Ein Leben lang kein Verlierer: Niki Lauda ist tot
21. Mai 2019"Ich habe genug von Im-Kreis-Fahren", hat er 1979 einmal gesagt. Zu diesem Zeitpunkt lag bereits ein Sportlerleben hinter ihm, das viele andere aus der Bahn geworfen hätte. Zwei der drei Weltmeister-Titel hatte er errungen, den grausamen Unfall überlebt. Später dann, der schnelle Wiedereinstieg ins Formel-1-Cockpit: Ein solches Leben führt nur jemand, der sich seinem Sport mit Leib und ganzer Seele verschreibt. So war dieser Satz schwer zu glauben: "Ich habe genug von Im-Kreis-Fahren."
Andreas Nikolaus Lauda, den die ganze Welt nur Niki nannte, brauchte auch weiterhin - das Tempo, den Wettbewerb, die Weite, den Kampf. Als Unternehmer und Betreiber mehrerer Fluggesellschaften ging er in die Knie, stand wieder auf, erlitt Schicksalsschläge und ließ sich dabei nie ganz von der Start- und Landebahn abdrängen. Der 70-jährige Wiener war sein Leben lang kein Verlierer.
Mit dem Großvater nicht versöhnt
Zunächst: der wohlhabende Start im Wiener Viertel Pötzleinsdorf, die betuchte Familie, die ihm den Einstieg in den Rennsport verwehren wollte, der Großvater Hans Lauda, der im Aufsichtsrat der Ersten Österreichischen Bank den ersten Sponsoringvertrag torpedierte - sein Anfang war nicht gerade einfach. Die Lebensversicherung, mit deren Hilfe er sich verschuldete, zwei Millionen Schilling damals, um mitmachen zu können in der Formel 1. "Vielleicht bin ich deswegen so gut geworden im Auto", sagte Lauda mit Blick auf die Anfangsschulden einmal dem Sender ORF, schmunzelnd übrigens. Das an sich ist das Besondere an diesem Interview: Lauda schmunzelnd zu sehen. Mit seinem Großvater hat er sich nie versöhnt. Niki Lauda hat es später bedauert.
Das schwarze Pferd auf gelbem Grund
March-Ford, sein erster Rennstall, ging pleite. Lauda fand Aufnahme im britischen B.R.M.-Team, fuhr weiter, und fuhr so gut, dass ihm Enzo Ferrari einen Vertrag anbot - als Ferrari-Pilot neben Clay Regazzoni. Diese stolzen Italiener, die so dürsteten nach Erfolg, nach dem Titel, nach dem Ruhm, den die "Scuderia Ferrari" für sich in Anspruch nahm und nimmt. Bis heute. Michael Schumacher und Sebastian Vettel könnten Geschichten über dieses Selbstverständnis in Rot erzählen, mit dem schwarzen springenden Pferd auf gelbem Grund im Wappen. Seit 1964 hatten die Männer aus Maranello keine Weltmeisterschaft mehr gewonnen.
Dieser junge, so selbstbewusste, kühle und wagemutige Mann aus Wien gab ihnen das Selbstbewusstsein zurück. Dass er dabei keine Rücksichten nehmen würde, zeigte schon die Episode 1973 in Zandvoort. Der Brite Roger Williamson verünglückt und verbrennt in seinem March-Rennwagen. Lauda fährt, wie andere, an der Unglücksstelle vorbei, ohne zu helfen. Er habe das alles nicht so gut erkennen können, gibt er zu Protokoll - und lässt sich von einem Reporter zu der Aussage provozieren: "Ich bin Rennfahrer und kein Feuerwehrmann."
Zusammen mit Luca di Montezemolo und Konstrukteur Mauro Forghieri entwickelt Lauda den Ferrari weiter. 1975 dominiert das Team die Saison. Niki Lauda wird unangefochten Weltmeister. Der Beginn einer großen Zeit. Was sollte noch alles kommen?
Den Helm verloren
Es kam: der 1. August 1976. Der große Preis von Deutschland auf dem Nürburgring. Inzwischen ist der charismatische James Hunt aus Großbritannien mit im Rennen. Vor dem Start am Nürburgring hatte es geregnet. In einem Buch schrieb Lauda später, dass wahrscheinlich der rechte hintere Längslenker an seinem Auto gerissen war. Im Streckenabschnitt Bergwerk, kurz hinter Breidscheid, krachte Laudas Auto gegen eine Felswand, schleuderte die Fahrbahn entlang und geht in Flammen auf. Mehrere Fahrer erreichen die Unfallstelle. "Da kommen ja noch Autos, die warne ich jetzt mal", sagte Hans-Joachim Stuck, der damals dabei war.
Mehrere Piloten versuchen, Lauda aus dem brennenden Auto zu ziehen. Arturo Merzario gelang es, die Sicherheitsgurte zu lösen. Fast 200 Liter waren inzwischen aus dem Tank ausgelaufen und hatten sich entzündet. Nur Amateuraufnahmen von damals zeigen das Geschehen, die offiziellen TV-Kameras hatten diesen Streckenabschnitt nicht im Blick. Lauda hatte bei dem Unfall den Helm verloren. Die Gesichtshaube war damals nicht so sicher wie heute - niemand hatte damit gerechnet, dass der Helm verloren gehen könnte.
