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Politik

"Ein offener Prozess, der bis heute wirkt"

Stefan Kaempf
31. Oktober 2018

501 Jahre nach dem Thesenanschlag in Wittenberg ziehen die Verantwortlichen des Jubiläumsjahres 2017 Bilanz. Das nun anstehende Zwingli-Jubiläum zeigt, dass Reformation ein Prozess bleibt.

Deutschland BdT Bäume in Wittenberg
Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

501 Jahre nach dem Beginn der Reformation hat Wittenbergs "Luthergarten" endlich seine 500 Jubiläumsbäume. Anfang dieser Woche pflanzten die Bischöfe Berlins, der Protestant Markus Dröge, der Katholik Heiner Koch sowie der griechisch-orthodoxe Archimandrit Emmanuel Sfiatkos als Vertreter aller anderen Kirchen in der Hauptstadt eine Winterlinde. "Ein schönes Zeichen für die gute Zukunft der Ökumene, dass der letzte Jubiläumsbaum von den Kirchen gemeinsam gepflanzt wurde", sagte Bischof Dröge.

Drei Männer, eine Winterlinde Bild: picture-alliance/dpa/K.-D. Gabbert

Die Anregung zum "Luthergarten" kam bereits 2008 auf. Das Deutsche Nationalkomitee des Lutherischen Weltbunds wollte die Bäume als Zeichen der Zuversicht für das weitere Zusammenwachsen der Kirchen setzen. Und wie manches andere endete auch diese Aktion nicht am 31. Oktober 2017, dem eigentlichen Jahrestag des legendären Thesenanschlags durch den Reformator. Und sie fing auch lange vorher an.

Am Anfang Streit um das Wort 

"'Am Anfang war das Wort'. Oder muss es heißen: 'Im Anfang war das Wort'?" So umschrieb die Leiterin der Staatlichen Geschäftsstelle "Luther 2017", Astrid Mühlmann, dieser Tage im Leipziger Kupfersaal die Mühen des Beginns. Lange vor dem Reformationsjubiläum hätten sich die Macher zunächst einmal einigen müssen, wie man die ersten Worte des Johannesevangeliums korrekt übersetzen solle. Schließlich sollten sie dann über dem Luther-Konterfei auf dem offiziellen Logo des Jubiläumsjahres stehen.

Wittenberg ist geprägt von Martin Luther, dem ReformatorBild: picture-alliance/dpa/H. Schmidt

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte die Reformation als einen Prozess beschrieben, der noch lange nicht zu Ende sei. Und so drängte sich den Besuchern der Gedanke auf, alles würde gerade erst anfangen. In der Tat geht es mit den Jubiläen jetzt erst so richtig los. In der Schweiz, vor allem in Zürich, laufen die Vorbereitungen für das Zwingli-Jahr 2019. Es wird, ähnlich wie in Deutschland das Luther-Jahr, schon länger vorbereitet.

Reformation geht weiter - Zürich 2019

Im Zentrum der Aktivitäten werden die Kirchen, das Fraumünster, Großmünster und die Predigerkirche stehen. Das sind symbolträchtige Orte in Zürich. Sie prägen die Altstadt und stehen für die wechselvolle Geschichte der Reformation von Ulrich Zwingli (1484-1531), die Johannes Calvin (1509-1564) zum Calvinismus weitergeführt hat - eine der strengen Ausrichtungen des Protestantismus. Streng protestantisch sind auch Schweden und Dänemark, die in den nächsten Jahren ihre Reformationsjubiläen begehen.

Zürich wird 2019 im Zeichen des Gedenkens an die Reformation durch Ulrich Zwingli stehenBild: Fotolia/bill_17

Und auch in Deutschland wird weiter geplant. Auf Initiative einiger Pfarrer gibt es das Forum Reformation. 2021 wollen sie "500 Jahre Luther in Worms" feiern. Es war jener Moment der Geschichte, in dem Martin Luther (1483-1546) auf dem Reichstag seine Thesen vor Kaiser Karl V. verteidigte statt sie zurückzunehmen. Frei nach dem berühmten Satz: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders." So war das Reformationsjubiläum 2017 für die Macher nur ein Anfang. Denn der Prozess der Reformation prägte die deutschen Lande und Europa über Jahrzehnte.

Masterplan seit 2007

Vor "Luther 2017" lief ein Masterplan über zehn Jahre. Vor allem wurde in der ganzen Region gebaut, in Wittenberg beispielsweise wurden die historischen Lutherstätten und die Innenstadt aufwändig saniert. Daneben gab es jährlich ein an Luther orientiertes Schwerpunktthema  - etwa Toleranz, Musik, Freiheit -  mit Ausstellungen, Veranstaltungen und besonderen Gottesdiensten. Bund und Länder richteten in Wittenberg, Eisenach und Berlin drei große Nationale Sonderausstellungen aus. Es gab in Berlin und Wittenberg, den Evangelischen Kirchentag, dem in der Elbe-Stadt eine Weltausstellung Reformation folgte.

Vor einem Jahr: Die Spitzen von Kirche und Staat beim Festgottesdienst in WittenbergBild: Reuters/H. Hanschke

Wolfgang Huber, der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, verweist in der Leipziger Bilanzrunde darauf, dass man vorsichtig sein sollte, immer nur die intoleranten Aspekte in Luthers Schriften, vor allem gegen Juden und Türken, hervorzuheben. Jetzt, 501 Jahre später, seien wir immer noch weit entfernt von jener Toleranz und Offenheit, die viele gerne schon bei Luther gesehen hätten. Und für diesen klaren Verweis auf den Zustand der deutschen Gesellschaft 2018, der gleichzeitig für fast alle europäischen Gesellschaften gilt, gibt es den stärksten Applaus.

Wer die Geschichte und Kultur Europas heute als Basis für ein demokratisches Wertesystem begreift, der versteht, dass diese Werte 500 Jahre nach Luther stärker verteidigt werden müssen, als man es vor ein, zwei Jahrzehnten für möglich gehalten hätte. So formulierte es auch der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem Interview der Deutschen Welle. Reformation sei eben ein nicht zum Abschluss gekommener Prozess, ein offener Prozess, der bis heute wirke:"Das, was als eine Debatte, eine Auseinandersetzung über die Freiheit des Christenmenschen, die Bekenntnisfreiheit des Christenmenschen begonnen hat, das wird inzwischen weit darüber hinaus gedacht. Als Freiheit von Zwang und Unterdrückung oder wie ich sage: als Freiheit zu Verantwortung. Und deshalb ist die zentrale Botschaft heute aktuell und die heißt: Mischt euch ein, übernehmt Verantwortung."