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Politik

Ein Palästinenser mischt in Jerusalem mit

Nermin Ismail
30. Oktober 2018

Seit Jahren boykottieren Palästinenser die Wahlen in Jerusalem. Erstmals tritt jetzt einer von ihnen im Ostteil der Stadt als Stadtratskandidat an und hofft, etwas verändern zu können. Ein Blick hinter die Kulissen.

Israel Kommunalwahlen
Eine Palästinenserin bei der Kommunalwahl in Jerusalem, 2018Bild: Getty Images/AFP/A. Gharabli

Das Rennen um die Bürgermeisterämter in Israel hat begonnen. Ultraorthodoxe, Säkulare, Rechte und auch Palästinenser treten in 251 Städten und Orten gegeneinander an. Rund 6,6 Millionen Wahlberechtigte können am Dienstag (30.10) bis 21 Uhr ihre Stimme abgeben. Anders als bei Parlamentswahlen, können sich auch Einwohner ohne israelischen Pass an den Kommunalwahlen beteiligen. Die Wahl der neuen Kommunalparlamente und Bürgermeister findet an einem offiziellen Feiertag statt. Dadurch soll die Wahlbeteiligung erhöht werden, die in den vergangenen Jahren stets zurückgegangen war.  Bei den letzten Kommunalwahlen 2013 lag die Beteiligung kaum über 50 Prozent. In Jerusalem gaben rund 35,9 Prozent und in Tel Aviv 31,3 Prozent ihre Stimme ab. Auch bei diesen Wahlen wird von einer geringen Beteiligung ausgegangen.

Nahostexperte John Bunzl sagt, der nationale Rechtsruck spiegle sich auf lokaler Ebene nicht wieder. "Lokale Besonderheiten spielen in Israel eine wichtige Rolle. Es gibt immer wieder überraschende nonkonformistische Parteien und Gruppierungen, die bei den Kommunalwahlen gut abschneiden." In Städten, in denen die Ultraorthodoxen regieren, wie Bnei Brak nahe Tel Aviv oder Elad, haben nur fromme Parteien eine Chance. Anders in Großstädten, denn "sowohl in Tel Aviv als auch in Haifa gibt es arabische Kandidaten, also israelische Staatsbürger palästinensischer Herkunft", erklärt Bunzl.

Jerusalem: Boykott der Palästinenser

In Jerusalem boykottiert seit dem Sechstagekrieg 1967 die überwiegende Zahl der Palästinenser die Wahlen. Damals haben Israels Truppen die Araber aus der Stadt vertrieben und die Kontrolle über Jerusalem übernommen. Heute sind rund 37 Prozent der Einwohner der Stadt Araber. Sie leben im benachteiligten Osten Jerusalems. Vor einem Jahr gab es dort nur sechs Wahllokale, verglichen mit dem Westen, wo jüdischen Wählern 180 Wahlstationen zur Verfügung stehen.

Seit sechs Uhr morgens haben Wahlberechtigte die Möglichkeit wählen zu gehenBild: Reuters/A. Awad

Ganz abgesehen von den strukturellen Bedingungen, lehnen die Palästinenser in Jerusalem die Beteiligung an der Wahl ab. Der Großmufti von Jerusalem hat eine Fatwa, eine Art Rechtsurteil, erlassen, die eine Teilnahme an der Wahl verbietet. Doch trotz des weit verbreiteten palästinensischen Boykotts der Kommunalwahlen in Jerusalem kandidierten immer wieder Palästinenser, um in der Lokalpolitik mitzumischen. Bis zu Wahlbeginn zogen alle bis auf einen die Kandidatur zurück.

Aziz Abu Sarah kandidierte für das Amt des Bürgermeisters. Er stand für eine gerechtere Verteilung der öffentlichen Ressourcen und betrachtete seine Kandidatur als Teil des nationalen Kampfes. "Obwohl der Kandidat glaubhaft argumentiert hat, dass eine stärkere Vertretung der Palästinenser im Stadtrat dazu beitragen könnte die Lebensbedingungen der Palästinenser zu verbessern, hat er seine im September dieses Jahres Kandidatur zurückgezogen." Grund war nicht nur der Druck der Palästinenser, sondern auch die Willkür der israelischen Behörden. Der 38-jährige Palästinenser könne nicht Bürgermeister werden, da er kein Staatsbürger sei, hieß es. Zudem verbrachte Abu Sarah in den vergangenen Jahren mehrere Monate im Ausland, weswegen ihm der Entzug des Status als Bürger Jerusalems droht. Ein weiterer Kandidat, Ijad Bibouh, zog sich ebenso überraschend aus dem Rennen zurück, aus "familiären Gründen."

Ramadan Dabash traut sich

Ein einziger Palästinenser blieb im Rennen. Ramadan Dabash, Chef der Partei "Al-Quds Baladi" (Jerusalem ist meine Stadt), will als erster Palästinenser in den Stadtrat einziehen. Er spricht perfekt Hebräisch, scheut keine Zusammenarbeit mit Juden und war kurze Zeit Teil der konservativen Likud-Partei.

Ramadan Dabash, vom Beruf Bauingenieur, hält sich bei großen Themen zurück. Er wolle lediglich die Lage vor Ort verbessern, sagte er.Bild: Getty Images/AFP/A. Gharabli

Sein Programm für Ostjerusalem: gerechtere Verteilung der öffentlichen Gelder, mehr Schulklassen und eine bessere städtische Versorgung. Trotz zahlreicher Drohungen will er sich nicht einschüchtern lassen. "Er wird vermutlich relativ wenige Stimmen bekommen, weil die Palästinenser in Jerusalem den Status der Okkupation des Ostteils nicht ansatzweise akzeptieren wollen", schätzt der Experte. 

Die Kommunalwahlen finden, wenige Monate nach dem Beschluss des umstrittenen "Nationalitätengesetzes" durch das israelische Parlament, statt. Das Gesetz definiert Israel als nationale Heimstätte des jüdischen Volkes und bestimmt Hebräisch als offizielle Landessprache. Arabische Abgeordnete und israelische Menschenrechtler kritisieren das Gesetz als diskriminierend. Dieses Gesetz habe nur den bereits vorhandenen Zustand rechtlich festgelegt, sagt Nahostexperte Bunzl. "Israel war schon immer eine Ethnokratie, ein Staat, der der arabischen Bevölkerung zwar einige demokratische Rechte gibt - die entscheidenden Interessen sind aber ausschließlich zionistisch definiert. Dieses Gesetz ist eine symbolische Unterstreichung dessen."

 

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