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Ein russischer Afghane will nicht zurück

Waslat Hasrat-Nazimi4. September 2012

Noor Mohammad ist einer der früheren sowjetischen Soldaten, die in den achtziger Jahren als Überläufer eine neue Heimat bei den Mudschahidin gefunden haben. Heute fühlt er sich selbst von den Taliban anerkannt.

Noor Mohammad, geb. Sergej Yurievich Krasnoperov (Foto: DW)
Noor Mohammad Ex-Sowjetsoldat in AfghanistanBild: DW/A.Jamal

Eigentlich wollte er nur seinem Vaterland dienen und etwas Geld verdienen. Aber es kam ganz anders für Noor Mohammad, der als Sergej Jurjewitsch Krasnoperow im südwest-sibirischen Kurgan zur Welt kam. Heute lebt er in der Provinz Ghor im Westen Afghanistans. "Damals bin ich zum Kämpfen nach Afghanistan gekommen, um als Soldat meinem Land zu dienen. Ich wusste nicht, dass meine Regierung hier Menschen umbringt und dass das meine Aufgabe sein wird", sagt er auf Dari. "Entweder du tötest oder du wirst getötet. So ist das als Soldat."

Damals in den 80er Jahren herrschten noch andere Zeiten. Die Sowjetunion, so Noor Mohammad noch heute mit Stolz in der Stimme, das sei noch ein Russland gewesen, das eine Weltmacht darstellte. 1979 marschierte die sowjetische Armee in Afghanistan ein, um den Aufstand gegen die pro-kommunistische Regierung niederzuschlagen. Der Krieg kostete anderthalb Millionen Afghanen und 15.000 russischen Soldaten das Leben. Knapp zehn Jahre später zogen die letzten sowjetischen Soldaten über die Grenze nach Usbekistan ab.

Im Februar 1989 zogen die letzten sowjetischen Truppen aus Afghanistan abBild: picture alliance/dpa

Aufnahme bei den Mudschahidin

Während des Krieges hatten Tausende Soldaten den Glauben an den Sinn der sowjetischen Invasion verloren und waren desertiert. Und nicht nur das: Wie Noor Mohammad liefen Dutzende zu den Mudschahidin über und konvertierten zum Islam.

Noor Mohammad habe schon bald nach dem Einmarsch, so berichtet er, erkannt, dass der Krieg verloren war. Er desertiert und läuft zu den Feinden, den Mudschahidin, über. "Sie haben mich aufgenommen und mich zum Teil ihrer Bewegung gemacht, dem Dschihad gegen die Ungläubigen", sagt er.

Noor Mohammad musste zwar nicht mehr an der Front kämpfen, aber es gab genug zu tun für ihn. Hauptsächlich war er für die Ausrüstung der Rebellen zuständig. "Einer hat den Tanklastwagen startklar gemacht, einer hat ihn vollgetankt. Ich habe die Munition geladen oder mich um die Verpflegung gekümmert. Auch das gehörte zum Krieg". Noor Mohammad führte fortan ein neues Leben, anders als das, was er aus einer Heimat im Südwesten Sibiriens kannte. "Früher hatte ich keine Religion. Außer einer Flasche Wodka und den Mädchen haben wir nichts verehrt. Meine Eltern waren christlich. Aber ich war an anderen Dingen interessiert, ich war jung", sagt er lachend.

Keine Sehnsucht nach Russland

Jetzt hat Noor Mohammad eine afghanische Frau und sechs Kinder. Die Mudschahidin sorgten dafür, dass er schnell heiratete, um ihn stärker an seine neue Heimat zu binden. Seine Kinder gehen zur Schule und unterscheiden sich äußerlich nicht von anderen Kindern. Außer, dass eine seiner Töchter Motorrad fährt, hätten sie kaum russische Eigenschaften, sagt er.

"Hier ist es besser als in Russland"Bild: DW/A.Jamal

Wirtschaftlich hat sich die Flucht für Noor Mohammad nicht unbedingt gelohnt. Er besitzt eine Werkstatt, was ihm etwa 5.000 Afghani, umgerechnet 75 Euro im Monat einbringt. Damit kann sich die Familie so gerade über Wasser halten. Aber zurück nach Russland will er nicht. "Die russische Botschaft hat mich und meine Familie auch einmal zurückbringen wollen, aber wir haben abgelehnt". Sogar seine Mutter sei in den 90er Jahren gekommen, um ihn nach Russland zu holen, aber dort sieht er keine Perspektive. "Russland ist nicht mehr die große Weltmacht, die sie einmal war. Die Menschen haben keine Arbeit und hungern", so die nüchterne Sicht auf seine frühere Heimat.

"Ich habe mich an das Land und die Menschen hier gewöhnt. Mit meiner afghanischen Familie hätte ich in meiner alten Heimat Probleme", so Noor Mohammad. "Hier akzeptieren und schätzen mich sogar die Taliban, so wie ich bin", sagt der frühere Sergej Jurjewitsch Krasnoperow und stellt klar: "Ich habe einen afghanischen Pass und bin stolzer Afghane."