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Eine Ärztin und ein Unternehmer im Rennen um das chilenische Präsidentenamt

Emilia Rojas5. Januar 2006

Die Sozialistin Michelle Bachelet und der Konservative Sebastián Piñera messen ihre Kräfte in der entscheidenden Phase des Präsidentschaftswahlkampfes in Chile. Sie hat gute Chancen, aber auch er gibt sich siegessicher.

Hofft auf ihren Sieg: Michelle BacheletBild: AP

Ein steinreicher Geschäftsmann und eine Kinderärztin kämpfen in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen um die Macht in Chile. Die zwei Kandidaten könnten nicht unterschiedlicher sein. Er: der Inbegriff des Erfolges im kapitalistischen System; sie: eine Sozialistin die während Pinochets Diktatur ins Exil gehen musste und Prestige erlangte im Kabinett des scheidenden Präsidenten Ricardo Lagos, erst als Gesundheits- und später als Verteidigungsministerin, ein Job in dem sie sich als Frau in einer Männerdomäne gut behaupten konnte.

Erinnerung an Berlusconi

Sebastián PiñeraBild: dpa

Sebastián Piñera, Vorsitzender der konservativen Partei Renovación Nacional (RN), ist der klassische Gewinnertyp. Er wirbt mit der langen Reihe seiner Erfolge in diesem Wahlkampf: glänzender Student, brillanter Abschluss im Wirtschaftsstudium mit einem Doktortitel in Harvard und ein außerordentlicher Spürsinn für Geschäfte - das alles macht aus ihm, aus seiner Sicht, einen soliden Hoffnungsträger für die Zukunft des Landes.

Der 56-jährige Unternehmer, der unter anderem einen TV-Sender und einen großen Anteil an der nationalen Fluggesellschaft LAN-Chile besitzt, wäre bereit, seine Aktien zu verkaufen, sollte er die Wahl am 15. Januar gewinnen. Das hat er laut und deutlich angekündigt. Trotzdem fürchten seine Widersacher, dass die Verknüpfung der politischen und wirtschaftlichen Macht, die in diesem Fall zustande kommen würde, katastrophale Folgen für das Land haben würde. In diesem Kontext wird an Berlusconi als abschreckendes Beispiel erinnert.

Die Spuren der Vergangenheit

Was Piñera im Übermaß besitzt - Entscheidungsfreudigkeit und Charakter - wird bei seiner Kontrahentin, Michelle Bachelet, manchmal vermisst. Es mag daran liegen, daß sie keine Freundin der großen Sprüche ist. Ihre Stärke liegt vielmehr in der Fähigkeit, menschliche Nähe zu vermitteln. Die 54-jährige Ärztin erscheint wie eine ganz normale Frau, die sich mit den Problemen jeder Mutter auskennt, die Beruf und Familie vereinbaren muss. Eine Frau, die auch Kraft aus ihrer persönlichen Geschichte schöpft und nach der Wahl am 15. Januar als erste Frau an der Spitze des südamerikanischen Landes stehen könnte.

Anders als Piñera, der die Welt von der sonnigen Seite anscheinend kennt, hatte die sozialistische Kandidatin die Schrecken der Diktatur in ihrer Familie erleiden müssen. Ihr Vater, ein General der Luftwaffe, der bei Pinochets Putsch nicht mitmachen wollte, wurde verhaftet und gefoltert, worauf er einen Herzinfarkt erlitt und aus Mangel an medizinischer Betreuung starb. Auch sie wurde gefoltert und musste das Land verlassen. Einen Teil ihres Exils verbrachte Michelle in der DDR, wo sie Medizin studierte. Auf ihrer Webseite findet man, zwischen ein paar Musikstücken, auch ein Lied von Marlene Dietrich: "Sag mir wo die Blumen sind?" Mit Sicherheit eine Erinnerung an diese Zeit.

Gemeinsamkeiten

Abgesehen von politischem Kampf und allen Unterschieden haben Michelle Bachelet und Sebastián Piñera eine recht freundschaftliche Beziehung. Nicht selten kam es schon vor, dass sie am Urlaubsort zusammen gegrillt haben. Noch eine Gemeinsamkeit: Beide geben eine größere soziale Gerechtigkeit als Ziel an. Und die sozialistische Kandidatin stellt auf keinen Fall das Wirtschaftsmodell - das Piñera so viel Reichtum beschert hat - in Frage. Vielleicht ein gutes Zeichen für die Versöhnung in Chile. Oder ein entmutigendes Signal für diejenigen, die sich einen tiefgründigen Wechsel wünschen. Aber die sind klar in der Minderheit, und haben es nicht in die zweite Wahlrunde geschafft.

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