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Politik

Schleppende Ermittlungen im Fall Khashoggi

17. November 2018

Nach dem Mord an dem saudischen Journalisten Khashoggi in Istanbul fehlt noch immer jede Spur von der Leiche. Stattdessen gibt es viele Mutmaßungen. Experten befürchten, der Fall könnte einfach in den Akten verschwinden.

Jamal Khashoggi
Bild: Getty Images/C. McGrath

Nach dem allwöchentlichen Freitagsgebet wurde für den saudischen Journalisten Jamal Khashoggi, dessen Leiche immer noch unauffindbar ist, überall auf der Welt Beerdigungszeremonien abgehalten. Neben Istanbul und Mekka organisierten sich Gläubige und Unterstützer auch in London, Paris und Washington, um für den Journalisten zu beten. An der Trauerfeier in Saudi-Arabien nahmen auch Khashoggis Familienangehörigen teil.

Vor knapp anderthalb Monaten - das ist inzwischen unstrittig - wurde der Journalist im saudischen Konsulat in Istanbul umgebracht. Er war dort, um Dokumente für seine bevorstehende Hochzeit zu besorgen. Seitdem ist Jamal Khashogi wie vom Erdboden verschluckt. Und allmählich verblassen die Spuren. Oder werden sie absichtlich verwischt? Was steckt dahinter? Türkische Behörden teilten mit, Khashoggis Leiche sei zerstückelt und anschließend in einem Säurebad zersetzt worden. Dass noch immer keine Leichenteile gefunden wurden, erklären die Medien mit der These, ein Spezialkommando sei eigens aus Saudi-Arabien nach Istanbul gereist, um sämtliche Beweismittel zu vernichten.

Die saudische Seite gibt zwar zu, dass Khashoggi in dem Konsulat ums Leben kam und dass dessen lebloser Körper zerteilt wurde. Die Leichenteile seien anschließend aber einem Mitarbeiter außerhalb des Konsulats übergeben worden. Der stellvertretende saudische Staatsanwalt, Shalan Al-Shalan, teilte mit, man wisse nicht, wo sich die sterblichen Überreste des Journalisten befinden würden.

Es gibt also einen Mord, aber keine Leiche. Nadir Arıcan ist Gerichtsmediziner und Dozent an der medizinischen Fakultät der Universität Istanbul: "Die Idee, eine Leiche in einer chemischen Substanz zu zersetzen, erscheint mir nicht sehr einleuchtend", sagte er der Deutschen Welle. "Es wäre auch gut möglich, dass die Leichenteile vergraben oder einfach in einen Fluss geworfen wurden. Spontan könnte man über 100 Szenarien entwickeln." Die Art und Weise, wie bislang im Fall Khashoggi ermittelt wurde, ist für Arıcan vor allem eines: "unsinnig".

Werden die Audio-Aufnahmen analysiert?

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte in einer öffentlichen Erklärung darauf hingewiesen, dass die zuständigen Behörden Audio-Aufnahmen hätten, die offenbar während des Mords gemacht wurden. Diese seien auch Ländern wie Deutschland, Frankreich, den USA und Großbritannien zu Verfügung gestellt worden. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau, dem die Aufnahmen ebenfalls gegeben wurden, sagte, dass er sich diese angehört habe. Dennoch ist nicht bekannt, ob und inwiefern diese Ton-Dokumente in die Istanbuler Ermittlungen einbezogen oder analysiert wurden.

Die Regierung in Ankara verlangt die Einberufung eines internationalen Ermittlungsteams. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu brachte diesen Wunsch Ankaras in der vergangenen Woche mehrfach zum Ausdruck. "Zum derzeitigen Augenblick sind internationale Ermittlung unbedingt notwendig", so Cavusoglu.

Kann eine internationale Ermittlungskommission gegründet werden?

In Istanbul fand am vergangenem Freitag eine symbolische Beisetzung des ermordeten saudischen Journalisten Jamal Khashoggi statt.Bild: Reuters/M. Sezer

Wer sollte nun weiter ermitteln? Der ehemalige Vorsitzende der Istanbuler Anwaltskammer, Turgut Kazan, sagt, dass die türkische Seite auch nicht wisse, von welchem Personenkreis und auf welcher Art und Weise jetzt eine solche internationale Ermittlungskommission gegründet werden könnte. Zudem sei die Türkei erst aktiv geworden, nachdem die im Mordverdacht stehenden saudischen Konsulatsangehörigen das Land verlassen hatten. "Bei den Ermittlungen in diesem Mordfall sollte man glaubwürdige Schritte tun. Bislang ist davon nichts zu sehen", so Kazan.

Dass die beschuldigten saudischen Konsulatsangehörigen die Türkei verlassen durften, könne nicht dadurch erklärt werden, dass diese Immunität genossen, betont Kazan. Der Jurist weist auch darauf hin, dass mit dem Wiener Vertrag aus dem Jahr 1963 Konsulaten - im Unterschied zu Botschaften - viel geringere Privilegien zugesprochen werden.

Eine Notwendigkeit für die UN 

Aus Sicht von Gerichtsmediziner Arıcan ist für eine mögliche Gründung einer Ermittlungskommission das "Minnesota-Protokoll" der Vereinten Nationen von 1991 von Bedeutung. Darin verpflichten sich die UN-Mitgliedsstaaten, unabhängige Kommissionen einzuberufen, wenn Menschen in einem Land ohne Prozess hingerichtet werden. "Obwohl mittlerweile anderthalb Monate seit dem Mord in der Türkei vergangen sind, gibt es bislang keinerlei Anzeichen, dass eine Ermittlungskommission ins Leben gerufen wird", so Arıcan.

Dass die Türkei die Gründung einer solchen Kommission verlangt, wertet Arıcan als einen positiven Schritt. "Doch bisher wurde in der Türkei und in Saudi-Arabien keine ergebnisoffene und transparente Untersuchung des Falls von unabhängigen Experten durchgeführt." Läuft es weiter, wie bisher, würden die Ermittlungen im Mordfall Khashoggi wohl niemals zu einem Fahndungserfolg führen.

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