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Ein moderner Sklave aus Nordkorea

Esther Felden23. März 2015

Sie schuften an 364 Tagen im Jahr. Unter grausamen Bedingungen. Für einen Hungerlohn. Tausende Gastarbeiter hat die nordkoreanische Führung ins Ausland entsandt. Ein Ehemaliger erzählt.

Porträt von Mr. Kim mit unkenntlich gemachter Augenpartie (Foto: UN Watch)
Bild: UN Watch

Er nennt sich Mr. Kim. Seinen vollen Namen möchte er nicht sagen, zu gefährlich. Er hat Angst um seine Angehörigen in Nordkorea. Denn er ist auf der Flucht. Seit 13 Jahren schon. Geflohen aus einem Arbeitsalltag, den er nicht länger ertragen konnte. Tägliche Schinderei, isoliert in der Fremde, keine Freizeit, keine Ruhepausen. Und auch kaum Geld als Lohn für die körperlichen Strapazen. Zwei Jahre hat Mr. Kim in Russland geschuftet. Er ist einer von tausenden, die im Auftrag Pjöngjangs ins Ausland entsandt wurden, um zu arbeiten - und oft wie Sklaven gehalten werden.

Wie viele es genau sind, ist nicht bekannt. Schätzungen gehen weit auseinander. Die in Seoul ansässige Menschenrechrechtsgruppe NK Watch gibt die Zahl mit mehr als 100.000 an. Die Vereinten Nationen dagegen sind vorsichtiger. "Wir gehen davon aus, dass derzeit bis zu 20.000 nordkoreanische Arbeiter im Ausland eingesetzt sind", sagte der UN-Sonderberichterstatter für Nordkorea, Marzuki Darusman, nach einem Auftritt vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf. Die meisten davon in China und Russland, daneben aber auch im Mittleren Osten. Es gebe deutliche Hinweise darauf, dass beispielsweise auf Großbaustellen in Katar auch nordkoreanische Gastarbeiter mithelfen würden, die Stadien für die Fußball-WM im 2022 zu fertigen. Bei sengender Sonne und brütend heißen Temperaturen.

Der Indonesier Marzuki Darusman ist Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für NordkoreaBild: picture alliance/AP Photo/S.Di Nolfi

Geplatzte Träume

Ganz anders, aber nicht weniger extrem waren die Arbeitsbedingungen von Mr. Kim in Russland. Er war in Tynda ganz im Osten des Landes in einem forstwirtschaftlichen Betrieb eingesetzt, sortierte tagein, tagaus Baumstämme für den Export. "Wir mussten bei Temperaturen von bis zu -60 Grad Celsius arbeiten. Es war körperlich und seelisch extrem hart ", berichtet er gegenüber der Deutschen Welle. Urlaub gab es nicht, nur am Neujahrstag hatten die Arbeiter frei. "Mehr als 2000 nordkoreanische Gastarbeiter gab es insgesamt in dem Betrieb. In meiner Einheit waren wir zu sechst."

Zu sechst arbeiteten sie nicht nur, sondern hausten auch zusammen in einem Schlafcontainer. Ohne Heizung und fließendes Wasser. Das Gelände verlassen durften sie nicht. Körperliche Gewalt habe er nicht erfahren, sagt Mr. Kim. Aber er fühlte sich schnell betrogen – von seiner eigenen Regierung. Denn als er nach Russland ging, hatte er ganz andere Erwartungen und Hoffnungen. "Ich habe mich bewusst bei meinem nordkoreanischen Arbeitgeber um eine Stelle im Ausland beworben, weil ich zu Hause einfach zu wenig Geld verdient habe. Davon konnte ich meine Familie nicht ernähren. " Die Aussicht auf 130 US-Dollar im Monat - verlockend. Entsprechend sagte er auch gleich zu, als ihm mitgeteilt wurde, dass er ausgewählt war, nach Russland zu gehen.

