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PolitikEuropa

"Ein neuer Tiefpunkt": Reaktionen auf Kolesnikowa-Urteil

Mikhail Bushuev
6. September 2021

Die beiden Lukaschenko-Gegner Maria Kolesnikowa und Maxim Snak sind in Belarus zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Die Reaktionen im Westen fallen eindeutig aus.

Belarus Urteil erwartet im Prozess gegen Oppositionelle Kolesnikowa
Bild: Anadolu Agency/picture alliance

Die Nachricht aus Minsk kam nicht allzu überraschend: ein Gericht in der belarussischen Hauptstadt Minsk verurteilte am Montag, den 6. September, die bekannte belarussische Oppositionelle Maria Kolesnikowa zu elf Jahren Haft. Ihr ebenfalls angeklagter Kollege im Koordinationsrat der belarussischen Opposition, Anwalt Maxim Snak, wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Die Reaktionen in Deutschland und in der EU fielen alle eindeutig aus. "Die Urteile sind für uns das Sinnbild für das rücksichtslose Vorgehen und die Repressionen und die Einschüchterung des belarussischen Regimes gegen Oppositionspolitiker und die Zivilgesellschaft", reagierte Andrea Sasse, Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Kolesnikowa wurde im Sommer letzten Jahres zu einem prägenden Gesicht der belarussischen Opposition, als die breit als nicht fair angesehene Präsidentschaftswahl in Belarus zu Massenprotesten führte. Nach einem erfolglosen Versuch, die heute 39-Jährige Anfang September aus dem Land zu verdrängen - Kolesnikowa zerriss ihren Pass -, wurde sie inhaftiert.

Maxim Snak und Maria Kolesnikowa Ende August 2020 während einer Protestaktion in MinskBild: picture-alliance/dpa/Tass/S. Bobylev

"Als zwei der mutigsten Köpfe der Protestbewegung nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen haben sich Kolesnikowa und Maxim Snak für Demokratie und Menschenrechte stark gemacht", sagte Außenamtssprecherin Sasse. Die Bundesregierung verurteile "die ungerechtfertigten Urteile" gegen die beiden und "die Instrumentalisierung der Justiz zur politischen Verfolgung in Belarus". Das Gerichtsverfahren gegen Kolesnikowa und Snak fand hinter verschlossenen Türen statt und gilt für viele Beobachter als eine Farce.

"Deutschland versichert Maria Kolesnikowa, Maxim Snak und allen anderen aus politischen Gründen in Belarus Inhaftierten die uneingeschränkte Solidarität", bekräftigte Sasse. Berlin forderte die Freilassung aller politischen Gefangenen in Belarus und versprach, den Druck auf das Lukaschenko-Regime weiter aufrecht zu erhalten. Auf die Nachfrage der DW konnte man aber zunächst nicht konkretisieren, welche zusätzlichen Maßnahmen geplant sind.  

Auch die EU-Kommission verurteilte am Montag die "Respektlosigkeit des Regimes in Minsk gegenüber Menschenrechten und fundamentalen Freiheiten" und das Vorgehen der Justiz gegen die "Symbolfiguren der belarussischen Demokratiebewegung" Kolesnikowa und Znak. "Meine Gedanken und meine Gebete sind mit Maria Kolesnikowa und Maxim Snak und mit allen 659 politischen Gefangenen, die von dem Regime in unzumutbaren Verhältnissen gehalten werden", sagte die EU-Abgeordnete aus der Slowakei Miriam Lexmann der DW. Die Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" nannte das Urteil in Minsk "willkürlich".

Kritik an Berlin und Brüssel, Forderung von mehr Sanktionen

"Jetzt will das Unrechtsregime die Oppositionelle gar für elf Jahre wegsperren. Damit zeigt Lukaschenko erneut, dass er vor keinerlei Repressionen zurückscheut, um die Demokratie-Bewegung zu ersticken", stellte die Vize-Präsidentin des Bundestags und politische "Patin" von Kolesnikowa Claudia Roth (Bündnis90/Grüne) in einer schriftlichen Stellungnahme für die DW fest. Die beiden Verurteilten seien ein "Dorn im Auge des belarussischen Diktators Lukaschenko".

