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Mode-Kaiser im Museum

Susanne Luerweg15. Februar 2014

Karl Lagerfeld heißt auch "Karl der Große". Warum? Er ist kein normaler Modedesigner, sondern gilt als kreative Ausnahmeerscheinung. In Essen hält er gerade Hof – in einer Ausstellung im Folkwang Museum.

Museum Folkwang Ausstellung Karl Lagerfeld
Bild: picture-alliance/AP

Die Sonne strahlt vom Himmel als das Folkwang Museum am Freitagnachmittag seine Pforten öffnet. Pressevertreter drängen in die Ausstellungshallen, um einen Blick auf die vierzehn Räume zu werfen, die Karl Lagerfelds "Werk" gewidmet sind. Der Modekaiser selbst ist physisch zu dieser Zeit noch nicht anwesend, in Form von Fotos und Selbstportraits aber höchst präsent.

Zwei Stunden lang dürfen Presse, Funk und Fernsehen in Lagerfelds Schaffenswelt eintauchen. Die Deutungshoheit der Schau hat sein Vertrauter, der Verleger Gerhard Steidl, übernommen. Er ist der Kurator der ersten Ausstellung, die so viele Werke Lagerfelds im musealen Kontext zeigt. Fotos in Anlehnung an Feininger und Feuerbach, Haute Couture aus dem Hause Chanel und Plakate aus der umfangreichen Privatsammlung des Meisters.

Allerdings hängt in Essen nichts, was Karl Lagerfeld nicht zuvor abgenickt hätte. Er sei schließlich der Urheber der Kunst, erkärt Steidl. Lagerfeld liefert – und im Museum gäbe es Menschen wie ihn, die das Ganze organisierten und strukturierten, erläutert Gerhard Steidl seine Aufgabe.

Harmonischer Dreiklang

"Parallele Gegensätze" lautet der paradox anmutende Titel der Ausstellung. Der Schwerpunkt liegt im Wesentlichen auf drei Bereichen des Lagerfeldschen Schaffens: Mode, Bücher, Fotografie. Dreihundertfünfzig Exponate sind zu sehen. Angefangen von einer Nachbildung des Schreibtisches, an dem der Meister seine Entwürfe zeichnet, bis hin zu einer Minitaturausgabe seines eigenen Buchladens in Paris. Der antike Holzschreibtisch ist übersäht mit Kreiden, Buntstiften und anderen Zeichenutensilien.

Lagerfeld in XXXL, um es im Jargon der Mode auszudrücken: in Schwarzweiß, in Farbe und als Schöpfer genialischer Roben für Chanel. Kurator Gerhard Steidl führt mit Verve durch die Räume, verweist auf die Fotoserien, die Szenen aus Büchern wie Dorian Gray oder den Faust nachstellen und hebt die von Lagerfeld gezeichneten Karikaturen zum Limburger Bischof Tebartz van Elst hervor. Mit ironischem Unterton erzählt er romantische Anekdoten, die hinter den Werbekampagnen für eine teure Champagnermarke stehen.

Lagerfeld-Ausstellung in Essen

04:41

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Materialflut

Kurator Steidl hat in mühevoller Kleinarbeit riesige Mengen Material gesichtet. Er weiß von einem Lagerhaus zu berichten, in dem nur Fotos aufbewahrt werden. "In einem anderen Depot sind Bücher, in einem weiteren sind Möbel und dann gibt es noch die unzähligen Archivalien, die bei Chanel untergebracht sind," sagt Steidl.

Von den Exponaten beeindrucken vor allem die Modezeichnungen, die präzise und ausgefeilt wirken. Und die perfekt in Szene gesetzten Abendkleider. Fließende Stoffe, die lang zu Boden fallen und eine unaufdringliche Eleganz verströmen. Die Entwürfe stammen aus der letzten Chanel Collection. Eine Mitarbeiterin von Chanel wurde eigens aus Paris eingeflogen, um sie vor Ort zu arrangieren. Der französischen Luxusmarke Chanel ist er seit über dreißig Jahren treu. Ausschließlich Chanel-Kreationen sind zu sehen. Keine Fendi-Entwürfe oder Arbeiten aus der Kollektion, die Karl Lagerfeld für H&M auf den Markt gebracht hat.

Rolle des Museums

Chanel, Steidl, Lagerfeld heißen denn auch die Protagonisten der Ausstellung. Die Rolle des Museums bleibt dabei unklar. So kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, das Museum Folkwang sei bloßes Schaufenster, ein mit öffentlichen Geldern gefördertes noch dazu, das Karl Lagerfeld eine perfekte Werbefläche bietet. Museumsdirektor Tobia Bezzola weist diesen Vorwurf allerdings von sich. Er habe regelmäßig mit den Verantwortlichen in Kontakt gestanden und sich keinesfalls alles vom "Lagerfeld-Imperium" diktieren lassen. "Wir haben vorgeschlagen, er hat zugestimmt oder nicht", sagt Bezzola. Es sei auf keinen Fall so gewesen, dass Lagerfeld ihm eine Ausstellung "fertig abgeliefert" habe, sagt der sichtlich angespannte Bezzola. Denn auch um 15 Uhr ist noch immer nicht sicher, ob der Schöpfer selbst auftaucht. Dennoch wird das Museum für zwei Stunden geräumt. Ein Grund wird nicht genannt. Vielleicht soll Karl Lagerfeld in Ruhe bewundern können, was er aus der Ferne miterdacht hat.

Bezzola ist aber nicht der einzige Museumsmann der seine Besucherzahlen mit Lagerfeld Exponaten aufpolieren möchte. Die Hamburger Kunsthalle und das Münchener Haus der Kunst stehen schon mit eigenen Lagerfeld -chauen in den Starlöchern.

Ein Zar hält Hof

Um 17 Uhr hängt der Himmel in Essen voller schwerer Wolken. Vor dem Folkwang Museum warten erneut viele Menschen. Drinnen läuft ein schlanker Mann in schwarzer Kleidung durch die Räumlichkeiten. Ihm auf den Fersen: unzählige Kamerateams. "Karl der Große" ist also wirklich gekommen. An die hundert Journalisten feiern ihn wie einen Star. Klein, schmal, Sonnenbrille über den Augen, weiß gepuderter Haarzopf, Kette um den Hals und Handschuhe. Der achtzigjährige Künstler – aber auch das ist ja nicht sicher - sieht genauso aus, wie er sich auf den Fotos in der Ausstellung selbst inszeniert.

Zu Lagerfelds Werk gehören auch Fotoserien, die Szenen aus Büchern nachstellen, hier aus "Das Bildnis des Dorian Gray" von Oscar WildeBild: 2014 Karl Lagerfeld

Er spricht leise und hektisch, ohne arrogant zu wirken. Ja, es sei eine große Ehre, eine große Freude, in Essen zu sein. Er habe nie gedacht, dass er seriös genug sei für ein Museum wie dieses. "Denn ich versuche, mich nicht ernst zu nehmen", sagt er selbstironisch und hat die Lacher auf seiner Seite.

Eine Viertelstunde später hält er vor den Anwesenden eine kurze Ansprache: "Ich lebe mit der Devise von Voltaire. Alles, was eine Erklärung braucht, ist die Erklärung nicht wert." Kaum hat er das Wort erhoben, da entschwindet er auch schon wieder aus dem Raum. Draußen warten Freunde und Förderer des Museums auf die Lichtgestalt. Wahrscheinlich schwebt er wieder mit seinem selbst designten Helikopter von dannen, wie es sich für einen Kaiser gehört.

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