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Politik

Visegrad-Hauptstädte: Ungewöhnlicher Pakt

Wojciech Szymanski
11. November 2019

In Warschau, Budapest, Prag und Bratislava regieren junge und progressive Bürgermeister. Jetzt wollen sie einen inoffiziellen Bund schmieden, um für den Rechtsstaat zu kämpfen - dabei geht es ihnen auch um EU-Gelder.

Bratislava Treffen der Visegrad Gruppe mit Merkel
Februar 2019: Angela Merkel zu Gast beim "großen" Visegrad-Treffen in BratislavaBild: Reuters/D. Cerny

Der klare Sieg von Rafał Trzaskowski bei den Warschauer Kommunalwahlen im November vergangenen Jahres war eine bittere Schlappe für die in Polen regierende rechts-konservative PiS-Partei (Recht und Gerechtigkeit). Der Kandidat der liberalen Bürgerplattform schaffte es ohne Stichwahl das Prestigeduell für sich zu entscheiden und den Posten des Warschauer Stadt-Präsidenten zu erobern. Für den von der PiS unterstützten Gegenkandidaten eine Blamage. Ähnlich der Wahlausgang im Oktober dieses Jahres in Budapest: Der oppositionelle Politiker Gergely Karácsony konnte sensationell den Kandidaten der fast allmächtigen Fidesz-Partei von Premierminister Viktor Orbán in die Schranken weisen und ins Rathaus einziehen.

Gergely Karacsony will einen Pakt freier HauptstädteBild: AFP/A. Kisbenedek

Das erste internationale Telefonat als neuer Bürgermeister hielt Karácsony mit Trzaskowski ab. Beim Gespräch entstand die Idee eines "Paktes freier Hauptstädte" - einer Art Kooperationsformat der Hauptstadt-Bürgermeister aus den Visegrad- Ländern Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei. In Prag und Bratislava regieren seit kurzem ebenfalls junge und progressive Politiker, die eine ähnliche Vision von einer modernen, europäischen Stadt haben: Sie soll tolerant, aufgeschlossen und umweltbewusst sein. Was sie zusätzlich verbindet, ist die oft angespannte Beziehung zu ihren zentralen Regierungen, die mit linkem oder rechtem Populismus die Macht im Staate ausüben.

EU-Fördergelder in Eigenregie einwerben 

"Der Populismus, mit dem wir es in vielen Ländern zu tun haben, bringt uns dazu, zusammenzuarbeiten. Einerseits ist der Pakt ein Symbol - was in der Politik nicht unwichtig ist - aber es geht auch um konkrete Lösungen, die wir umsetzen wollen", sagt Rafał Trzaskowski im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die vier Hauptstädte wollen unter anderem gemeinsam in Brüssel für zusätzliche EU-Fördergelder werben, die man direkt, also an den Zentralregierungen vorbei, erhalten möchte. "Ich habe darüber in Brüssel mit der EU-Kommission, mit Spitzenpolitikern gesprochen, es ist machbar", fügt der Warschauer Stadt-Präsident hinzu.

"Es ist keine Maßnahme gegen den Staat, es ist eine Ergänzung" - Warschaus Stadt-Präsident Rafal TrzaskowskiBild: picture-alliance/NurPhoto/A. Widak

Trzaskowski geht mit der Politik der PiS-Partei hart ins Gericht, wenn es um die kommunale Selbstverwaltung in Polen geht. Man werde wie ein Feind behandelt, kritisiert er. "Dieser Regierung missfällt alles, was irgendwie unabhängig ist. Es fing an mit den Maßnahmen gegen die Justiz und im öffentlichen Dienst, jetzt sind wir das Ziel." Trzaskowski nennt konkrete Nachteile für seine Kommune. "Wir bekommen immer weniger Mittel aus den Steuergeldern, werden aber mit zusätzlichen Kosten belastet, zum Beispiel für die Reform des Schulwesens. Hinzu kommen Versuche, unsere Fähigkeiten, eine eigene Politik zu betreiben, zu begrenzen."

Dass die Visegrad-Hauptstädte in Eigenregie bei der EU Fördergelder einwerben wollen, dürfte den Zentralregierungen Polens, Ungarns, Tschechiens und der Slowakei nicht gefallen. Eine solche Initiative sei nicht verkehrt, im Gegenteil, so Trzaskowski. "Die beste Vertretung, die es im EU-Parlament gibt, ist die Vertretung Bayerns. Die Regionen, die Städte kämpfen in der EU um das Eigene, es war immer so und es wird auch so bleiben. Es ist keine Maßnahme gegen den Staat, es ist eine Ergänzung."

Das "kleine" Visegrad-Format

Doch beim "Pakt der freien Hauptstädte" geht es nicht nur ums Geld. Die Kommunalpolitiker aus Warschau, Budapest, Prag und Bratislava wollen Erfahrungen austauschen und Prioritäten setzen beim Umweltschutz, Smart-City Technologien aber auch für Werte eintreten wie Toleranz, Rechtsstaatlichkeit oder Meinungsfreiheit. Besonders Polen und Ungarn wurden in den vergangenen Jahren in diesen Bereichen von der EU-Kommission immer wieder getadelt. Gegen die beiden Staaten laufen die sogenannten "Artikel-7-Verfahren". Brüssel wirft den Regierungen in Warschau und Budapest vor, die Rechtsstaatsprinzipien und die Grundwerte der EU zu missachten. 

Das "große Visegrad-Format - Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei

Am vergangenen Freitag trafen sich die Oberbürgermeister der vier osteuropäischen Hauptstädte in Berlin. Am Rande der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag des Mauerfalls besprachen sie die Initiative, die inoffiziell als "Pakt der freien Hauptstädte" oder "Kleines Visegrad" bezeichnet wird, im Gegensatz zum großen Visegrad, in dem Politiker wie Viktor Orbán und Jarosław Kaczyński den Ton angeben. Noch ist dieser Städte-Pakt nur eine Idee, eine gemeinsame Deklaration wird erst vorbereitet. "Aber es wird immer konkreter", so Trzaskowski.

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