Stammzellen-Patent ungeklärt
24. November 2009Oliver Brüstle versteht die Welt nicht mehr. Seit zehn Jahren kämpft der Bonner Stammzellenforscher um die Anerkennung seiner Arbeit. Doch auf das Patent für eine Methode, mit der er embryonale Stammzellen zu Nervenvorläuferzellen machen kann, muss er weiter warten. Schon 1999 hat er ein Verfahren entwickelt, das aus den hoch aktiven, aber auch gefährlichen Stammzellen, nützliche Helfer macht, die sich in ein krankes Gehirn einbauen.
Diese Methode hat er 1999 zum Patent angemeldet. Die Umweltorganisation Greenpeace erhob Einspruch und 2006 wurde das Patent vom Bundespatentgericht eingeschränkt. Es gilt jetzt nur noch für Mäusezellen. Die Sache landete schließlich beim Bundesgerichtshof, und der hat den Streit zwischen Brüstle und Greenpeace kürzlich an den europäischen Gerichtshof weiter gereicht.
Am Anfang steht immer ein Embryo
Für Brüstle ist die Sache klar. Er betreibe erlaubte Wissenschaft, vom Bund gefördert und mit embryonalen Stammzellen, die streng nach deutschem Gesetz aus dem Ausland importiert wurden. Das heißt: die Stammzellen wurden vor dem Stichtag, 1. Mai 2007, im Ausland aus überzähligen Embryonen gewonnen. So soll, wie die Bundestagsmehrheit entschieden hat, sicher gestellt werden, dass kein Embryo eigens für deutsche Forschung getötet wird. Dennoch stammen die Zellen letztlich eben doch aus einem Embryo. Nur ein paar winzige Zellen, aber eben doch ein potentieller Mensch. Und ohne Embryo gibt es keine embryonalen Stammzellen.
Diese Embryonenzerstörung hat der deutsche Gesetzgeber nicht gut geheißen. Der Bundestag hat sie lediglich notgedrungen akzeptiert, weil die Zerstörung nun einmal stattgefunden hat und nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Und da die Stammzellen schon mal da sind, darf man sie auch importieren und damit forschen – zumindest wenn es um hochrangige Ziele geht, wie die Bekämpfung von Krankheiten. Aber heißt das auch, dass es statthaft ist, mit dieser Forschung Geld zu verdienen?
Kampf der ethischen Argumente
Dazu hat sich der Bundestag nicht geäußert, und deshalb werden sich weiterhin die Gerichte mit dem Patentstreit herumschlagen. Dabei geht es jedoch nicht um ein Patent "auf Leben", wie oft behauptet wird. Es geht um eine Methode, die –so Greenpeace – gegen die guten Sitten verstößt und die laut Brüstle beim Kampf gegen Krankheiten des Nervensystems helfen soll. Beide Seiten haben ethische Argumente. Eine klare juristische Grundlage fehlt. Die hat der Gesetzgeber den Richtern verweigert. Und jetzt sollen Juristen eine ethische Entscheidung treffen. Kein Wunder, dass sie sich drücken, so lange es irgend geht.
Was weder Politik noch Gerichte schaffen, könnte der Wissenschaft gelingen. Denn durch Forschung mit embryonalen Stammzellen entstand eine neue Methode: Die Reprogrammierung. Damit ist es möglich, reife Körperzellen wieder jung zu machen. Es entstehen so genannte IPS-Zellen (induzierte pluripotente Stammzellen). Sie zeigen viele Eigenschaften embryonaler Stammzellen. Und einiges spricht dafür, dass die IPS-Zellen die embryonalen Stammzellen als großer Hoffnungsträger der Medizin ablösen werden. Das Patent auf die IPS-Methode besitzt der japanische Stammzellenforscher Shinya Yamanaka. Sein Verfahren hat im Rennen um die Medizin der Zukunft die besseren Chancen. Und vielleicht setzen auch die Gerichte auf diese neuen Zellen. Sie vertagen die Entscheidung so lange, bis sich niemand mehr für embryonale Stammzellen interessiert.
Autor: Michael Lange
Redaktion: Marlis Schaum