Ein großes filmisches Werk, Festivalpreise, Oscars in Hollywood - Roman Polanski ist einer der wichtigsten Kinoregisseure der Geschichte. Doch sein Leben steht auch im Schatten historischer und persönlicher Tragödien.
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10 Polanski-Filme, die man gesehen haben muss
Der Regisseur Roman Polanski gilt als einer der wichtigsten Filmemacher der Kinogeschichte. Die meisten seiner Filme handeln von den Abgründen menschlicher Beziehungen. 10 empfehlenswerte Filme.
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"Das Messer im Wasser" (1962)
Eine Frau und ein Mann eng umschlungen auf einer Segelyacht - doch die Harmonie trügt: "Das Messer im Wasser", Polanskis erster abendfüllender Spielfilm, erzählt eine dramatische Dreiecksgeschichte. Der Film entstand 1962 in Polen und zeigte bereits ein wichtiges Motiv, das in späteren Filmen immer wieder auftauchen sollte: menschliche Konflikte auf kleinstem Raum, aufgeladen mit Erotik.
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"Ekel" (1965)
Polanskis zweiter Film entstand drei Jahre später im Westen. Der psychologische Thriller "Ekel" zeigt die junge Catherine Deneuve in einem Londoner Appartement am Rande des Wahnsinns. Der Film nutzt die Mittel des Horrorfilmgenres für eine filmische Studie über die Verzweiflung einer jungen Frau. Eine Deutung des Films, der vieles offen lässt: Sie wurde in früheren Jahren sexuell missbraucht.
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"Tanz der Vampire" (1967)
Ebenfalls in England entstand "Tanz der Vampire", der dann an den Kinokassen großen Erfolg haben sollte. Polanski spielte mit Versatzstücken des damals populären Vampirfilms, gab dem Genre aber einen heiteren Dreh. Anders als in "Ekel" oder im nachfolgenden Film "Rosemaries Baby" eröffnete Polanski, der selbst eine Hauptrolle übernahm, dem Zuschauer Fluchtmöglichkeiten - ins befreiende Lachen.
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"Rosemaries Baby" (1968)
Nichts zu lachen hatte das Publikum auf der ganzen Welt, als "Rosemaries Baby" in die Kinos kam. Die Geschichte eines kinderlosen Paares (Mia Farrow und John Cassavetes), das in eine New Yorker Wohnung zieht, die offenbar ein Geheimnis birgt, zieht dem Zuschauer den Boden unter den Füßen weg. "Rosemaries Baby" ist ein verstörender Horrorfilm übers Kinderkriegen mit stark religiösen Untertönen.
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"Chinatown" (1974)
Nach der Shakespeare-Verfilmung "Macbeth" und der missglückten Komödie "Was?" gelang Polanski Mitte der 1970er Jahre ein makelloses filmisches Meisterwerk: "Chinatown". Der Detektivfilm mit einem herausragenden Jack Nicholson ist sowohl eine Verbeugung vor dem "Film Noir" als auch eine Weiterentwicklung des Kriminalfilms, dringt aber auch tief in die Psyche der amerikanischen Gesellschaft ein.
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"Der Mieter" (1976)
Polanskis nächster Film, "Der Mieter", variierte dann noch einmal die Themen seiner früheren Arbeit "Ekel". Diesmal ist es ein Mann, der in den vier Wänden seiner Pariser Wohnung von Wahnvorstellungen befallen wird. Einmal mehr bewies Polanski, dass er auch ein guter Schauspieler ist. Den "Mieter" spielte er selbst, ihm zur Seite stand die französische Schauspielerin Isabelle Adjani.
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"Tess" (1979)
Für viele Polanski-Fans war dessen Verfilmung eines Klassikers der englischen Literatur eine Überraschung. "Tess", nach dem Roman von Thomas Hardy von 1891, bot einen opulenten Bilderbogen, variierte aber auch klassische Polanski-Themen in neuer Gestalt: "Ich bin nicht auf der Suche nach Orginalität, ich bin auf der Suche nach mehr Einfachheit", kommentierte der Regisseur sein Werk damals.
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"Der Pianist" (2002)
Nicht weniger groß war das Staunen in der Filmwelt, als Polanski im Mai 2002 beim Festival in Cannes seinen Film "Der Pianist" präsentierte. Die Geschichte vom Überleben des polnischen Pianisten und Komponisten Władysław Szpilman im Warschauer Ghetto war auch eine Verarbeitung von Polanskis eigenem Leben als Kind im Krakauer Ghetto. "Der Pianist" bekam die Goldene Palme und mehrere Oscars.
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"Der Ghostwriter" (2010)
Wie meisterhaft Roman Polanski es verstand, auch in fortgeschrittenem Alter mit den Mitteln des Kinos zu operieren, bewies vor ein paar Jahren sein Film "Der Ghostwriter". Der elegante Thriller mit Pierce Brosnan und Ewan McGregor nach einem Roman von Robert Harris spielt auf einer Insel der US-amerikanischen Ostküste. Polanski drehte hierfür allerdings vor allem in Deutschland.
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"Der Gott des Gemetzels" (2011)
Und auch Polanskis unmittelbar danach realisierter Film, "Der Gott des Gemetzels", erwies sich wieder als Meisterstück. Obwohl die Handlung, die nach einem Theaterstück der Erfolgsautorin Yasmina Reza entstand, fast ausschließlich in den Räumlichkeiten einer Wohnung spielt, entfesselte Polanski erneut ein atemberaubendes Spiel um menschliche Abgründe und Leidenschaften.
