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Politik

Ein Treffen und viele Fragezeichen

5. Februar 2019

Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras fährt zu einem zweitägigen Besuch nach Ankara und Istanbul. Ob diese Reise in die Türkei sinnvoll ist? Da sind sich viele Griechen nicht so sicher.

Griechenland Erdogan zu Besuch in Athen
2017 war Erdogan in Athen - als erster türkischer Präsident nach 65 JahrenBild: picture-alliance/AP Photo/dpa/T. Stavrakis

"Besuch im Mienenfeld" titelt die Athener Zeitung TA NEA. Ein "türkisches Abenteuer" vermutet das Online-Portal In.Gr. Am Dienstag trifft sich Linkspremier Alexis Tsipras mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara. Anschließend reist er weiter nach Istanbul zu einem Gespräch mit dem orthodoxen Patriarchen Bartholomäus I.

Im Dezember 2017 war Erdogan nach Athen gekommen - als erster türkischer Präsident nach 65 Jahren, der dem Nachbarland einen Besuch abstattete. Deutliche Zeichen der Versöhnung?

Griechenlands Regierungssprecher Dimitris Tzanakopoulos scheint davon auszugehen: "Beide Seiten werden konstruktiv mitarbeiten, damit wir eine Lösung für unsere bilateralen Probleme finden", erklärte er auf einer Pressekonferenz.

Reisen, nur um zu reden? 

Nicht alle teilen allerdings diesen Optimismus. Angelos Syrigos, Professor für Europastudien an der Panteion-Universität zu Athen, sieht keinen konkreten Anlass für den Tsipras-Besuch. Zwischen Athen und Ankara sei es wichtig, die Kommunikation zu pflegen, meint Syrigos im Gespräch mit der DW. Andererseits: "Wer einen Besuch nur der Kommunikation wegen antritt, läuft Gefahr, mit der Agenda des Gastgebers konfrontiert zu werden", mahnt der Politikwissenschaftler.

Zypern ist immer noch geteilt - in einen griechischen und einen türkischen TeilBild: picture-alliance/AP Photo/P. Karadjias

Die Griechen sehen sich durch territoriale Ansprüche der Türkei in der Ägäis bedroht. Für Spannungen sorgt auch die Lage der türkischen Minderheit in Thrakien, die aus griechischer Sicht gar nicht türkisch, sondern "muslimisch" ist - weil sie nicht durch ethnische Merkmale gekennzeichnet sei. Ankara pocht darauf, dass die Minderheit ihren religiösen Führer, den Mufti, direkt wählt.

Erdogan werde dies beim Tsipras-Besuch ansprechen, glaubt Syrigos. Allerdings: "Athen weist darauf hin, dass der Mufti nicht nur religiöse, sondern auch richterliche Funktionen ausübt und deshalb aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht direkt gewählt wird."

Neue Impulse nach Beilegung des Mazedonien-Streits?

Immerhin müssen sich Tsipras und Erdogan um ein Problem weniger kümmern: Das türkische Außenministerium begrüßt die Beilegung des Namensstreits um Mazedonien. Noch vor wenigen Monaten mahnte Erdogan, Ankara sei mit Skopje "brüderlich verbunden" und er unterstütze "Mazedonien" im Namensstreit.

Mit diesem Hubschrauber flohen die acht türkischen Offiziere nach Griechenland - und bekamen AsylBild: Getty Images/AFP

Verschwörungstheorien machten daraufhin die Runde in Hellas: Angeblich hätten sich Ankara und Skopje auf eine Allianz zu Lasten Athens geeinigt. Nun sorgt Tsipras für Aufsehen mit der Aussage, der Kompromiss im Namensstreit könnte den Bemühungen um eine Lösung der Zypernfrage neue Impulse geben. Dies erklärte Tsipras im Gespräch mit dem zypriotischen Präsidenten Nikos Anastassiadis vergangene Woche in Nikosia.

Politikwissenschaftler Syrigos bezweifelt jedoch, dass es in Ankara zu ernsthaften Zypern-Gesprächen kommt. "Seit Jahrzehnten lautet die Athener Position, es gehe hier nicht um eine Verhandlung zwischen Griechenland und der Türkei, sondern zwischen Zypern und der Türkei. Dabei bleibt es, auch wenn die Republik Zypern von der Türkei nicht anerkannt wird", sagt Syrigos.

Terroristen oder bedrohte Bürger?

Einen neuen Streitpunkt bildet der Zwist um acht türkische Offiziere, die 2016 nach dem misslungenen Putschversuch nach Griechenland flohen und dort Asyl erhielten. "Wir werden sie packen, in die Türkei zurückbringen und sie der türkischen Justiz übergeben", drohte der türkische Vize-Regierungschef Bekir Bozdag 2018. Erdogan verlangt die Auslieferung der Offiziere mit der Begründung, sie seien Terroristen und mitverantwortlich für den Putsch. Der Oberste Gerichtshof Griechenlands hat aber eine Auslieferung abgelehnt.

Laut Medienberichten wolle Erdogan am Dienstag das Thema erneut ansprechen. Mit Sorge registriert man in Athen den jüngsten Beschluss des Nationalen Sicherheitsrates in der Türkei: Es sei "inakzeptabel, dass einige Länder flüchtige Mitglieder von Terrororganisationen nicht ausliefern", heißt es dort.

Energieprojekte bleiben auf der Agenda

Neue Spannungen, aber auch Chancen bringen die anstehenden Energie-Projekte im östlichen Mittelmeer. Es geht vor allem um die Erdgasförderung vor der Küste Zyperns. Dort stieß 2011 erstmals eine Probebohrung des US-Konzerns Noble Energy auf Gasfelder, heute sind Energieriesen aus Frankreich, Italien und den USA in der Region tätig. Angepeilt ist eine Zusammenarbeit zwischen Griechenland, Ägypten und Zypern im Energiebereich, wobei der Mittelmeerinsel eine führende Rolle zukommt.

Die Türkei sträubt sich dagegen, da sie die Republik Zypern nicht anerkennt und zudem befürchtet, dass die Einnahmen nur den Inselgriechen und nicht auch den türkischen Zyprioten zugute kommen.

Gasvorkommen vor Zypern sind Zankapfel - könnten aber auch ein Grund zur Zusammenarbeit werdenBild: picture-alliance/dpa/AP Photo/P. Karadjias

Türkische Rhetorik müsse man nicht immer für bare Münze nehmen, meint Alex Lagakos, Mitbegründer des Athener Think-Tanks "Greek Energy Forum (GEF)". Immerhin gehe die Gasförderung südlich von Zypern voran, sagt der Energieexperte der DW. Hindernisse gäbe es in Gewässern, die von den Türken als eigene "ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ)" angesehen würden.

Lagakos weist aber auch auf eine gute Nachricht hin: "Neulich ist es einer griechischen Privatfirma erstmals gelungen, einen Vertrag über direkte Gas-Lieferungen aus der Türkei auszuhandeln", sagt er. Darauf könne man in Zukunft bauen. Schließlich seien sich Griechenland und die Türkei 2005 durch eine Pipeline bei Alexandroupolis näher gekommen. "Nun geht es darum, das Potential für die Zusammenarbeit im Energiebereich auszuschöpfen", sagt der Energieexperte.

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