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PolitikEuropa

Ein paar kleine Russland-Sanktionen

Barbara Wesel
22. Februar 2021

Die EU-Außenminister einigten sich wegen des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny auf neue Sanktionen gegen Russland. Die EU nutzt dafür zum ersten Mal den Magnitsky-Akt zur Ahndung von Menschenrechtsverletzungen.

Russland | Moskau | Russischer Oppositionspolitiker Alexej Nawalny vor Gericht
Bild: Pavel Bednyakov/Sputnik/dpa/picture alliance

Bundesaußenminister Heiko Maas räumte es nach Ende des Treffens mit seinen EU-Kollegen lieber gleich ein: "Es gibt auch Sanktionen, die verhängt werden, um ganz einfach ein Statement abzugeben, dass wir nicht bereit sind, gewisse Dinge tatenlos zu akzeptieren", sagte er. "Das ist so beim Fall Nawalny." In den nächsten Tagen schon soll das formelle Verfahren durchgezogen werden, um vier russische Regierungsmitarbeiter deswegen mit Reise- und Kontosperren zu belegen. 

Sanktionen mit begrenzter Wirkung

Nawalnys Mitarbeiter Leonid Wolkow, der in Litauen lebt, hatte zuvor in Brüssel "gezielte Sanktionen gegen Putins nächste Getreue, die wichtigsten Mitarbeiter der Repressionsmaschine in Moskau" gefordert. Aber es war klar, dass es dazu nicht kommen würde. Zwar ist immer wieder die Rede davon, gegen die wichtigsten Oligarchen des Systems vorzugehen, aber solche Sanktionen wären juristisch angreifbar, weil sie kaum direkte Verantwortung für das Vorgehen gegen Nawalny tragen.

Bundesaußenminster Heiko Maas macht kein Hehl aus der begrenzten Wirkung der neuen Sanktionen Bild: Yves Herman/AP/picture alliance

Jetzt sollen unter anderem ein Generalstaatsanwalt sowie der Chef des Gefängnisdienstes für das Vorgehen gegen Nawalny verantwortlich gemacht werden. "Die EU-Außenminister waren darin einig", betonte Chefdiplomat Josep Borrell. Zum ersten Mal nutzt die EU dafür den sogenannten Magnitzky-Akt, einen neuen Mechanismus zur direkten Ahndung von Menschenrechtsverletzungen.

Sogar wenn der Beschluss nicht viel bringe, will Leonid Wolkow doch das Positive sehen: "Es ist sicher nicht der letzte Schritt" und außerdem das erste Mal, dass Moskau wegen Menschenrechtsverletzungen bestraft werde. Bislang gibt es Sanktionen wegen der Ukraine-Krise, der Skripal-Vergiftung und eines Cyberangriffs vom vergangenen Jahr. Allerdings hat sich die russische Regierung bisher insgesamt unbeeindruckt gezeigt.

Tiefpunkt der Beziehungen 

Borrell selbst ist, so berichtete er, von weiterer Kritik durch die Außenminister an seiner umstrittenen Moskaureise vor zehn Tagen verschont geblieben. "Die Reise hat uns immerhin Informationen über die Haltung Russlands zur EU verschafft", rechtfertigte er den fehlgeschlagenen Trip. Borrell war in Moskau vom russischen Außenminister Sergej Lawrow in der gemeinsamen Pressekonferenz regelrecht vorgeführt worden, hatte sich schlecht vorbereitet und informiert gezeigt. Rücktrittsforderungen gegen den Spanier sind allerdings inzwischen verstummt. Damit würde man Putin nur einen Gefallen tun, glauben Kritiker.

Bundesaußenminister Heiko Maas stellte am Montag fest, man sei "sicherlich an einem Tiefpunkt der Beziehungen angelangt". Allerdings brauche man Russland, "um viele internationale Konflikte beizulegen". Viele seiner europäischen Kollegen teilen diese Auffassung. "Russland driftet immer weiter weg von Europa und hin zu einem autoritären Staat", beschreibt Josep Borrell die allgemeine Stimmungslage. 