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Immer wieder wird Roman Polanski von der Vergangenheit eingeholt. In jüngster Zeit vor allem, weil er 1977 einem minderjährigen Mädchen gegenüber sexuell übergriffig geworden ist. Fast ein wenig in den Hintergrund gerät deswegen die erste große Tragödie im Leben des Roman Polanski. Große Teile seiner Familie, darunter seine Mutter, wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Polanski selbst konnte den Nazis nur knapp entkommen. Das zweite große Unglück, das ihm widerfuhr, war der bestialische Mord an seiner damaligen hochschwangeren Ehefrau, der Schauspielerin Sharon Tate im Jahre 1969.
Ein Werk zwischen Leben und Kunst
Es ist also nicht ganz leicht, sich den Filmen des Regisseurs Roman Polanski anzunähern. Was bleibt also von dem Werk eines Mannes, dessen Leben eigentlich auch einem überaus dramatischen Film mit vielen Tragödien und Härten gleicht? Und: Kann man sich unvoreingenommen den künstlerischen Arbeiten eines Autors widmen, ohne immer wieder auf das Andere sprechen zu kommen, das Private, das selbst Erlebte, die eigene Geschichte? Eine ähnlich gelagerte Debatte wird ja gerade um Woody Allen geführt, über die Vorwürfe, er habe seine Stieftochter sexuell belästigt.
Über Roman Polanski ist viel geschrieben worden, über sein Leben und sein Werk, über seine polnische Herkunft, seine französische Heimat, sein Verhältnis zu Amerika. Natürlich auch über seine Filme. In Deutschland vor allem. Polanskis Familie wurde von Deutschen drangsaliert und zum Teil ausgelöscht. In den letzten Jahren hat der alternde Regisseur viel in Deutschland gedreht, hat seine Filme hierzulande koproduzieren lassen.
1984 blickte er schon zurück
Fast 60 Jahre dauert seine Karriere als Filmregisseur nun schon an, eine erstaunliche Zeitspanne. Gut 20 Spielfilme hat er gedreht, ein paar kürzere zu Beginn seiner Laufbahn, hin und wieder ist er als Schauspieler aufgetreten, nicht nur in den eigenen Filmen. An Theater- und Operninszenierungen hat er sich nur selten gewagt. 1984 schon hat er sich an frühe Memoiren gesetzt, eine Autobiografie herausgebracht. Viel zu erzählen hatte er bis zu diesem Zeitpunkt ja schon.
Was bleibt also vom Filmregisseur Roman Polanski an diesem 85. Geburtstag? Geboren wurde er in Paris, ein paar Monate nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Nachbarland. Wie ist sein Werk künstlerisch einzuordnen?
Mag man auch über ein paar seiner Filme streiten, wirklich missratene hat er nur wenige hinterlassen. Die aufgedrehte Komödie "Was?" war 1973 sicherlich keine Ruhmestat und auch sein Abenteuerschwank "Piraten" (1986) hatte nur wenige Fans. Ebenso dürfen nicht alle Filme aus den letzten Jahren als gelungen gelten. Ob beispielsweise seine Charles-Dickens-Verfilmung "Oliver Twist" dem literarischen Klassiker wirklich neue Facetten hat abgewinnen können, darf bezweifelt werden. Auch sein letzter, erst jüngst ins Kino gekommener Film, die Romanadaption "Nach einer wahren Geschichte", fiel recht blutleer aus.
Meisterliche psychologische Horrorfilme
Doch es bleiben immer noch genügend Meisterwerke, die in die Filmhistorie eingegangen sind, die vieles andere überdauern werden. Das glasklare polnische Debüt "Das Messer im Wasser". Die auch heute noch angstmachenden psychologischen Thriller "Ekel", "Rosemaries Baby" und "Der Mieter". Später der kongeniale Kriminalfilm "Chinatown", auch der unterschätzte "Bitter Moon". Mit "Der Ghostwriter" und "Der Gott des Gemetzels" gelangen Polanski noch zwei herausragende, messerscharf inszenierte Alterswerke.
In diesen, seinen besten Filmen, gelang es dem Regisseur immer wieder Geschichten zu erzählen, die einen doppelten oder gar dreifachen Boden hatten. Das Publikum durfte sich bei einem Polanski-Film nie sicher sein. Was folgt in der nächsten Szene? Was spielte sich tatsächlich in den Köpfen der Protagonisten ab, im Gesicht der blutjungen Catherine Deneuve im furchterregenden Psychodrama "Ekel", auf dem Antlitz von Polanski selbst in "Der Mieter"? Und was sagte die vordergründige Erzählung über Verbrechen und Leidenschaften in "Chinatown" über die Verfasstheit der Vereinigten Staaten aus?
Filme als Seelenlandschaften
Auf die Frage, ob seine Filme sein Leben widerspiegeln würden, antwortete Polanski 1986 in einem Interview: "Es ist keine Frage, dass jeder Film eine Art Psychoanalyse ist und irgendwie die Seele des Regisseurs reflektiert." Man darf schon davon ausgehen, dass die allermeisten Filme, die dieser außergewöhnliche Regisseur in seinem bewegten Leben gemacht hat, etwas mit eben diesem Leben zu tun haben.