1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Kurze Leine für Seenotretter

25. Juli 2017

Wenn Hilfsorganisationen Migranten aus dem Mittelmeer bergen, sind sie an internationales Recht gebunden. Italien will die Einsätze nun an weitere Vorschriften knüpfen. Private Retter fühlen sich kriminalisiert.

Privates deutsches Rettungsschiff auf Mittelmeer in Seenot Jugend rettet Iuventa
Das private deutsche Rettungsschiff der Organisation Jugend Rettet im Mittelmeer Bild: picture alliance/dpa/IUVENTA Jugend Rettet e.V.

Täglich werden Flüchtlinge auf ihrem gefährlichen Weg von Afrika nach Europa aus dem Mittelmeer geborgen. Rettungsschiffe bringen sie in italienische Häfen. Mehr als 93.000 Menschen trafen dort seit Jahresbeginn ein. Die italienischen Behörden sehen sich hoffnungslos überfordert. Im Innenministerium in Rom wollen deshalb Regierungsbeamte mit privaten Seenotrettern über einen Verhaltenskodex beraten, der klare Regeln für die Einsätze im Mittelmeer vorschreibt. An dem Treffen nehmen unter anderen die Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und Jugend Rettet teil. Mit seinem Vorstoß erhielt Italien Rückendeckung von den EU-Partnern. Bei den Nichtregierungsorganisationen (NGO) sorgte der römische Entwurf des Regelkatalogs, der insgesamt zwölf Punkte umfasst, jedoch schon im Vorfeld für Kritik. 

Sie wiesen darauf hin, dass sich ihr Engagement ohnehin in einem von italienischen Behörden und internationalem Recht vorgegebenen Rahmen bewegt. Die NGOs sind ins Zentrum der Diskussion gerückt, seit ein sizilianischer Staatsanwalt Ende April einigen von ihnen vorwarf, von Schleppern finanziert zu sein. Belege dafür gibt es nicht. Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex konstatierte, die Seenotretter befeuerten oftmals mit ihren Einsätzen unbeabsichtigt die Arbeit der Schlepper.

Künftig sollen alle Geretteten von den Hilfsorganisationen auch selbst in italienische Häfen gebracht werden Bild: picture alliance/dpa/L.Klimkeit

Ortungsgeräte müssen an sein, keine Lichtsignale ...

Der sogenannte Code of Conduct soll die Hilfsorganisationen unter anderem dazu verpflichten, nur im äußersten Notfall in libysche Hoheitsgewässer einzudringen - so wie es auch das internationale Seerecht vorschreibt. Den Helfern wird untersagt, Ortungsgeräte abzuschalten. Außerdem sollen sie Behörden, auch der Kriminalpolizei, Zugang zum Schiff gewähren und ihre Finanzierung offenlegen. Auch nimmt der Verhaltenskodex eine Anschuldigung auf, die von der italienischen Staatsanwaltschaft geäußert und von NGOs stets zurückgewiesen wird: Demnach ist es künftig explizit verboten, mit Lichtsignalen Schmuggler an der libyschen Küste zu ermuntern, Boote mit Migranten auf das Meer zu schicken.

Aus Sicht einiger Hilfsorganisationen ist der Verhaltenskodex eine weitere Kriminalisierung ihres Engagements im Mittelmeer. Ob sie der Vereinbarung noch an diesem Dienstag zustimmen werden, ist unklar. Zuletzt hieß es, man sei noch in der rechtlichen Prüfung des Entwurfs.

Helfer sortieren Schwimmwesten Bild: picture alliance/dpa/Iuventa Jugend Rettet

Wer rettet, soll die Flüchtlinge im Hafen abliefern

Für kleine NGOs wird es zumindestens in einem Punkt schwierig, den Code of Conduct in seiner jetzigen Form anzunehmen. Wer im Mittelmeer rettet, soll künftig auch selbst die Menschen in einen Hafen bringen. Organisationen mit kleineren Booten geben Gerettete jedoch an größere Schiffe ab und bleiben in der sogenannten Search and Rescue Zone nahe der libyschen Seegrenze.

"Wir werden immer mehr eingebunden, die staatlichen Akteure ziehen sich zurück und gleichzeitig wird unsere Arbeit als tendenziell dubios dargestellt", kritisierte eine Nichtregierungsorganisation in diesem Zusammenhang. Es sei diskriminierend, dass NGOs, nicht aber Handelsschiffe, Fischer oder Kriegsschiffe, die ebenso Menschen aus dem Wasser retteten, an einen Verhaltenskodex gebunden werden sollen, beklagte die Rechtswissenschaftlerin der Londoner Queen Mary University, Violeta Moreno-Lax.

EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos würdigte ausdrücklich die Einsätze privater Rettungsschiffe im Mittelmeer. "Wir müssen den NGOs sehr dankbar sein", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Die Situation werde von Menschenschmugglern missbraucht, nicht von den NGOs.

Zuletzt wurden am Montag etwa 600 Migranten aus dem Mittelmeer aufgenommen - von den Organisationen Ärzte ohne Grenzen und der maltesischen Hilfsorganisation MOAS (Migrant Offshore Aid Station) sowie der libyschen und der italienischen Küstenwache.

se/jj (dpa, afp, rtr)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen