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Teilerfolg - und schlechte Stimmung in Brüssel

Barbara Wesel, Brüssel5. Dezember 2015

Wenigstens bei der Speicherung von Flugpassagierdaten gelingt den EU-Innenministern ein Durchbruch. Griechenland scheint jetzt besser zu kooperieren. Aber die Flüchtlingspolitik steckt fest. Aus Brüssel: Barbara Wesel.

Brüssel Treffen EU- Justiz / Innenminister
Bild: picture-alliance/dpa/L. Dubrule

Die Stimmung ist schlecht in Brüssel. Die EU-Mitgliedsländer sind sauer auf Griechenland, weil Athen weder die Außengrenzen zur Türkei schützt, noch Migranten richtig registriert. Abgesehen davon steckt die Debatte über die Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen fest, weil die Differenzen zwischen Osteuropäern sowie Deutschland und Schweden kaum noch überbrückbar scheinen. Und seit die Slowakei und Ungarn Klage gegen die beschlossene Umverteilung vor dem EuGH erhoben haben, ist die Lage vollends verhärtet. Das slowakische Verhalten sei in der Sache und im Ton indiskutabel, heißt es dazu von deutscher Seite. Schlimmer kann es kaum kommen.

Erfolg im Kampf gegen Terror

Angesichts dieser verhärteten Fronten sind die Innenminister umso dankbarer für einen Erfolg. Unter dem Druck der Anschläge von Paris konnten sie jetzt einen jahrelangen Stillstand knacken und eine Regelung zur Speicherung von Flugpassagierdaten vereinbaren. Auch die bisherigen Neinsager im Europaparlament akzeptieren jetzt den Kompromissvorschlag. Sechs Monate lang, so der Plan, sollen künftig die Daten aller ein- und ausreisenden Fluggäste in der EU gespeichert werden. Danach werden sie verschlüsselt und dürfen maximal bis zu fünf Jahren aufgehoben werden. Ausgetauscht werden die Daten über nationale Datenbanken, die zu dem Zweck in allen Mitgliedsländern eingerichtet werden sollen.

Für die Flugreisen innerhalb der EU fanden die Innenminister einen Ausweg: Weil das EP diesen Punkt blockierte, vereinbarten die Länder auf freiwilliger Basis, dass auch die Daten dieser Passagiere gespeichert werden können. Frankreich hatte zunächst eine weit längere Speicherzeit gewünscht, gab sich jetzt aber mit dem Kompromiss zufrieden. Überhaupt war diese Einigung nur auf dem Hintergrund der erhöhten Terrorgefahr möglich. Die ungehinderte Reisetätigkeit einiger Attentäter, die an den Anschlägen von Paris beteiligt waren, hat viele in Brüssel aufgeschreckt. Die Mitgliedsländer haben nun zwei Jahre Zeit, um die Neuregelung in nationales Recht umzusetzen. Das Europaparlament will spätestens Anfang Januar grünes Licht geben.

Griechenland gibt nach

Am Abend vor dem Treffen der Innenminister hatte Athen endlich nachgegeben und um die Hilfe der EU bei der Registrierung und Aufnahme von Flüchtlingen und beim Schutz der Außengrenzen gebeten. Bis dahin hatte die Regierung Tsipras alle Forderungen aus Brüssel einfach unterlaufen: Die Einrichtung der sogenannten Hotspots kam nicht voran, die gelieferten Geräte zur Abnahme der Fingerabdrücke wurden nicht eingesetzt, ebenso wenig die zur Verfügung gestellten Frontex Beamten zur Unterstützung der griechischen Behörden.

Mit Hilfe der EU-Kommission starteten die Innenminister schließlich einen kreativen Erpressungsversuch. Griechenland sollte bis zu zwei Jahre lang aus der der Schengen Zone ausgeschlossen werden, wenn es nicht endlich seine Außengrenzen gegen den ungebremsten Zustrom von Flüchtlingen schützen würde. Alexis Tsipas verstand die Botschaft und nahm endlich die gebotene Hilfe an. Wie weit sich deshalb die Kontrolle über die Seegrenze zur Türkei verbessert, bleibt allerdings abzuwarten. "Die Lage dort ist mangelhaft", kritisierte Bundesinnenminister Thomas de Maizière einmal mehr. Und von der geforderten Aufnahmekapazität für 50.000 Flüchtlinge sei ebenfalls noch nichts zu sehen. Für die in Griechenland gestrandeten Menschen wird die Situation immer schwieriger.

Was will Donald Tusk mit seinem Interview?

In die angespannte Lage in Brüssel schlug das Zeitungsinterview von Ratspräsident Donald Tusk wie ein Meteor ein: Er fordert eine Wende in der Flüchtlingspolitik und will die Tore nach Europa so weit wie möglich verschließen. Kritiker sehen Tusks ungewöhnlichen Vorstoß als Affront gegen die Bundeskanzlerin und eine Stärkung der Ablehnungsfront in Osteuropa. Von deutscher Seite hieß es nur lapidar, man diskutiere nicht jedes Interview. Dennoch wird weiter gerätselt warum der Präsident, sich so aus dem Fenster gehängt hat.

EU-Ratspräsident Tusk: Umstrittenes InterviewBild: Getty Images/AFP/T. Charlier

Eine eigene Lesart vertritt Judy Dempsey vom Politikforschungsinstitut Carnegie Europe: "Politisch und moralisch erledigt Tusk die schmutzige Arbeit. Er reagiert mit seiner Einlassung auf einen enormen Druck aus dem Mitgliedsstaaten, demgegenüber Deutschland sich nur noch schwer behaupten kann". Indem er der Widerstandsfront quasi eine institutionelle Stimme gibt, verschaffe er der Bundeskanzlerin etwas Zeit und Spielraum. Tusk sage als Ratspräsident Dinge, die Angela Merkel nicht sagen könne. Das Interview wäre danach eher als eine Art Entlastungsangriff zu verstehen, und nicht als Affront gegen die deutsche Position, wie viele Kritiker vermuteten.

Insgesamt aber gebe die EU in der Flüchtlingskrise ein zunehmend jämmerliches Bild ab, so die Politik-Beobachterin. Auch Tusk betone in seinem Interview nur die Sicherheitsaspekte. Die humanitäre Seite aber, dass hundertausende Menschen auf der Flucht sind vor Krieg und Verfolgung, interessiere kaum noch jemanden. Die einzigen Länder, die für Europa die Fahne der Menschlichkeit hochhielten, seien Deutschland und Schweden.

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