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Ein-Schnitt ins Leben

11. November 2002

Die Somalierin Waris Dirie und die Schauspielerin Katja Riemann setzen sich gemeinsam mit UNICEF für die Menschenrechte von Mädchen ein. Mehr als 700 Dörfer im Senegal haben der Mädchenbeschneidung schon abgeschworen.

Top-Model Waris DirieBild: AP

Noch immer erleiden weltweit jeden Tag rund sechstausend Mädchen das brutale Ritual der Beschneidung, bei dem die Geschlechtsorgane verstümmelt werden. Jährlich sind weltweit rund zwei Millionen Mädchen davon betroffen. In 28 Ländern Afrikas sowie in einigen Ländern Asiens und des Mittleren Ostens wird die grausame Tradition nach wie vor praktiziert. Die Somalierin Waris Dirie und die deutsche Schauspielerin Katja Riemann riefen dieser Tage in Berlin gemeinsam mit UNICEF und dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen dazu auf, grausame Traditionen wie die der Mädchenbeschneidung zu stoppen.

Das Model Waris Dirie, die seit 1997 als UNO-Sonderbotschafterin gegen Mädchenbeschneidung unterwegs ist, wurde selbst in ihrer Heimat Somalia im Alter von fünf Jahren beschnitten. Heute tritt sie dafür ein, dass kein Kind mehr ihre leidvollen Erfahrungen teilen muss. Aus diesem Grunde wurde sie auch Autorin von zwei Büchern, dem Bestseller "Wüstenblume" und dem in diesem Jahr erschienenen Titel "Nomadentochter". Beide haben in Deutschland inzwischen viele Leser und Leserinnen gefunden, die sich mit dem Anliegen der Autorin solidarisieren.

Diskriminierung von Mädchen an der Tagesordnung

Kajta Riemann auf ihrer Projektreise im Senegal, zum Thema " Mädchenbeschneidung"Bild: Unicef

In den Büchern geht es um die Diskriminierung und Missachtung von Frauen. So werden in vielen Ländern Mädchen schlechter ernährt als ihre Brüder, sie erhalten eine schlechtere medizinische Versorgung, müssen häufig härter arbeiten als ihre männlichen Geschwister und dürfen meistens auch nicht zur Schule gehen. Folge all dessen ist eine deutlich höhere Sterberate von Mädchen in den betroffenen Ländern.

Im Senegal haben in den vergangenen fünf Jahren rund 700 Dörfer der Tradition der Mädchenbeschneidung abgeschworen, auch Dank der von UNICEF unterstützten Arbeit der Nichtregierungsorganisation TOSTAN ("Durchbruch").

Bildung als wichtigster Schlüssel zu Veränderung

Zurückzuführen ist der Erfolg auf ein breit angelegtes Bildungsprogramm für Mädchen und Frauen. Sie lernen dort nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen. In den zweijährigen Kursen stehen auch Informationen über Menschenrechte auf dem Programm. Zum ersten Mal erfahren sie, dass ihre gesundheitlichen Probleme auch mit der Beschneidung zusammenhängen und dass sie ein Recht auf körperliche Unversehrtheit haben. Inzwischen erkundigten sich auch schon Menschen aus dem Sudan und Mali nach dem Programm.

Ein langer Weg

Katja Riemann mit BabyBild: Unicef

Die deutsche Schauspielerin und Sängerin Katja Riemann war im Auftrag von UNICEF zu einem Besuch im Senegal. Im Unterschied zu Urlaubsreisenden, die Afrika nur vom Hotel aus erleben, fühlte sie sich während dieser Tage am Pulsschlag von Afrika. Die beiden UNICEF-Aktivistinnen Riemann und Dirie erzählten die Geschichte eines alten Mannes, der immer für die Wahrung der Traditionen im Senegal eingetreten ist, auch die der Beschneidung.

Kajta Riemann und Molly Melching, von der Organisation "Tostan"Bild: Unicef

Er wurde aufgefordert nach Hause zu seiner Frau, zu seinen Töchtern, seinen Enkelinnen, seinen Nichten zu gehen und sie zu fragen, mit ihnen über das Tabuthema zu sprechen. Er hat das dann gemacht – in Afrika ein unglaublicher Schritt. Der über 60-jährige Mann kam nach zehn Tagen zurück, weinend, und sagte: "Ich habe das alles nicht gewusst und nun weiß ich, warum meine Nichte nicht spricht, weil sie nach der Beschneidung soviel Blut verloren hat." Und dieser Mann ist zu Fuß, barfuß, losgegangen. Er war in zwölf Dörfern und hat erzählt, hat seinen Mund aufgemacht und hat gesprochen mit den Frauen, mit den Männern und hat gesagt: "Wisst Ihr, was da passiert? Wir verbringen unser Leben miteinander. Wir wussten es nicht." Das war der erste Zusammenschluss von zwölf Dörfern im Senegal. Diese Gemeinden haben gemeinsam die Deklaration gefeiert und gesagt: "Wir beschneiden nicht mehr."

Sabine Ripperger / (pf)