Ein "Sicherheitsdiamant" gegen China
21. Januar 2013Traditionell führt die erste Auslandsreise eines neuen Premierministers in Japan nach Washington. Über einen Sicherheitsvertrag sind Nippon und die USA eng miteinander verbunden. Aber der frisch gewählte Regierungschef Shinzo Abe setzte mit einer Asien-Diplomatie einen anderen Akzent, indem er zuerst Vietnam, Thailand und Indonesien besuchte. Zuvor waren Finanzminister Taro Aso nach Myanmar und Außenminister Fumio Kishida nach Singapur, Brunei, Australien und Philippinen gereist.
Die diplomatische Offensive Japans in Südostasien und Australien demonstriert das starke wirtschaftliche und strategische Interesse der neuen Administration in Tokio. Es geht ihr um die Zurückdrängung von Chinas wachsender militärischer und kommerzieller Bedeutung. Abe will dafür die große Finanz- und Wirtschaftskraft Japans mit einem Ausbau der maritimen Fähigkeiten kombinieren. "Die strategische Umgebung in der Asien-Pazifik-Region ändert sich drastisch", betonte Abe bei seinem Besuch in Vietnam.
Demokratische Sicherheitsallianz
In einem wenig beachteten Aufsatz hatte Abe zum Jahreswechsel seine Überlegungen zur nationalen Sicherheit in Ostasien veröffentlicht. Darin zeigte sich Abe als nationaler Falke, der auf eine Außenpolitik der Selbstbehauptung statt des Kleinmutes setzt und Konfrontation gegenüber Versöhnung bevorzugt. Sein Kerngedanke ist die Bildung eines "demokratischen Sicherheitsdiamanten" in Asien.
Dadurch will Abe das Hegemoniestreben von China eindämmen. "Ich stelle mir eine Strategie vor, bei der Australien, Indien, Japan und der US-Bundesstaat Hawaii einen Diamanten bilden, um das maritime Gemeingut vom Indischen Ozean bis zum westlichen Pazifik zu sichern", schreibt Abe. "Ich bin dazu bereit, in größtmöglichem Ausmaß in Japans Fähigkeiten in diesem Sicherheitsdiamanten zu investieren", verspricht der neue Regierungschef.
"China ängstigt seine Nachbarn"
Im Einzelnen schlägt Abe vor, die Zusammenarbeit mit Indien in den Bereichen Wirtschaft und Verteidigung auszubauen. Die zwei Nationen sollten gemeinsam ihre Verantwortung als Wächter der Bewegungsfreiheit zwischen Pazifischem und Indischem Ozean schultern. Dabei spielt der japanische Regierungschef darauf an, dass China seine Marine kontinuierlich ausbaut.
Es zeichne sich ab, dass das Südchinesische Meer zum "Peking-See" werde, schreibt Abe weiter: "Ein Meer tief genug für die atomgetriebenen U-Boot der Marine der Volksbefreiungsarmee, die in der Lage sind, Raketen mit Atomsprengköpfen abzuschießen. (…) Bald werden neue Flugzeugträger zum allgemeinen Bild gehören - ausreichend genug, um Chinas Nachbarn zu ängstigen."
Japan will unnachgiebig sein
Bei dieser Analyse denkt Shinzo Abe auch an die Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer, die offiziell zu Japan gehören, aber unter dem Namen Diaoyu auch von China beansprucht werden. Durch die als normal wirkende Präsenz von Schiffen in der Region wolle China seinen juristischen Anspruch auf das Territorium zu einer vollendeten Tatsache (Fait Accompli) machen, so Abe. Diesem Anspruch werde Japan jedoch nicht nachgeben. Dieser strategischen Linie folgte der japanische Premierminister auch bei seiner viertägigen Asien-Tour.
Dabei suchte Abe innerhalb der regionalen Gemeinschaft ASEAN neue chinakritische Partner für Japan. In Indonesien stellte der konservative Japaner die fünf Leitlinien seiner neuen ASEAN-Politik vor. Mehr als die Hälfte davon dienen der Abgrenzung von China. Erstens werde Japan zusammen mit Asien sich für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte einsetzen – drei Bedingungen, die von China nicht erfüllt werden.
Verteidigung des Rechtsstaates
Zweitens wolle Japan zusammen mit ASEAN die Rechtsstaatlichkeit verteidigen, so Abe - auch dies ein verdeckter Angriff auf China, da die Senkaku-Inseln völkerrechtlich zu Japan gehören. Drittens will Abe die Bewegung von Menschen, Kapital und Diensten verstärken, damit sich Japans Wirtschaft erholt und der Wohlstand der ASEAN-Staaten wächst. Als Punkte 4 und 5 nannte Abe die Entwicklung der verschiedenen Kulturen und den Jugendaustausch.
Doch die diplomatische Offensive von Japan stößt nicht nur in China auf Kritik. Auch der japanische Sicherheitspartner USA reagiert besorgt. Kurt Campbell, Gesandter von US-Präsident Barack Obama für Ostasien, stellte nach Gesprächen in Tokio klar, dass Washington eine "ruhige" Diplomatie bevorzuge. "Kühle Köpfe" seien gewünscht, damit Frieden und Stabilität erhalten blieben. Zuvor hatte der japanische Außenminister Kishida China für die Eskalation der Spannungen verantwortlich gemacht.