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Politik

Muslimische Flüchtlingsarbeit in Köln

27. März 2017

Fast die Hälfte der Muslime in Deutschland engagiert sich für die Integration von Flüchtlingen. Das ergab eine Umfrage der Bertelsmann-Stiftung. In Köln haben sich mehrere muslimische Vereine zusammengeschlossen.

Arbeitskreis Muslimische Flüchtlingsarbeit in Köln
Auch das ist muslimische Flüchtlingsarbeit: Gemeinsames Fastenbrechen in der Ditib-Gemeinde KölnBild: Arbeitskreis Muslimische Flüchtlingsarbeit in Köln

Oft kaum bemerkt von der Öffentlichkeit, sind Muslime in Deutschland besonders aktiv in der Flüchtlingshilfe. Ganze 44 Prozent der befragten Muslime gaben beim diesjährigen Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung an, im vergangenen Jahr in der Flüchtlingshilfe tätig gewesen zu sein - deutlich mehr als in der Gesamtbevölkerung. Von den befragten Christen gaben 21 Prozent an, Flüchtlinge zu unterstützen, bei den Konfessionslosen waren es noch weniger. 

Um die muslimische Flüchtlingsarbeit in Köln besser zu koordinieren, haben sich hier 17 muslimische Vereine unter dem Dach des "Arbeitskreis muslimische Flüchtlingsarbeit in Köln" zusammengefunden. Das gemeinsame Ziel: Man will einen Beitrag "für das Gelingen der Integration und des Miteinanders" leisten und "eine Brücke für Verständigung und Verständnis sein". Das gelte für das Zusammenleben verschiedener muslimischer Gruppen untereinander, aber auch für das gesamtgesellschaftliche Miteinander in Deutschland, so der Arbeitskreis auf seiner Webseite.

Geringere Hemmschwellen

Der Arbeitskreis ist Ansprechpartner für Behörden und Bedürftige - und er organisiert die Arbeit der zahlreichen Vereine untereinander, damit dort die konkrete Flüchtlingsarbeit reibungslos ablaufen kann. Sei es die Ausstattung mit Kleidung und Gebrauchsgütern oder Einrichtungsgegenständen, Hilfe beim Umgang mit Behörden, ein "Abholservice zum Freitagsgebet" oder Kurse wie "Demokratie lernen" - die Vereine versuchen, die Neuangekommenen in allen Lebensbereichen zu unterstützen.

Ein Vorteil muslimischer Gruppen als Ansprechpartner für Flüchtlinge seien "die kulturellen sowie sprachlichen Gemeinsamkeiten", sagt Murat Kirmizi. Er leitet den Kölner Verein "Wir sind da - Flüchtlinge helfen Bedürftigen", der Teil des Arbeitskreises ist. Bei "Wir sind da" sind Flüchtlinge sowohl Helfer als auch Empfänger der Hilfe. Die "Hemmschwelle" sei zwischen Muslimen geringer, so Vereinschef Kirmizi. "Menschen mit Migrationshintergrund wie ich, die die Erfahrung von Integration gemacht haben, können sich eher in die Lage der Flüchtlinge hineinversetzen und ihnen helfen."

Trotzdem ist es Nuri Köseli, dem Sprecher des Arbeitskreises, wichtig zu betonen, dass sich die muslimische Hilfe eigentlich nicht grundlegend von der anderer Gruppen unterscheidet. Allein der Zugang sei vielleicht ein anderer, so Köseli.

