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Brüssels Klein-Afrika

Ruth Reichstein, Brüssel10. Februar 2009

Bunte Stoffe, Kokosnussöl für die Haare, und Yamwurzeln: Das alles gibt’s mitten in Brüssel. Rund um die U-Bahn-Haltestelle "Porte de Namur" ist von den Bars bis zu den Friseuren alles afrikanisch: Kongo-Town in Belgien.

Matongé - Brüssels Klein-AfrikaBild: picture-alliance/dpa

Matongé – so heißt in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, ein Viertel, in dem besonders viel los ist. "Deshalb haben wir unser Viertel hier genauso genannt", erklärt Emerance. Seit fünf Jahren lebt die Kongolesin im Brüsseler Stadteil Matongé. Ein Stück Afrika mitten im kalten Belgien.

Fisch aus der Heimat

Sie trägt einen weiten, langen Rock aus mehreren bunten Stoffbahnen und auf dem Kopf ein blaues Tuch, das sie zu einem Turban geknotet hat. In Brüssel fühlt sie sich zuhause. Auf der Straße wird sie von fast jedem Afrikaner gegrüßt und respektvoll mit "Mama" angeredet. Mantongé, das sei wirklich Afrika, sagt die Ladenbesitzerin Germaine. "Wir verkaufen alles, was afrikanisch ist – afrikanischen Stoff und afrikanische Nahrungsmittel." Bei ihr gibt es neben vielen anderen Dingen gesalzene und geräucherte Fische, Bitoké, eine kurze Banane aus Uganda und Süßkartoffeln aus dem Kongo und aus Ghana."

Ex-Kolonialviertel

Im Laden von Germaine bekommt man alles für die afrikanische Küche. Deshalb kommen auch viele Afrikaner, die nicht in Matongé wohnen, regelmäßig in das Viertel. Mindestens einmal in der Woche, sagt Emerance – um einzukaufen oder einfach nur um Freunde zu treffen. Das Viertel sei in den 50er und 60er Jahren entstanden, weil dort die Kolonialbüros für den Kongo gewesen seien, erklärt Daniel de Castelle von der zuständigen Stadtverwaltung. "Zunächst kamen also die Kolonialisten hierher, wenn sie in Belgien zu Besuch waren. Aber auch die Afrikaner kamen bald, um zu studieren oder zu arbeiten." Andere Kongolesen sind vor dem Krieg in ihrem Heimatland geflüchtet. Für Emerance war der Abschied aus Kinshasa schwer.

Sehnsucht nach dem Ehemann

"Bei uns war Krieg und ich war krank. Deshalb musste ich hierher kommen", erzählt Emerance. "Ich fühle mich wohl hier, aber es gibt schon Dinge, die mir fehlen. Zum Beispiel mein Mann, der noch immer in Kinshasa ist. Er arbeitet dort. Und ich bin hier – weit weg." Die Gründe für das belgische Exil sind vielfältig und sie haben sich über die Jahre hinweg verändert. Während in den 50er Jahren in erster Linie reiche Afrikaner, die mit den Kolonialisten zusammengearbeitet haben, gekommen sind, machen sich heute vor allem Flüchtlinge auf den Weg nach Brüssel.

Ab- und Aufstieg von Matongé

Das belgische Matongé erlebte in den 90er Jahren einen sozialen Verfall – wie auch der Kongo. "Wegen den politischen Veränderungen im Kongo wurde die Bevölkerung auch hier ärmer. Das hat natürlich Probleme nach sich gezogen: Kleinkriminalität, Drogenhandel, und so weiter", sagt Daniel de Castelle. Außerdem sei das Viertel von der Gemeindeverwaltung völlig vernachlässigt worden. Vor sechs Jahren seien dann zwei Menschen ermordet worden. "Da war klar, dass man etwas tun musste", sagt Daniel de Castelle. Die Gemeindeverwaltung hat seitdem mehrere Projekte zur Rettung von Matongé ins Leben gerufen. Es gibt jetzt eine eigene Polizei-Dienststelle und Sozialarbeiter. Das Viertel erholt sich langsam. Und die Bevölkerung von Matongé wird immer heterogener. Nur rund acht Prozent der Bewohner sind Afrikaner. Die Mieten sind hier zu teuer. Also verbringen die Einwanderer tagsüber viel Zeit auf den Straßen und abends in Restaurants, Bars und Diskotheken, bevor sie in die verschiedenen Viertel zum Schlafen zurückkehren. Und sogar aus Deutschland und Holland kommen Familienangehörige und Freunde zum Plauschen am Wochenende. Matongé ist der Treffpunkt. Ein Stück Afrika eben.