Ein Wein mit langer Geschichte
27. Oktober 2014Wilhelm Weil empfängt im Wohnhaus seines Großvaters. Er führt das Weingut in vierter Generation Er ist einer der großen Riesling-Produzenten im hessischen Rheingau. Draußen bescheint die Herbstsonne die Weinberge, drinnen beleuchten historische Deckenlampen den hölzernen Boden und die gerahmten Speisekarten. Zur Mittagstafel des damaligen Königs von Preußen wurden Weine aus dem Hause Robert Weil gereicht. Auch der russische Zar oder das Wiener Kaiserhaus schätzten den Weißwein und zahlten für die Kiedricher Auslese von 1893 stolze 16 Goldmark pro Flasche.
Der deutsche Riesling
Doch das ist lange her. Das Weingut Robert Weil ist nicht mit der Geschichte stehen geblieben, sondern heute eine hochmoderner Weinbaubetrieb. Hier setzt man ausschließlich auf Riesling. "Deutschland ist der Nabel der Riesling-Welt, 60 Prozent der weltweiten Flächen liegen in Deutschland", sagt Wilhelm Weil selbstbewusst.
Vom Rhein bis zum Taunus
In seiner Heimat Rheingau nimmt der Riesling sogar fast 80 Prozent der verfügbaren Fläche in Anspruch. "Rheingau ist Riesling und Riesling ist Rheingau", wirbt die Region für sich. Auch wenn der Rheingau mit knapp 2500 Anbaufläche zu den kleineren Weinanbaugebieten Deutschlands gehört, so sind die Weinberge geologisch doch sehr vielfältig: Von tieferen Lagen direkt am Rhein bis hin zu Höhenlagen an den Ausläufern des Taunusgebirges. Die steinhaltigen, trockenen Böden und die eher kühle Lage begünstigen den Riesling.
Das Wetter entscheidet
Im Herbst gibt es bei Wilhelm Weil jeden Tag eine Erntebesprechung. Wie lange lässt man die Trauben hängen, damit sie die volle Qualität entfalten? Der Winzer muss abwägen. Der Riesling hat kleinere Früchte und eine spätere Reife. Aber plötzlich schlechtes Wetter kann die Qualität stark beeinträchtigen oder gar zu Fäulnis führen.
"Jedes Jahr ist wie ein kleines eigenes Leben mit Geburt, Jugend, Reife/Alter und Ernte/Tod. Natürlich gibt es Mittel und Wege, uniforme Weine auch in hoher Qualität gleichbleibend zu produzieren. Trotzdem ist jeder Wein und jedes Jahr einzigartig, und beide haben ihren eigenen Werdegang und Charakter. Der Winzer hat nur einmal die Chance, diese zu interpretieren und etwas daraus zu machen.“, sagt Eva Fricke. Sie ist Winzerin im Rheingau.
Nur 600 Liter
Die junge Frau kam 2006 aus Norddeutschland, zog in ein altes, still gelegtes Weingut in Kiedrich und fing mit weniger als einem Viertelhektar Pachtfläche und 600 Liter Wein an. Heute bewirtschaftet sie 6 Hektar und produziert ca. 30.000 Flaschen. Der Großteil davon geht in den Export. "Riesling ist für mich der Inbegriff von Finesse, Eleganz, Individualität und Moderne und Tradition zugleich, wenn es um Wein geht", betont sie.
Weine aus dem Kloster
Nicht weit von dem kleinen Weingut Frickes entfernt liegt Kloster Eberbach, das mit Abstand größte Weingut Deutschlands. 250 Hektar werden bebaut, davon 80 Prozent der Fläche mit Weißweinen, natürlich überwiegend Riesling. Schon vor 600 Jahren bauten die Zisterziensermönche hier Wein an. Seit 1805 ist das Weingut im Staatsbesitz. Geschäftsführer Dieter Greiner zeigt den Hospitalkeller, in dem der Wein in alten Fässern lagert. Die dunkle, modrige Decke ist mit Weinkellerpilz überzogen, es ist kalt und feucht.
Oslo die Rieslingstadt
Greiner hat den Betrieb modernisiert und auch neue Exportmärkte erschlossen. "Es gibt keine deutsche Großstadt, in der sie in den Restaurants so viel Riesling finden wie in der norwegischen Hauptstadt Oslo", sagt er stolz. Skandinavien ist einer seiner wichtigsten Auslandsmärkte. "Den Steinberger Riesling von Kloster Eberbach bekommen sie auch schon am Flughafen", erzählt er lachend.
Qualität statt Quantität
Für das Weingut Robert Weil ist neben Deutschland Großbritannien ein wichtiger Absatzmarkt, verkauft wird aber auch in die USA und nach Asien. Die Rieslinge gelten als hochpreisig, sind aber immer noch deutlich günstiger als viele Rotweine aus Bordeaux. 22 US-Dollar kostet die Flasche Gutsriesling von Weil in New York. Er verweist auf die besondere Qualität des Weißweins. Die Menge wird bewusst begrenzt. Qualität geht vor Ertrag. Für den Wein aus der Ernte 2014 ist er optimistisch. "Mengenmäßig war es nur durchschnittlich, aber qualitativ sehr gut. Es wird ein Jahrgang mit ganz vielen Facetten werden."
Wilhelm Weil ist auch Präsident des Verbandes deutscher Prädikatsweingüter, VDP, im Rheingau. Er hat ein Ziel vor Augen: "Ich möchte, dem Rheingauer Riesling zu dem Glanz verhelfen, den er einst hatte. Aber mit Demut und Bodenständigkeit."