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Politik

Eine Beziehung am Tiefpunkt

2. März 2017

Der Fall des inhaftierten Journalisten Deniz Yücel belastet das ohnehin schwierige deutsch-türkische Verhältnis. Und zu allem Überfluss kommt Präsident Erdogan vielleicht wieder zu Besuch. Um für sich zu werben.

Angela Merkel Recep Tayyip Erdogan Bildkombo
Bild: picture-alliance/dpa/Kappeler/DW

Wenn Politiker am Aschermittwoch in Bierzelten auftreten, wird kräftig geholzt. Bei der Bundeskanzlerin war die Tonlage zumeist etwas gewählter, beim Thema Deniz Yücel allemal. Wie seit vielen Jahren schon trat Angela Merkel am Mittwoch in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern auf. Und sagte: "Wir denken an diesem Abend auch an Deniz Yücel, der in Untersuchungshaft in der Türkei sitzt und dessen Freilassung wir fordern." Die Bundesregierung werde alles tun, was in ihrer Macht stehe, damit das geschehe, fügte sie hinzu. Seit Montag sitzt der Korrespondent der "Welt", der einen türkischen und einen deutschen Pass besitzt, in der Nähe von Istanbul in Haft. Unterstützung von Terrororganisationen werfen ihm die Behörden vor. Wie vielen anderen regimekritischen Journalisten.

Seit Anfang der Woche in Untersuchungshaft: Deniz Yücel Bild: picture-alliance/Eventpress

Der Fall Yücel

Der Fall Yücel ist eine erneute Belastung des deutsch-türkischen Verhältnisses. Das ist momentan so schlecht wie eigentlich noch nie. Fassungslos beobachten deutsche Politiker, wie Präsident Erdogan das Land in eine Autokratie verwandelt - wenn nicht Schlimmeres. Deshalb wird der Ton auch auf deutscher Seite schärfer: Das Auswärtige Amt bat nach der Haftentscheidung den türkischen Botschafter zum Gespräch. Aber einbestellt wurde der Botschafter nicht, was eine härtere diplomatische Reaktion gewesen wäre.

Denn die Regierung behält ihren Kurs gegenüber der Türkei bei, den der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok in einem Interview gerade so skizziert hat: Es sei wichtig, mit der Türkei und Präsident Erdogan im Gespräch zu bleiben, um Einfluss nehmen zu können: "Wir müssen die Redefähigkeit bewahren, damit Erdogan mit diesem Unsinn aufhört." Denn Deutschland und die Türkei haben ein hochkompliziertes, aber eben doch enges Verhältnis. Und das sind die Gründe:

Türken in Deutschland

Über drei Millionen Menschen mit türkischem Pass oder türkischen Wurzeln leben in Deutschland, so viele wie aus keinem anderen Land. Dennoch war Angela Merkel stets skeptisch, was einen möglichen EU-Beitritt der Türkei angeht und sprach lieber von einer "privilegierten Partnerschaft". Die Beitrittsgespräche liegen derzeit auf Eis, vor allem, seit Erdogan immer härter gegen Regimekritiker vorgeht.

Problem PKK und Gülen 

Die Türken werfen den Deutschen seit Jahren vor, zu wenig gegen Mitglieder der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK in Deutschland zu tun. Und neuerdings verlangt Ankara auch ein hartes Vorgehen gegen Mitglieder der Gülen-Bewegung, die Präsident Erdogan als Drahtzieher des Putschversuches im Juli 2016 sieht. Die Bundesregierung hat umgekehrt immer kritisiert, dass viele Kämpfer der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) auch aus Deutschland ungehindert über die Türkei ins Kampfgebiet in Syrien oder im Irak kamen. 

Schwieriger Flüchtlingsdeal

Aus der Türkei in Griechenland gelandet: Mutter und Tochter auf der FluchtBild: picture alliance/dpa/K. Nietfeld

Das brisanteste Thema dürfte aber der EU-Deal mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage sein: Seit dem vergangenen Jahr werden Flüchtlinge, die aus der Türkei kommend illegal in Griechenland landen, wieder in die Türkei gebracht. Das verhindert, dass wie 2015 Hunderttausende von Asylsuchenden nach Deutschland gelangen. Und die EU zahlt der Türkei dafür Milliardensummen. Dieser Deal ist zurzeit so ziemlich die einzige handbare Größe in der EU-Flüchtlingspolitik. Die Türkei weiß das - und spielt es offen aus.

Armenien

Für heftigen Streit sorgte im Juni 2016 eine Resolution des Deutschen Bundestags - befürwortet auch von Bundespräsident Joachim Gauck - die das Massaker des Osmanischen Reichs 1915 und 1916 an den Armeniern als Völkermord bezeichnete. Türkischstämmige Abgeordnete wurden offen unter Druck gesetzt, dem nicht zuzustimmen. Seit dem Beschluss ist das Verhältnis noch frostiger geworden.

Incirlik

Vergleichsweise harmlos ist dagegen der Dauerstreit um die Stationierung deutscher Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik im Süden der Türkei. Dort sind seit 2016 deutsche Aufklärungsflugzeuge vom Typ Tornado stationiert, um sich am Kampf gegen Terroristen in Syrien zu beteiligen. Mehrfach wurde deutschen Ministern und Abgeordneten ein Besuch dort verweigert, vor allem nach der Armenien-Resolution. Und am Ende dann doch erlaubt. 65 Millionen Euro will die Bundeswehr dort investieren.

Deutsche Tornados in IncirlikBild: picture-alliance/dpa/Falk Bärwald

Erdogan-Besuche

Ende März oder Anfang April will Präsident Erdogan persönlich nach Deutschland kommen. Nicht, um die Bundesregierung zu besuchen, sondern um bei den Türken in Deutschland für sein Präsidial-Referendum zu werben, mit dem er sich am 16. April noch mehr Macht verschaffen will. Rund 1,6 Millionen Türken in Deutschland können sich daran beteiligen. Schon in den Jahren 2008 und 2014 hatten dramatisch inszenierte Wahlkampfauftritte Erdogans für seine AKP in Köln für großen Streit in Deutschland gesorgt. Stets begleitet von einem großen Polizeieinsatz.

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