Goethe als Integrationsfaktor

Dass man muslimisch ist und sich trotzdem als Teil der deutschen Gesellschaft versteht, ist dem muslimischen Verein "Jugendbildungs- und Sozialwerk Goethe e.V." besonders wichtig. Der Verein ist hauptsächlich in der Jugendhilfe tätig, für seine Flüchtlingsarbeit hat er sich dem Kölner Arbeitskreis angeschlossen. Das stilisierte Konterfei des jungen Goethe der Sturm-und Drang-Zeit ist sogar im Logo des Vereins. Warum ausgerechnet Goethe? "Weil wir damit die Verbundenheit zur deutschen Gesellschaft ausdrücken. Wir sind kein rein ethnisch oder religiös orientierter Verein, sondern leben ein lebendiges Miteinander", sagt Vereinschef Mimoun Berrisoun. Zudem sei Goethe "ein Brückenbauer zwischen den Kulturen", wie sich zum Beispiel in seinem Werk "West-östlicher Divan" gezeigt habe.

Doch welche Rolle spielt nun das Muslimische bei der Arbeit der Vereine? Immerhin heißt es ja "Arbeitskreis muslimische Flüchtlingsarbeit" und nicht einfach "Arbeitskreis Flüchtlingsarbeit". "Bei der Hilfe spielt Religion keine primäre Rolle", sagt Berrisoun vom "Jugendbildungs- und Sozialwerk Goethe". Auch nicht als persönlicher Antrieb zum Helfen, das sei etwas Universelleres: "Ich will einfach etwas Gutes tun", so Berrisoun. Sein Verein sei auch "nicht missionarisch tätig. Wir laden niemanden in eine Moscheegemeinde ein."

Anders ist es beim Verein "Wir sind da - Flüchtlinge helfen Bedürftigen". Er bietet unter anderem islamischen Religionsunterricht für Flüchtlingskinder an und arbeitet dazu mit verschiedenen islamischen Gemeinden zusammen.

Die nächste Generation soll es mit der Integration leichter habenBild: Arbeitskreis Muslimische Flüchtlingsarbeit in Köln

Fehler der Vergangenheit vermeiden

Brücken müssen nicht nur zwischen Flüchtlingen und Deutschen, sondern oft auch zwischen einzelnen muslimischen Gruppen gebaut werden, sagt Momoun Berrisoun vom "Jugendbildungs- und Sozialwerk Goethe". "Die Geflüchteten bilden ein ganz buntes Spektrum ab, von gar nicht religiös bis hin zu sehr religiös". Und unter den Religiösen gäbe es Sunniten, Schiiten, Jesiden und arabische Christen, so Berrisoun. "Da gibt es viel Konfliktpotential." Sein Verein wolle dabei helfen, dass diese Konflikte nicht in Deutschland ausgetragen werden. Murat Kirmizi spricht auch von "Differenzen zwischen Türken und Arabern." Er selbst ist türkischer Abstammung und sei schon oft von Landsleuten gefragt worden, warum er überhaupt einem Araber helfe, sagt er.

Doch unter den Helfern gäbe es derartigen Streit nicht, berichten die Vereinschefs. Der Leiter des Kölner Arbeitskreises Nuri Köseli lobt vor allem die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Vereinen: "Wir haben eine schiitische Gemeinde, wir haben eine kurdische Gemeinde - und wir kommen sehr gut miteinander klar." Das liegt wohl auch daran, "dass viele von uns schon lange hier sozialisiert sind und die Konflikte nicht erleben, die es in den Ländern gibt, aus denen die Flüchtlinge kommen", sagt Köseli. "Und deshalb können wir den Flüchtlingen ein Gefühl des herzlichen Willkommens geben, das Gefühl, dass sie Menschen haben, die ihnen wohlgesonnen sind."

Murat Kirmizi will die Fehler der Vergangenheit in Deutschland vermeiden: "Meine Vorfahren hatten bei der Integration große Probleme", auch weil die damaligen Gastarbeiter zusammen in bestimmten Stadtteilen gewohnt hätten. Er appelliert an Politik und Verwaltung, dafür zu sorgen, dass unterschiedliche Bevölkerungsgruppen in einem guten Umfeld und vor allem gemischt wohnen. Momoun Berrisoun sieht aber auch die Neuankömmlinge in der Pflicht: "Leute, Ihr seid Teil dieser Gesellschaft. Integriert Euch, öffnet Euch dieser Gesellschaft."

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