Der nordkoreanische Außenminister Ri Su Yong beim UN-Menschenrechtsrat in Genf – Nordkorea weist traditionell sämtliche Vorwürfe zurückBild: Richard Juilliart/AFP/Getty Images

Aber von dem versprochenen Lohn bekam er kaum etwas zu sehen. "Fast 95 Prozent meines Gehalts ging direkt an die nordkoreanische Regierung", sagt er bitter. Kein Einzelfall. Denn für das Regime in Pjöngjang sind die Gastarbeiter eine gute Gelegenheit, um dringend benötigte Devisen ins Land zu spülen.

Letzter Ausweg Flucht

2002 hält Mr. Kim es nicht mehr aus. Sechzehn Stunden arbeitet er durchschnittlich pro Tag, manchmal sind es sogar fast 20. Er kann nicht mehr. Beschließt zu fliehen, nutzt die erste sich bietende Gelegenheit. Während die nordkoreanischen Aufseher des Betriebs eine ihrer regelmäßigen Besprechungen abhalten, gelingt es ihm, sich unbemerkt abzusetzen. "Ich hatte über mehrere Monate ein kleines bisschen Geld gespart. Davon habe ich mir eine Zugfahrkarte gekauft und bin fort gefahren." Er lässt sich in einer anderen Gegend nieder, wo ihn niemand kennt. In Russland aber bleibt Mr. Kim noch mehr als zehn Jahre, arbeitet auf dem Bau. 2013 entscheidet er sich, nach Südkorea zu gehen. Seitdem lebt er dort, wieder auf der koreanischen Halbinsel, nur auf der anderen Seite der Grenze. Er ist über 50 Jahre alt mittlerweile, sein genaues Alter will er nicht verraten.

Angst um seine eigene Sicherheit hat er nicht, bis jetzt gab es auch noch keine Drohungen gegen ihn. Aus einem ganz einfachen Grund, erklärt er. "Die nordkoreanische Führung weiß gar nicht, dass ich geflohen bin. Denn wenn die nordkoreanischen Aufseher mein Verschwinden in Pjöngjang gemeldet hätten, wären sie selbst auch bestraft worden." Deshalb passiere es oft, dass solche Fälle unter den Teppich gekehrt würden. Trotzdem lebt er in ständiger Sorge: um seine Angehörigen in Nordkorea. "Sollte eines Tages doch herauskommen, dass ich geflohen bin, könnte das für sie schlimme Folgen haben."

Untersuchung durch die UN?

Trotzdem will er nicht schweigen, hat in dieser Woche gemeinsam mit anderen nordkoreanischen Flüchtlingen vor dem UN-Menschenrechtsrat über das berichtet, was ihm passiert ist. Erhebt schwere Vorwürfe gegen das Kim-Regime. Er hofft, dass er damit etwas erreichen kann, will Aufmerksamkeit lenken auf die andauernden, alltäglichen Verbrechen der nordkoreanischen Führung an ihrer Bevölkerung.

Im Februar 2014 stellte eine UN-Kommission einen mehrere hundert Seiten langen Bericht zum ThemaMenschenrechtsverletzungen in Nordkorea vorBild: Reuters

Marzuki Darusman, der für Nordkorea zuständige UN-Sondermittler, kennt die Geschichten der Flüchtlinge. Und hat jetzt angekündigt, zu handeln. Er wolle die Anschuldigungen im Zusammenhang mit den nordkoreanischen Gastarbeitern im Ausland überprüfen, so Darusman in Genf. Es sei höchste Zeit für eine genaue Untersuchung. Vor gut einem Jahr hatte eine dreiköpfige UN-Kommission bereits einen umfangreichen Bericht über die eklatanten Menschenrechtsverletzungen im Land veröffentlicht. Darin kam Gremium zu dem Schluss, dass die Staatsführung direkt und im großen Stil für Verbrechen wie systematische Folter und Morde verantwortlich ist.

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