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Glaube

Ein Pfarrer kann auch Märchen erzählen

4. August 2017

Magische Wesen, die für das Gute kämpfen – ist das unchristlich? Jean Felix Belinga Belinga erzählt, was passiert, wenn ein Pfarrer Märchen schreibt.

Märchenerzählen
Bild: Imago/Hoch Zwei/Angerer

Was hat Jesus gegen Märchen?

Ich habe irgendwann angefangen, meinen eigenen Kindern selbsterdachte Geschichten, zumeist Märchen zu erzählen. Es machte einfach Spaß, den eigenen Kindern Märchen zu erzählen, die sie sonst nirgends zu hören bekommen konnten. Dann musste ich feststellen, dass meine Fantasie nicht müde wurde, mir immer neue Bilder zu liefern. Das führte schließlich dazu, dass ich ein Märchen anfing, das nicht mehr aufhören konnte und schließlich ein Märchenroman wurde. Das Buch fand auch den Zugang zum deutschen Büchermarkt. Bald meinte mein Verleger, dass das Buch das nötige Potential besäße, um ein breites Publikum hierzulande zu begeistern. So organisierte und vermittelte er unermüdlich Lesungen.

Bei einer dieser Lesungen an einem Nachmittag stand plötzlich eine Mutter auf und ging mit ihrem Kind hinaus, wobei sie dem Kind die Ohren zuhielt. Bei einer späteren Begegnung begründete sie ihr Verhalten: „Wir brauchen hier keine Pfarrer, die Märchen erzählen, sondern solche, die das lebendige Wort von Jesus Christus verkünden.“ Weiter meinte sie, sie sei äußerst empört gewesen und wollte es ihrem Kind nicht zumuten, noch länger von irgendwelchen „Geistern“ zu hören.

Solche Voten hörte ich nicht zum ersten Mal. Ich war einmal in einer Fernsehshow, in der ich aufgrund meines Märchenromans als „Märchenerzähler“ vorgestellt worden war. Wenige Tage später fuhr mich ein älterer Mann grimmig mit den Worten an „Als Märchenerzähler können Sie sonst wo bleiben. Wir hätten Sie lieber mit den Wahrheiten des Evangeliums gehabt.“ Ein weiteres Mal bezichtigte mich ein Mann, ich würde Kinder zum Genuss von Drogen anstiften. Die Rede war jedoch von kleinen Geistern, die Kolanüsse brauchten. Das sind die kleinen Geister, die in meinem Märchenroman ein einsames, schwerbehindertes Mädchen von seinem Leid befreien. Aber spätestens bei diesem Disput wurde in mir die Frage laut, ob nicht eine Störung in der Wahrnehmung bestand. Seit meiner Kindheit hatte ich noch nie eine böse Assoziation zu Märchen von irgendjemandem vernommen. Die wunderbaren Abende im Hof unserer Familie und später die schönen Stunden mit meinen Kindern, besonders bei Kindergeburtstagen. Konnte ich mich in alldem so getäuscht haben?

 

Die Kraft der Worte

Freilich, die Welt der Märchen ist nicht die der Wahrheiten. Im Märchen wird auf wundersame Weise das Unwirkliche nicht nur denkbar, sondern es wird zum Leben erweckt. Oft helfen dabei Fantasiewesen, die mit Hilfe ihrer Magie die übernatürlichen Kräfte der positiveren, rettenden Seite darstellen. Trotzdem habe ich noch nie wirklich verstanden, warum sie mit dem christlichen Glauben nicht kompatibel sind bzw. in christlichen Kreisen verpönt werden. Märchen sind für mich beflügelnde Worte und Bilder, die mir das Gefühl verleihen, dass nichts unüberwindbar ist, was mich in die Verliererrolle drängt. Es sind Geschichten, die Grenzen abbauen, welche wir Menschen, getrieben von unseren unchristlichen Eigenschaften errichten. Märchen bekämpfen stets das Böse im Menschen und lassen keine Situation ausweglos bestehen. Sie lassen das Herz vor Freude erstrahlen. Dafür steht für mich das von mir geliebte Sprichwort: „Worte sind ein Duft für das Herz.“

Eine Zeitlang habe ich davon geträumt, jedes Jahr vor Weihnachten ein neues Weihnachtsmärchen zu schreiben und es an Heiligabend um 22.00 Uhr vorzutragen. Das sollte selbstverständlich in einem Abendgottesdienst eingebettet sein. Ich finde ein Märchen an dieser Stelle geeignet, denn viele Märchen sind sehr christlich. Bisher habe ich es zeitlich nicht geschafft, aber es bleibt für mich ein anziehender Gedanke. Vielleicht ja dieses Weihnachten. Also nicht „Es war einmal…“, sondern „Es wird einmal sein…“   

 

Autoreninfo:

Jean Felix Belinga Belinga ist 1956 in Südkamerun geboren und aufgewachsen.

  • Autor, Journalist und Pfarrer
  • Verheiratet und Vater von drei Kindern
  • Studium der Evangelischen Theologie in Erlangen (Bayern)
  • Gegenwärtig: Beauftragter für Interkulturelles Lernen im Zentrum Ökumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.