"Ärzte haben alles richtig gemacht"
Dann: Stuck weist dem Rettungswagen einen kürzeren Weg. Adenauer Hospital, dann mit dem Hubschrauber ins Bundeswehr-Krankenhaus Koblenz, später ins Unfallkrankenhaus Ludwigshafen. Hautverbrennungen, Lungenverätzungen. "Das Risiko, das wir damals eingingen, das mussten wir uns vorher überlegen. Gott sei Dank ist das heute nicht mehr so", sagte Lauda später über das lebensgefährliche Renngeschäft zu dieser Zeit. Als Folge der Medikamente nach dem Unfall ließen die Nieren Laudas in ihrer Funktion stark nach. Sein Bruder Florian spendete 1997 die erste Niere, seine spätere Frau Birgit die zweite Niere. Die Lungenerkrankung, die Lauda nun erlitt, machte eine weitere Organtransplantation erforderlich.
"Die Lunge war mein Hauptproblem, aber die Ärzte haben alles richtig gemacht und da kam ich wieder zurück", sagte Lauda im Rückblick. Und wie er zurückkam. 42 Tage später saß Niki Lauda wieder im Ferrari. Die Italiener hatten inzwischen einen Ersatzmann engagiert, was den Österreicher anstachelte. In Monza wird Lauda Vierter. "Seine Rückkehr nach dem Unfall war das Mutigste, was ich je gesehen habe", sagte sein Wettbewerber Jackie Stewart.
Und dann? Zweite Weltmeisterschaft 1977, ein Entfremdung zwischen Enzo Ferrari und Lauda, der Rücktritt 1979, die erste Fluggesellschaft Lauda Air. 1982 kehrt er dann für McLaren in die Formel 1 zurück. Zwei Jahre später wird er wieder Weltmeister und stellt seinen Konkurrenten und Team-Kollegen bei McLaren, Alain Prost, in den Senkel. Als Lauda 1985 endgültig aufhört, ist es die Dominanz von Prost, die ihn - ausnahmsweise - hinterherfahren ließ.
Allein dieses Sportlerleben wäre hinreichend, um ein Porträt zu füllen, auszuschmücken, mit Einzelheiten anzureichern. Was danach kam, hat der Wirtschaftsteil der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" einmal überschrieben mit: "Rastloser Vielflieger". Aus dem Sportstar war ein Unternehmer mit Pilotenlizenz geworden. Nicht immer erfolgreich, aber auch hier: ein Meister der Überlebensstrategie. Und auch hier - ein einschneidendes Erlebnis, dass das Leben von Lauda verändert.
Absturz in Thailand
Der 26. Mai 1991. Lauda-Air-Flug 004 von Bangkok nach Wien. Im Steigflug schaltet das linke Triebwerk der Boeing 767 automatisch auf Schubumkehr. Die Maschine stürzt deswegen in Thailand ab. 223 Menschen kommen ums Leben. Später wird festgestellt, dass der Unfall durch ein falsch konstruiertes Ventil ausgelöst wurde. Lauda gab zu Protokoll, dass der Absturz für ihn schlimmer gewesen sei als sein eigener Unfall. Mit seiner roten Mütze, die längst ein Markenzeichen geworden war, eilte der Airline-Chef zum Absturzort und musste mit ansehen, wie Schaulustige sich über das Hab und Gut der Verunglückten hermachten. "Das war eine Szene, die ich niemals vergessen werde", sagte Lauda.
"Over all, Niki is a survivor", sagt der belgische Rennfahrer Jacky Ickx. Sein Sportskamerad Lauda war zwischenzeitlich erfolgreicher und wegen seiner Kompetenz hochgeschätzter TV-Kommentator bei RTL geworden. Und hatte seine Erfahrung für die Silberpfeile genutzt, für die Mercedes-Rennautos, die unter dem guten Stern des Aufsehers Lauda zum Weltmeister-Team reiften. "Er ist immer noch hier, und das ist schon ein Erfolg", so Jacky Ickx.
Lungentransplantation in Wien
Im Sommer 2018 dann der gesundheitliche Rückschlag: Lauda musste eine neue Lunge transplantiert werden. Von dem schweren Eingriff erholte er sich nur langsam. Nach einer Grippe-Erkrankung musste er im Januar dieses Jahres erneut ins Krankenhaus.
Anlässlich seines 70. Geburtstages am 22. Februar hatte sich Lauda noch in einer kurzen Audio-Botschaft beim ORF für die Glückwünsche mit den Worten bedankt: "Ich komme wieder zurück und es geht volle Pulle bergauf." Sein Wunsch erfüllte sich nicht mehr. Am 20. Mai 2019 verstarb Andreas Nikolaus Lauda. Er hinterlässt seine Ehefrau und fünf Kinder.