mit einem stolzen Lächeln.

Invasive Spezies bereiten auch Fischern im Mittelmeer ProblemeBild: Reuters/M. Abd El Ghany

Umweltschützer hingegen sind weniger erfreut. Bella Galil, eine Meeresbiologin vom Nationalen Institut für Ozeanografie in Israel, befürchtet, dass das Projekt "verheerenden Schaden an den Ökosystemen des gesamten Mittelmeeres anrichtet".

Nach Angaben der Meeresbiologin dient der vor 145 Jahren gebaute Suezkanal als Einfallstor für fremde Spezies, die auf diesem Weg ins Mittelmeer zu gelangen. Aggressive Arten kämen im Mittelmeer an und verbreiteten sich schnell, da sie keine natürlichen Feinde wie Parasiten oder Raubtiere hätten.

"Bis heute haben 444 Spezies das Mittelmeer durch den Suezkanal erreicht", sagte Galil der DW. Und da der Klimawandel das Meer erhitzte, verbreiteten sie sich in Richtung Norden und Westen. "Es wird praktisch unmöglich sein, diese Spezies dort je wieder heraus zu bekommen", meint Bella Galil.

Invasion fremder Arten

Mit 17 anderen Wissenschaftlern aus der ganzen Welt veröffentlichte Galil vergangenes Jahr einen Artikel in der Fachzeitschrift "Biological Invasions", in dem sie die Kanalerweiterung als "bedrohliche Nachricht" für das Ökosystem des Meers einstuft.

Als Beispiel nennt Galil die Rhopilema nomadica Qualle, die jährlich in riesigen Schwärmen auftritt. Die Schwärme können sich kilometerlang ausdehnen. Sie waren zum ersten Mal in den 1970ern im Mittelmeer aufgetaucht.

"Wir leiden jeden Sommer unter ihnen", sagte die Biologin. "Die Qualle ist hochgiftig und eine Berührung mit ihr kann dazu führen, dass man ins Krankenhaus muss. Außerdem ist sie eine Gefahr für die Stromkraftwerke an der Küste, da sie Kühlsysteme verstopfen kann." Fischfang und Tourismus seien durch die Invasion der Quallen ebenfalls beeinträchtigt.

Auf jede Erweiterung des Suezkanals folgen weitere invasive Spezies, fürchtet Galil. Sie weiß, dass ihre Kommentare als politisch motiviert ausgelegt werden könnten, weil sie aus Israel kommt. Sie betont deshalb immer wieder, dass sie nicht gegen den Kanal an sich ist. Denn Schifffahrt sei schließlich umweltfreundlicher als andere Arten des Transports.

Schleusen als Schutzwall

Galil kritisiert, dass die zuständigen Stellen in Ägypten nicht ausreichend für Schutz vor invasiven Spezies gesorgt hätten. Maßnahmen wie Schleusen oder Salzgehalt-Schranken hätten das Problem minimiert.

Die Erweiterung hat starken Einfluss auf die Umwelt - aber laut Regierung besteht keine GefahrBild: picture-alliance/dpa/K. Elfiqi

Diese Beschuldigung weist eine Sprecherin von Ägyptens Umweltministerium zurück. Eine Prüfung der Auswirkungen auf die Umwelt, durchgeführt im Auftrag der Regierung, habe ergeben, dass es "keinerlei Folgen hat. Sonst hätten wir das Projekt nicht fortgesetzt."

Tarek Temraz, der als Berater von außen an der Studie mitarbeitete, bestätigt das. Der Wissenschaftler der Suez Canal Universität in Ismailia, Ägypten, glaubt, dass die Erweiterung nur "einen sehr kleinen Effekt" auf die Entwicklung von invasiven Spezies haben wird.

Schmutziges Ballastwasser

"Ich sage nicht, dass alles in Ordnung ist", so Temraz zur DW. "Aber nicht alle invasiven Spezies, die es im Mittelmeer gibt, gehen auf den Kanal zurück." Er nennt andere Wege ins Mittelmeer, zum Beispiel Ballastwasser von großen Schiffen, oder Schalentiere, die sich am Bug eines Schiffes festsetzen: "Wir brauchen den genetischen Fingerabdruck dieser Spezies, um genau festzustellen, woher sie kommen."

Suezkanal-Behörden haben laut Temraz ein Beobachtungsprojekt, das invasive Spezies im Blick behält und mögliche Bedrohungen identifiziert. So würden, wenn nötig, auch "geeignete Maßnahmen ergriffen werden".

Für viele Ägypter wie Mahitab Mahmoud werden die Umweltfragen aber sowieso keine Rolle spielen, wenn sie an der feierlichen Eröffnung teilnehmen: "Ich werde draußen sein und dieses großartige Projekt feiern."

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