Josep Borrells jüngster Moskau Besuch wird weithin als Fehlschlag und kontraproduktiv betrachtet Bild: Russian Foreign Ministry/REUTERS

Erneute Kritik kommt dagegen von der EVP-Fraktion im Europaparlament: "Putins Regime hat eine klare Botschaft geschickt: Es betrachtet die Beziehungen zur EU als nicht wichtig. Sie sollte aus dieser Lektion lernen. Die EU muss ihre Politik gegenüber Putins Russland grundlegend überprüfen", fordert Andrius Kubilius, Mitglied des Europäischen Parlaments. Osteuropäische und besonders baltische Länder fordern eine viel härtere Vorgehensweise gegenüber Wladimir Putin. Demgegenüber bremsen vor allem Berlin und Paris.

Hoffnungsschimmer beim Iran-Atomabkommen?

Einen Hoffnungsschimmer gebe es bei der Iranfrage. Man pflege intensive diplomatische Kontakte, um die Positionen der US-Regierung und der Vertreter Teherans anzunähern: "Wir wollen Raum für Diplomatie schaffen und ich hoffe auf gute Nachrichten in den nächsten Tagen oder Wochen", versprach der EU-Chefdiplomat Borrell.

Noch will er sich nicht dazu äußern, ob und wie Teheran bereit sein könne, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, um das 2015 abgeschlossene Atomabkommen zu retten, das Präsident Trump 2018 einseitig verlassen hatte. Er sieht aber in der Einigung Teherans mit der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien ein gutes Zeichen: "Es wird in den nächsten Monaten ein ausreichendes Niveau von Kontrolle garantieren", so Josep Borrell, und damit das Fenster öffnen, um der Diplomatie eine Chance zu geben. Der Prozess könnte neu gestartet werden: "Alle sind sich bewusst wie wichtig das ist, ich bin relativ optimistisch", fügte Borrell hinzu.

Hinter den Kulissen scheint es Annäherungen zwischen Teheran und Washington im Streit um das Atomabkommen zu geben Bild: Getty Images/AFP/A. Kenare

Myanmar und die übrige Außenpolitik

Neue Sanktionen sollen auch gegen die Militärmachthaber in Myanmar verhängt werden. Alle direkten Geldleistungen werden eingestellt, so der EU-Chefdiplomat, nur die Unterstützung der Zivilgesellschaft und Hilfen für die Bevölkerung laufen weiter. "Die EU verurteilt scharf die inakzeptable Gewaltanwendung vor allem gegenüber friedlichen Demonstranten."

Gerade zu euphorisch sprach Borrell schließlich noch von dem ersten virtuellen Treffen mit US-Außenminister Anthony Blinken. In einer sehr positiven Diskussion sei es um Klimawandel, die Erholung von der Corona-Krise sowie das Verhältnis zu Russland und China gegangen. Bei letzterem allerdings weiß man, dass die USA und die EU nicht vom gleichen Blatt singen. Die Grundsatzdebatte über eine neue Chinapolitik aber wird wohl in den nächsten Monaten und nicht beim Kennenlern-Termin geführt werden. Auch die Debatte über Hongkong wurde vertagt.

Schließlich warf der Tod des italienischen Botschafters in Kongo durch den Anschlag auf einen Konvoi des Welternährungsprogramms ein trauriges Schlaglicht  auf die Situation im Osten des Landes. Der italienische Außenminister Luigi di Maio hatte das Treffen in Brüssel deshalb vorzeitig verlassen: "Zivilisten zahlen einen hohen Preis für eine zutiefst gestörte Sicherheitslage", sagte EU-Chefdiplomat Borrell. Im Ostkongo sind in der Nähe des Virunga Nationalparks Milizen aktiv, die vor allem um Bodenschätze in der Region konkurrieren. Es kommt dort immer wieder zu Mordanschlägen gegen Wildhüter. Außerdem sollen in den letzten Jahren nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen mehr als 170 Personen von kriminellen Banden entführt worden sein.