Kolesnikowa und Snak während einer Anhörung vor Gericht am 4. August 2021Bild: Anadolu Agency/picture alliance

Claudia Roth bemängelte die Passivität der Bundesregierung in der Kausa Kolesnikowa und Snak. "Was es jetzt dringend braucht ist der Einsatz der Bundesregierung für die sofortige Freilassung von Maria Kolesnikowa und allen in Belarus politisch Inhaftierten", kritisierte Roth. Sie forderte nicht nur Berlin, sondern auch die EU auf, den Druck auf das Lukaschenko-Regime zu erhöhen: "Zu politischem Druck gehört auch, das EU-Sanktionsregime zu verschärfen und endlich zum sicheren Hafen für verfolgte Oppositionelle zu werden."

Die SPD-Chefin Saskia Esken zeigte sich empört über das Urteil. "Diktaturen, in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden - da muss man Druck mit diplomatischen Mitteln und Sanktionen aufbauen", sagte sie der DW.

"Dialog mit Lukaschenko ist nicht möglich"

"Die Verurteilung von Maria Kolesnikowa und Maxim Snak zu Haftstrafen von elf beziehungsweise zehn Jahren ist ein neuer Tiefpunkt für die Menschenrechte und die demokratische Opposition in Belarus", erklärte die FDP-Bundestagsabgeordnete Renata Alt. "Kolesnikowa und Snak werden für ihren Mut, in Belarus zu bleiben, ihren unbeugsamen Willen und unermüdlichen Einsatz für Freiheit und Demokratie hart bestraft. Damit zeigt Machthaber Lukaschenko, dass er an seiner autoritären Macht festhält und keinerlei Veränderungen anstrebt. Die Verfassungsreform ist dabei reine Inszenierung. Für uns als Europäer muss klar sein: Dialog mit Lukaschenko ist nicht möglich", konstatierte Alt.  

Alt, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Berichterstatterin der FDP-Fraktion für Mittel-, Südost- und Osteuropa, vertrat die Meinung, dass man in Beziehungen mit Lukaschenko "Sanktionen gegen sein Regime und insbesondere gegen seinen Dunstkreis massiv verschärfen" müsse. "Angesichts der wachsenden russischen Militärpräsenz in Belarus muss uns allen aber auch klar sein: Verhandlungen über die Zukunft von Belarus gehören auf die Gesprächsagenda mit Russland", sagte Renata Alt weiter. Lukaschenko herrscht seit 26 Jahren in Belarus, in letzter Zeit immer stärker unterstützt von Russland, mit dem Belarus seit Jahren formal eine "Union" bildet. 

Kolesnikowa mit ihrem Markenzeichen, Väter bestürzt

Der Gerichtsprozess startete am 4. August unter Ausschluss der Öffentlichkeit und mit schwerwiegenden Anschuldigungen gegen die beiden Oppositionellen: Vorbereitung eines Komplotts zur verfassungswidrigen Machtergreifung, Gefährdung der nationalen Sicherheit und Gründung einer extremistischen Organisation. Zuvor war auch der frühere Präsidentschaftskandidat Viktor Babariko, dessen Wahlstab Maria Kolesnikowa leitete, zu 14 Jahren Haft verurteilt worden. 

Alexandr Kolesnikow, Vater von Oppositionspolitikerin Maria KolesnikowaBild: privat

Snak und Kolesnikowa wurden nur kurz im belarussischen Fernsehen bei der Urteilsverkündung gezeigt: Kolesnikowa zeigte ihr Markenzeichen: das Herz mit ihren Händen, dieses Mal - mit angelegten Handschellen.

In den Gerichtssaal wurden nur Anwälte und wenige Verwandte hineingelassen, Unterstützer und westliche Diplomaten wurden abgewiesen. Dabei war der Gerichtsaal voll von fremden Leuten, berichtete nach der Urteilsverkündung Alexandr Snak, Vater von Maxim.

"Maxim und Mascha fühlten sich nicht wie Angeklagte, sie fühlten, das wird ihnen nichts anhaben. Sie haben sich große Sorgen um uns gemacht, darum, wie wir, ihre Eltern, es verkraften werden", sagte nach dem Urteil Alexandr Kolesnikow, Vater von Maria. Das Urteil bezeichnete er als "sagen wir mal so: ungerecht". Snaks Vater sagte, es sei eine "gewaltige Strafe", er brauche noch Zeit, um "das zu begreifen". Der Anwalt von Maxim Snak kündigte an, gegen das Urteil Berufung einzulegen.

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