Die WG der Superhirne
2. Januar 2013Clara Freißmuth und Susanne Zwirlein lieben den Musiksaal der Münchner Stiftung Maximilianeum, denn der Raum ist hoch und der Klang trägt. Hier üben die beiden Studentinnen gerne in ihrer Freizeit. Clara spielt Klavier, Susanne Klarinette. Zwei Flügel stehen da wie auf einer Konzertbühne, an der Wand überlebensgroß ein Gemälde, das den bayerischen König Maximilian II. zeigt. Er gründete vor einhundertsechzig Jahren die Stiftung für besonders Begabte, die heute noch seinen Namen trägt. Die Geförderten sollten sich ganz auf ihr Studium konzentrieren können und haben im Haus freie Kost und Logis.
Die Umgebung regt an: Politiker des Bayerischen Landtags gehen ein und aus in dem weitläufigen Gebäude, denn gleichzeitig ist hier auch noch das bayerische Parlament untergebracht. Davon lebt die Stiftung. Von den Mieteinnahmen werden die Hochbegabten gefördert. Doch höchstens zehn Stipendiaten können jedes Jahr neu aufgenommen werden. Ein Abitur mit der Bestnote 1,0 ist eine Voraussetzung dafür. Aber nicht die einzige, erklärt der Vorstand der Stiftung, Hanspeter Beißer. Denn pro Jahr machen in Bayern immerhin 350 bis 400 Schüler ein so hervorragendes Abitur. "Also müssen wir ein Auswahlverfahren durchführen, das natürlich sehr intensiv ist."
Strenges Auswahlverfahren
Zum einen kann sich keiner selbst für die Aufnahme am Maximilianeum vorschlagen, sondern die Schule muss das nach dem Abitur tun, zum anderen müssen die Bewerber verschiedene Testrunden durchlaufen. Am Schluss steht ein Gespräch im Kultusministerium mit einem Kreis von mehr als einem Dutzend Prüfern und einer Menge interessanter Fragen. "Ich bin da mit keinerlei Ambitionen rangegangen, weil ich glaube, dass zu so etwas immer auch eine Menge Glück gehört", erzählt Susanne Zwirlein. "Und dann habe ich mich ganz nett mit dem Spanischprüfer und in dem Fall auch noch mit der Religionsprüferin über die spanischen Wörter aus dem Arabischen unterhalten."
Die Kandidaten sollen nicht nur ihr Wissen zeigen, so betont Vorstand Hanspeter Beißer, sondern beweisen, dass sie interessiert sind und offen dafür, in einer Gemeinschaft zu lernen. Die zielt im Maxilianeum auch auf die Förderung der hochbegabten Studenten. So gibt es hausinterne Sprachseminare, Tanzkurse oder Philosophiekreise. Außerdem ist es gerne gesehen, wenn die Stipendiaten neben ihrem Studium einige Hobbies pflegen oder sich sozial engagieren. Clara und Susanne musizieren zum Beispiel für Senioren, andere sind im Sportverein oder bei der Freiwilligen Feuerwehr.
Stiefkind Begabtenförderung?
Dass besonders begabte Studenten finanziell im Rahmen eines Stipendiums gefördert werden und dafür neben guten Abiturnoten auch soziales Engagement vorweisen müssen, ist in Deutschland nicht ungewöhnlich. Eine Wohngemeinschaft hochbegabter Studierender aber, wie das Maximilianeum sie bietet, stellt eine Ausnahme dar. "Wir brauchen mehr Förderung besonders begabter Studierender an den Universitäten", fordert daher die Osnabrücker Bildungsexpertin Claudia Solzbacher.
Die Pädagogikprofessorin beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Begabtenförderung. "An den heutigen Massenuniversitäten gehen die Jugendlichen oft unter." Doppelstudium, Sprach- und Philosophiekurse, aber auch der Austausch mit anderen "Superhirnen" - seien es Kommilitonen oder Experten - das sei für diese Studenten wichtig, meint Solzbacher. "Doch in Deutschland haben wir leider, anders als etwa in den USA, eine große Scheu vor Hochbegabung."
Angst vor Ausgrenzung
Kein Wunder, dass auch die meisten Stipendiaten den Begriff "hochbegabt" nicht sehr gerne hören. "Ich finde ihn höchst problematisch, weil er uns vorgaukelt, man könne die Menschen überhaupt klassifizieren", meint etwa Stipendiat Alexander Edlich. Er studiert Physik und Jura - ein Doppelstudium, genauso wie bei Clara. Auch wenn beide ihren Intelligenzquotienten nicht nennen, der für die Bezeichnung "Hochbegabung" bei über 130 liegen muss, so ist doch klar, dass sie zur Elite der deutschen Schüler gehört haben.
Clara hat zwei Mal in ihrer Schullaufbahn Klassen übersprungen. Ihr Abitur hatte sie wenige Wochen nach dem 17. Geburtstag in der Tasche. Die Erfahrung, von Mitschülern nicht nur beneidet, sondern auch ausgegrenzt zu werden, hat sie nicht machen müssen. Auch Susanne war in der Schule trotz Bestleistungen beliebt. "Sicher gab es mal die eine oder andere blöde Bemerkung, wenn es dann wieder Einser regnete", gibt sie zu. "Aber je älter man wurde in der Schule, desto lieber wurde es auch von Mitschülern gesehen, wenn man helfen konnte."
Auslandsstudium gehört dazu
Schon zu Schulzeiten haben die meisten Stipendiaten offenbar gelernt, sich mit ihrer Hochbegabung von den Mitschülern nicht abzugrenzen und auch nicht ausgrenzen zu lassen. Als Studenten sind sie im Maximilianeum nun unter ihresgleichen und sollen über den Tellerrand schauen - und zwar international. Die Stiftung vermittelt daher auch ein Auslandssstudium.
Clara Freißmuth war als sogenannter "visiting student" in Oxford. Hier konnte sie ihre Studienfächer Jura und Philosophie leichter kombinieren als in Deutschland, sagt sie. Und eine besondere Art von Gemeinschaft erleben. "Mein Leben lang werde ich nicht vergessen, wie ich im Achter für Oxford gerudert bin und hunderte Menschen uns zujubelten."