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Eine Begrenzung haben alle Menschen

17. März 2010

Die Formulierung "Menschen mit Behinderung“ gilt als politisch korrekt. Aber gehört das Wort "behindert“ in diesem Zusammenhang nicht abgeschafft? Es stigmatisiert, grenzt aus und unterstellt Schwächen.

Monoskigfahrer bei den Paralympics (AP Photo/The Canadian Press, Jonathan Hayward)
Wirkt so ein Athlet behindert?Bild: AP

Ein einziges Wort kann erfreuen, es kann aufklären, es kann präzisieren. Es kann aber auch irreführen, falsch oder verletzend sein. So wie der Begriff "behindert“. Eine in der deutschen Sprache durchaus übliche Bezeichnung - die aber bei vielen Menschen, die damit gemeint sein sollen, Stirnrunzeln oder gar Wut hervorruft. "Ich benutze nie das Wort Behinderung. Und ich möchte, dass Sie das auch nicht tun“, macht Sir Philip Craven, der Präsident des Internationalen Paralympischen (IPC) in einem Interview deutlich.

"Das Wort Behinderung ist ausschließlich negativ besetzt. Es beschreibt nichts, es löst bei den Menschen nur negative Assoziationen aus“, erklärt Craven, der früher selbst als Rollstuhl-Basketballer und Schwimmer an den Paralympischen Spielen teilgenommen hat. Das Wort Behinderung zu umgehen ist gar nicht so einfach, wenn es um die Paralympischen Spiele geht. "Warum sagt man nicht einfach Paralympischer Athlet?“ schlägt Sir Philip Craven vor. Und was ist, wenn der Sportler gar nicht an den Paralympischen Spielen teilnimmt? "Dann spricht man über die Sportart, zum Beispiel einem Rollstuhl-Basketballer oder einem Schwimmer.“

Im alltäglichen Wortschatz kaum wegzudenken

IPC-Präsident Sir Philip CravenBild: AP

In der Theorie durchaus nachvollziehbar. Wie schwer die Umsetzung in der Praxis dann ist, offenbart das IPC selbst. Vor Beginn der Paralympischen Spiele hat es den akkreditieren Journalisten ein Merkblatt zukommen lassen mit dem Titel: Richtlinien bei der Berichterstattung über Menschen mit Behinderung. In dem anderthalbseitigen Dokument wird 16 Mal das Wort Behinderung verwendet.

Auch im Alltag hat sich der Begriff längst eingebürgert: So heißt zum Beispiel der Dachverband der Athleten Deutscher Behindertensport-Verband, es gibt behindertengerechte WCs und Hubert Hüppe trägt den Titel Bundesbeauftragter für behinderte Menschen. "Es gibt tatsächlich den Streit zwischen denen, die sagen, es ist der Mensch, der behindert wird, also setzt man das behindert nach vorne und den anderen, die sagen, wir sehen erst mal den Menschen und dann die Behinderung.“ Und was sagt er selbst? "Ich benutze beide Begriffe.“

Entweder sind alle behindert oder keiner

Einst Paralmypics-Sieger im Tischtennis, heute Moderator im Deutschen Haus - Rainer SchmidtBild: DW/ Nestler

Ob "behinderter Mensch“ oder "Mensch mit Behinderung“ - diese Unterschiede sind Rainer Schmidt nicht wichtig. Dem früheren Weltklasse Tischtennisspieler, der von Geburt an keine Unterarme hat, geht es bei dieser Diskussion weniger um die Wortwahl, sondern um die Kategorisierung. Denn alle Menschen seien in gewissem Sinne behindert. "Wenn wir beide Tischtennis spielen, sind Sie deutlich weniger kompetent. Ich kann noch ein paar andere Dinge, die Sie nicht können, aber Sie werden auch was können, was ich nicht kann.“

Es geht darum, durch eine bestimmte Wortwahl nicht auf vermeidliche Schwächen reduziert zu werden, die zudem für viele selbst gar nicht als solche gesehen werden. Im Gegenteil meint IPC-Präsident Sir Philip Craven: "Paralympische Athleten machen sich keine Gedanken darüber, was sie nicht können. Sie versuchen aus dem, was Sie gut können, das Beste zu machen.“ Und daran sollte man sich ein Beispiel nehmen.

Autorin: Sarah Faupel

Redaktion: Wolfgang van Kann

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