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Politik

Ein Vorstoß aus dem Südosten Europas

Jannis Papadimitriou
9. Oktober 2019

Gemeinsam drängen Griechenland, Zypern und Bulgarien auf eine Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU. Ein Gegengewicht zur Visegrad-Gruppe?

Griechenland Flüchtlinge besteigen Fähre auf Lesbos
Bild: Getty Images/AFP/A. Pazianou

Entscheidungen zur Flüchtlingspolitik waren bei den Beratungen der EU-Innenminister am Dienstag (8.10.) in Luxemburg nicht zu erwarten. Für drei Staaten Südosteuropas bot das Treffen dennoch eine Gelegenheit, um auf die dramatische Lage der Flüchtlinge in der Region hinzuweisen: In einem gemeinsamen Papier forderten Griechenland, Zypern und Bulgarien einen Verteilungsmechanismus in der EU für die aus Seenot geretteten Menschen. Vermutlich keine Zufallskoalition: Die Athener Zeitung Kathimerini berichtet von einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Südosteuropäern in der Flüchtlingspolitik im Rahmen der sogenannten Eastern Mediterranean Migration Route Initiative (EMMRI). Den ersten Anlauf gab es in Luxemburg. "Wir wollen unseren EU-Partnern eine klare Botschaft vermitteln", erklärte dazu der stellvertretende Außenminister Griechenlands Jorgos Koumoutsakos. 

Offen bleibt die Frage, ob der Vorstoß Aussicht auf Erfolg hat? Die Chancen seien gering, glaubt der Athener Politikwissenschaftler Jorgos Tzogopoulos. "Europäische Hilfe beschränkt sich in der Regel auf die Betreuung von Flüchtlingen innerhalb Griechenlands, eine gerechte Umverteilung lässt auf sich warten", sagte er egenüber der DW. Dabei drängt die Zeit: In den ersten neun Monaten dieses Jahres kamen mehr als 45.000 Flüchtlinge und  Migranten über die Türkei auf die Inseln der östlichen Ägäis und somit in die EU. Im gesamten Jahr 2018 waren es weniger als 33.000. Auch Zypern sei von den Flüchtlingsströmen überproportional hoch betroffen, klagt Levteris Christoforou. Der Ökonom sitzt im EU-Parlament für die in Nikosia regierende konservative Partei DISY. Konkrete Aussichten auf eine Kontingentlösung sieht auch Christoforou nicht. Dennoch: "Eine Lösung kann es nur innerhalb Europas geben, deshalb müssen wir weiterhin in dieser Richtung zusammenarbeiten - und zwar mit allen Ländern die bereit sind, mitzumachen", mahnte der Europapolitiker aus Zypern im Gespräch mit der DW. 

Bundesinnenminister Horst Seehofer zu Gast bei Kyriakos Mitsotakis (re.) am 4.10.Bild: picture-alliance/dpa/T. Stavrakis

Eine Schlüsselrolle für die Türkei

In ihrem gemeinsamen Papier an den EU-Rat weisen Griechenland, Zypern und Bulgarien nicht zuletzt auf den EU-Türkei-Deal von 2016 hin. Dort heißt es unter anderem, irreguläre Migranten, die auf griechischen Inseln landen, würden "in die Türkei zurückgebracht". Deshalb fordern die Südosteuropäer mehr Rückführungen von Migranten, deren Asylantrag abgelehnt wird. Allerdings dringt auch die Türkei selbst auf Rückführungen aus dem westlichen Nachbarland und deutet damit an, dass Griechenlands Asylbehörden ihre Hausaufgaben kaum erledigen. Nicht zuletzt in Brüssel regt sich gelegentlich Kritik an den griechischen Behörden. Politikwissenschaftler Tzogopoulos sieht das anders: "Griechenland muss das Problem allein bewältigen, während die meisten Länder Europas ihrerseits nur das Nötigste tun" klagt er. Schwierigkeiten gäbe es in der Tat auf den griechischen Inseln. Aber sie böten den EU-Partnern lediglich einen Anlass, von der eigenen Verantwortung abzulenken, glaubt der Analyst.

Für neue Aufregung sorgt in Hellas der bevorstehende türkische Einmarsch in Nordsyrien. Nicht nur weil durch den Angriff auf die Kurdenmiliz YPG der Islamische Staat (IS) erneut gestärkt würde, sondern auch, weil der Militäreinsatz noch mehr Menschen in die Flucht treiben könnte. Tzogopoulos glaubt, noch sei nicht klar, wie die türkische Militäroffensive auf die Region auswirkt. Eins stehe jedoch fest: "Letzten Endes wird sich Europa erneut für die vermeintlich leichte Lösung entscheiden und einfach mehr Geld schicken, damit die Lebensbedingungen in den Flüchtlingscamps verbessert werden". 

Eine Gegenstimme zu Visegrad

Vor allem die osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten der sogenannten "Visegrad-Gruppe" lehnen eine Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU ab. Daran hat sich auch in Luxemburg nichts geändert. Griechenlands Regierungschef Kyriakos Mitsotakis reagiert zunehmend gereizt. "Es kann nicht sein, dass man die Vorteile des Schengen-Raums genießt, aber sich weigert, im Rahmen einer europäischen Gesamtlösung auch nur 1.000 oder 2.000 Flüchtlinge aufzunehmen und stattdessen die Verantwortung Ländern an den Außengrenzen Europas zuschiebt", erklärte er kürzlich im Parlament. Laut Medienberichten drängt der konservative Politiker auf ein offenes Gespräch beim anstehenden EU-Gipfel (17.10.). In naher Zukunft will Mitsotakis dem Vernehmen nach Sanktionen für die osteuropäischen Staaten fordern, die ihrer "Solidaritätspflicht" nicht nachkommen. 

Die Überreste der Flüchtlinge nach Erreichen der griechischen Insel Lesbos. Bild: Getty Images/AFP/A. Tzortzinis

Ob der gemeinsame Auftritt von Griechenland, Zypern und Bulgarien in diesem Zusammenhang einen Gegenpol zur Visegrad-Gruppe bildet, bleibt eine noch unbeantwortete Frage. Diese will EU-Parlamentarier Christoforou nicht auf Anhieb bejahen. Offenbar will er den Eindruck vermeiden, die betroffenen Länder nähmen eine Blockadehaltung in Brüssel ein. Mit der Republik Zypern pflegt Athen ohnehin ein enges Verhältnis. Auch mit Bulgarien kommt sich Hellas derzeit näher - nicht nur in der Flüchtlingspolitik: Am Mittwoch (9.10.) unterzeichnen die Energieminister beider Länder aller Voraussicht nach ein Abkommen zum Bau einer Erdgas-Pipeline. Davor war der griechische Außenminister Nikos Dendias zu Gast in Sofia. Auf seiner Agenda: Terrorismusbekämpfung und eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit.

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