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Ein neuer Stern am Automobilhimmel

Dirk Kaufmann
1. Oktober 2021

Daimler baut Autos und Lkw künftig nicht mehr unter einem Dach. Die Aktionäre haben den Entschluss gebilligt, die Daimler AG aufzuspalten. Von 2022 an wird es ein weiteres Unternehmen unter dem Stern-Logo geben.

Stuttgart Daimler LKW Test mit selbstfahrenden Lkw
Künftig getrennte Wege: Daimler-Lkw und PkwBild: Reuters/M. Rehle

Um 14:46 Uhr am Freitag Nachmittag (01.10.2021) war die Katze aus dem Sack: Gerade noch vor dem Beginn des Wochenendes hatten die Anteilseigner von Daimler fast einstimmig die Aufspaltung des Konzerns in zwei getrennte Unternehmen für Autos und Nutzfahrzeuge gebilligt. Es habe beim entsprechenden Tagesordnungspunkt eine Zustimmung von 99,9 Prozent gegeben, teilte Aufsichtsratschef Bernd Pischetsrieder bei der außerordentlichen Hauptversammlung mit. Das Treffen hatte wegen der Coronabeschränkungen online stattgefunden.

Noch in diesem Jahr wird die Lastwagen-Sparte des Konzern vom Unternehmen abgespalten und als eigenständiges Unternehmen unter dem Namen Daimler Truck Holding AG an die Frankfurter Börse gehen. In Zukunft soll der größere Teil des Konzerns unter dem Namen Mercedes-Benz Group AG für das Pkw-Geschäft arbeiten. Der Name Daimler AG soll ganz verschwinden.

"Es ist richtig, diese Neuaufstellung jetzt zu vollziehen: selbstbestimmt und aus einer Position der Stärke", erklärte der Vorstandsvorsitzende von Daimler, Ola Källenius. Bei Lastwagen und Autos handele es sich um "völlig unterschiedliche Geschäfte": So gebe es andere Kunden, ein anderes Geschäftsmodell, und andere Rahmenbedingungen. "Auch technologisch gibt es wesentliche Unterschiede", sagte Källenius weiter. "Bei Pkw steht die Batterie im Mittelpunkt. Bei Trucks spielt auch die Brennstoffzelle eine wichtige Rolle".

Aus eins mach zwei: Bei der Daimler AG wird mächtig umgebaut und demnächst werden viele neue Sterne gebrauchtBild: Andreas Rosar/dpa/picture alliance

Jetzt soll es schnell gehen

Die Aufspaltung wird rund 700 Millionen Euro kosten. Laut Finanzvorstand Harald Wilhelm entstünden diese einmaligen Kosten unter anderem durch die Teilung und den Aufbau des Finanzdienstleistungsgeschäfts. Dazu kämen auch steuerliche Belastungen von rund 400 Millionen Euro, die aber zu einem großen Teil durch künftige steuerliche Entlastungen ausgeglichen werden sollen.

Konzernangaben zufolge soll die Aktie der Daimler Truck Holding AG nach dem Listing an der Frankfurter Wertpapierbörse so schnell wie möglich in den auf 40 Mitglieder erweiterten Börsenindex DAX aufgenommen werden. Das könnte bereits im ersten Quartal 2022 geschehen.

Den Aktionären gefiel der Plan der Konzernleitung außerordentlich gut: "Der Aktienkurs wird eine disziplinierende Wirkung auf CEO Martin Daum und sein Managementteam haben", zitiert die Agentur Reuters Janne Werning von der Union Investment. "Wegducken gilt nicht mehr! Daimler Truck muss sich jetzt an Scania und Volvo Truck messen lassen, die deutlich höhere Margen haben."

Mercedes nur noch ein kleines Licht?

Zu den Befürwortern der Aufspaltung gehört auch der Chef von Daimler Truck, Martin Daum. Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagzeitung hatte er schon im Vorhinein gesagt: "Mit 40 Milliarden Euro Jahresumsatz werden wir zu den 20 größten Unternehmen in Deutschland zählen, und zugleich sind wir Weltmarktführer im Lkw- und Busgeschäft. Warum soll sich so ein tolles Unternehmen verstecken?" Schließlich erwirtschafte Daimler Truck seit Jahren operative Gewinne von zwei Milliarden Euro und mehr. "Wenige Unternehmen sind so erfolgreich wie wir."

Manche Experten sorgen sich dagegen um das zukünftige Pkw-Geschäft. So sagt Ingo Speich von der Deka Investment: "Die Abspaltung der Lkw-Sparte macht Daimler anfälliger für Übernahmeversuche." Diese Skepsis rühre daher, so der Ökonom und Automobilexperte Willi Diez, dass die neue Mercedes-Benz Group AG nur ein "kleiner Player im Weltautomobilmarkt" sein werde. Mit der Trennung, so zitiert ihn die Presseagentur dpa, verschwinde "eines der erfolgreichsten, traditionsreichsten und größten deutschen Unternehmen von der Bildfläche".

Viele Laster stehen rum

Diez stimmt jedoch auch der Analyse zu, dass das Lkw-Geschäft gute Gewinne verspricht, weil dessen Grundlagen sehr berechenbar seien: "Solange gewirtschaftet wird, müssen Güter transportiert werden." Das sieht man bei Daimler Truck genau so. Lkw-Chefbauer Daum verschweigt aber die aktuellen Probleme nicht: "Natürlich spüren wir den anhaltenden weltweiten Engpass bei bestimmten Halbleiterkomponenten auch in unseren Lieferketten." 

Das sei bitter, so Daum, denn "unsere Werke könnten an ihrer Kapazitätsgrenze arbeiten. Bis zum zweiten Quartal haben wir diese Situation bei Daimler Truck auch gut gemeistert. Doch seit den Sommermonaten hat sich die Lage für uns noch einmal verschärft", sagte Daum im Zeitungsinterview. Zudem hätte das Unternehmen "einen erheblichen Bestand an Fahrzeugen, bei denen wesentliche Teile fehlen. Diese Fahrzeuge werden von unseren Kunden dringend gebraucht. Wir würden sie auch gerne ausliefern, warten aber auf die Teile."

Wenn die Aktionäre zustimmen, dann kommen diese schönen und schön sauberen Laster bald aus einer eigenen FirmaBild: Imago Images/A. Hettrich

Ist eine grüne Zukunft eine goldene Zukunft?

Das neue Unternehmen will die klimaschädlichen CO2-Emissionen senken und dafür verstärkt auf alternative Antriebe setzen. So wird Anfang Oktober ein erster elektrischer Lkw vom Band rollen. "2030 wollen wir in Europa mehr elektrische Lkw verkaufen als nicht-elektrische", hatte im September Vorstandsmitglied Karin Rådström angekündigt. Daher setze Daimler Truck auf batterie-elektrische und wasserstoffbetriebene Nutzfahrzeuge. Dazu forderte die Managerin Infrastruktur-Investitionen und "verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen".

Der Technologievorstand des Unternehmens, Andreas Gorbach, hält es für möglich, "dass wir bis 2030 schon einen Anteil von 40, 50 oder 60 Prozent an CO2-neutralen Batterie- oder Brennstoffzellen-Lkw bei unserem Absatz in der EU erreichen und dies dann auch entsprechend zur Reduktion an CO2-Emissionen beiträgt".

Branchenvertreter hatten zuletzt immer wieder höhere Subventionen für alternative Antriebe gefordert, um diese Ziele zu erreichen. Denn der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg der grünen Offensive liege laut Gorbach darin, dass sich die Anschaffung alternativ angetriebener Lkw für die Käufer so schnell wie möglich rentieren muss. Ohne politische Unterstützung ginge das aber nicht.

Schließlich seien ökonomische Argumente vielen Lkw-Käufern wichtiger als Umweltaspekte: "Es gibt natürlich Lkw-Kunden, die schon jetzt sagen: Ich will grün fahren. Das ist aber nicht die Mehrzahl", ist Gorbach überzeugt und fügt hinzu: "Solange der Betrieb eines Diesel-Lkw für die Kunden wirtschaftlicher ist als der eines Brennstoffzellen- oder Batterie-Lkw, wird er sich auch weiter für den Diesel entscheiden."

Das ist der "Mercedes-Benz eActros", der erste elektrische Lkw von Daimler - er rollt im Oktober erstmals vom BandBild: Daimler AG

Ohne Diesel nach Hamburg

Unterstützung von der Politik fordert auch Gorbachs Chef Martin Daum: "Kein Lastwagen ist aus Spaß unterwegs. Die Wirtschaft und unsere Gesellschaft erfordern, dass Güter von A nach B transportiert werden müssen. Nur brauchen wir dafür auch die notwendige Infrastruktur."

Neben batterie-elektrischen Antrieben arbeitet Daimler Truck auch an Brennstoffzellenlastwagen, die "in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts" marktreif sein sollen. Und dabei komme man zunächst auch ohne staatliche Hilfe aus, so Daum: "Wir arbeiten mit Shell zusammen am Aufbau der Tankinfrastruktur entlang bestimmter wichtiger Strecken, etwa von Rotterdam und Köln nach Hamburg."

"Auf einem guten Weg"

Aber auch für ein neues, eigenständiges Unternehmen Daimler Truck gilt: Die Gewinnmarge ist schwächer als bei der Konkurrenz. Dafür sieht Martin Daum zwei Gründe, Einerseits hätte Daimler "einen anderen Produktmix. Wir haben zum Beispiel neben schweren Lkw auch Busse und Spezial- und Sonderfahrzeuge." Auf die sei man zwar "sehr stolz". Aber die würfen "nun mal prozentual weniger Gewinn ab als schwere Lastwagen."

Andererseits gebe es aber auch grundsätzliche Probleme, an denen es nun zu arbeiten gelte. Dabei gehe es nicht nur ums Produktportfolio, sondern auch um zu hohe Fixkosten. Daum: "Diese Schwächen sind wir schon vor der Konzernaufspaltung angegangen und sehen uns auf einem guten Weg."

 

Dieser Beitrag wurde am 1.10.2021 aktualisiert

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