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Politik

Eine Brücke der Teilung im Nordkosovo

Bahri Cani
29. November 2016

Der Norden des Kosovo ist seit dem Krieg 1999 ein Symbol der Konflikte zwischen Serben und Kosovo-Albanern. Unser Reporter Bahri Cani hat die mehrheitlich von Serben bewohnten Gemeinden besucht.

Galerie : 5 Jahre unabhängiges Kosovo.
Bild: DW / Annette Streicher

Das ist keine gewöhnliche Brücke - die Brücke über den Fluss Iber in der geteilten Stadt Mitrovica. Statt sie zu verbinden, trennt sie immer noch die vier mehrheitlich von den Serben bewohnten Gemeinden (Nordmitrovica, Zecan, Zubin Potok und Leposavic mit ca. 40.000 Serben) im Norden des Kosovo vom Rest des Landes. Über der Brücke kreist mehrmals am Tag ein Hubschrauber der multinationalen Kosovo-Truppe, kurz KFOR. Auf beiden Seiten der Brücke stehen Sicherheitskräfte: die Kosovo-Polizei im Süden und die internationale KFOR im Norden. "Auf der Nordseite der Brücke fängt Serbien an", sagt ein Kosovo-Albaner und empfiehlt "vorsichtig zu sein".

 

Seit dem Kosovokrieg 1999 ist diese Brücke ein Symbol der Teilung zwischen den Serben im Norden und den Albanern im Rest des Kosovo. Doch auch hier tut sich was. Im März 2013 haben die ehemaligen serbischen und kosovarischen Premierminister Ivica Dacic und Hashim Thaci in Brüssel das Abkommen für die Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo unterschrieben. Ein paar Monate später wurden auch im Norden des Landes die ersten Lokalwahlen gemäß kosovarischen Gesetzen durchgeführt. Und im August 2013 haben Pristina und Belgrad vereinbart, die Brücke in Mitrovica zu öffnen. Derzeit sieht die Brücke nach einer richtigen Baustelle aus und ist nur zur Fuß zu überqueren. Doch für alle Beteiligten ist das Wichtigste: Hier und im ganzen Norden des Landes gibt es seit langem keine bewaffneten Zwischenfälle mehr.

Eine Brücke, über die kaum jemand gehtBild: DW/B.Cani

Integrierte Polizisten

"Die Lage ist ruhig und unter Kontrolle", sagt Zeljko Bojic, der regionale Kommandeur der kosovarischen Polizei im Norden des Landes der Deutschen Welle. Seit Monaten gab es hier keine inter-ethnischen Zwischenfälle, abgesehen von abgesprochenen Schlägereien zwischen serbischen und albanischen Fußball-Hooligans. In Brüssel wurden bisher 33 Vereinbarungen über technische Fragen zwischen dem Kosovo und Serbien getroffen. Die Implementierung geht nur schleppend voran, weil sowohl Belgrad als auch Pristina versuchen, nur die Vereinbarungen umzusetzen, die in ihrem Interesse sind. Eine der erfolgreich umgesetzten Vereinbarungen ist die Integration der Serben in die kosovarische Polizei. Mittlerweile sind mehr als 280 serbische Polizisten aus den sogenannten "serbischen Parallelstrukturen" in die gemeinsame Polizei integriert. "Das ist reibungslos verlaufen, mit den 'integrierten' serbischen Polizisten haben wir keinerlei Probleme", sagt Besim Hoti, Stellvertreter des Regionalen Polizeikommandeurs.

Dennoch steht der Prozess der Integration von Serben in die gesamtkosovarischen Institutionen noch am Anfang. So werden etwa alle Ärzte und Lehrer immer noch direkt von Serbien bezahlt. Und auch politisch gibt es große Unterschiede, denn Serben betrachten das Kosovo immer noch als Teil Serbiens. Das Kosovo hat 2008 seine Unabhängigkeit erklärt, die von 112 Ländern anerkannt wird. Jedoch nicht von Serbien, Russland, China und von fünf EU-Mitgliedern, darunter auch Spanien und Griechenland.

Eine andere Welt

In Nord-Mitrovica hat man nicht das Gefühl, im Kosovo zu sein. Abgesehen von der Polizeiuniform, gibt es keine anderen kosovarischen Staatssymbole zu sehen. Überall nur serbische kleine und große Fahnen, serbische Denkmäler, Wahlplakate des serbischen Premierministers Aleksandar Vucic und ganz, ganz große Bilder vom designierten amerikanischen Präsidenten Donald Trump. "Cestitamo" (Gratulation), "Die Serben haben ihn unterstützt", "Die Albaner waren für Hillary Clinton" - das sind nur einige der Überschriften auf großen Plakaten.

Die Serben hier hoffen, dass der designierte US-Präsident Donald Trump den Serben das Kosovo zurückgeben wird. Ein paar Wochen nach der US-Wahl kehrt jedoch die Ernüchterung zurück. "Das ist doch lächerlich: Trump hat ganz andere große Probleme. Der interessiert  sich überhaupt nicht für uns", sagt ein älterer Herr vor dem Restaurant "Beli Dvor". Leute sind hier politisch interessiert und geschichtsbewusst. "Von welchem Sender warst du nochmal?" "Deutsche Welle". "Ah ja, die Deutschen haben uns 1999 bombardiert, aber Vucic kann jetzt gut mit Angela Merkel!"

Über die Brücke - zum Einkaufen

Gelegentlich hört man in Nordmitrovica auch Albanisch. Einige Albaner kommen zum Einkaufen hierher. Hier zahlt man in Dinar (serbische Währung). Vor den Läden auf der Hauptstraße kann man ein altbekanntes Wort aus den 90er Jahren hören, als im ehemaligen Jugoslawien die höchste Inflationsrate der Welt herrschte: "Devise, Devise". Die Devisenhändler auf dem Schwarzmarkt tauschen Euro in Dinar, selbstverständlich unter Wert.

Die Preise hier sind in der Tat niedriger als südlich der Brücke. Der Handel zwischen dem Kosovo und Serbien hat nie aufgehört. Nicht einmal während des Krieges oder in der hitzigsten Phase der Auseinandersetzungen nach dem Krieg.

"Der Kosovo ist für Serbien ein ganz wichtiger Markt. Hier findest du alle möglichen Produkte aus Serbien", erklärt Safet Gerxhaliu, der Vorsitzende der kosovarischen Handelskammer. Der Kosovo importiert aus Serbien Waren im Wert von mehr als 360 Millionen Euro jährlich. Und exportiert selbst nach Serbien nur Waren im Wert von sechs Millionen Euro.

Kein Spaziergang beim Sonnenuntergang

Die administrative Grenze zwischen Serbien und dem Kosovo liegt rund 40 km entfernt von der Brücke in Mitrovica. Ganz viele Autos sind ohne Kennzeichen unterwegs. Auf dem Weg gibt es keine serbischen Barrikaden, die in der Vergangenheit mehrmals die Straße blockiert haben. Aber man hat das Gefühl: Die Wege könnten innerhalb kürzester Zeit wieder verbarrikadiert werden. In der Vergangenheit führte das auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Am 19. September 2013 wurde hier der litauische Soldat Audrius Senavicius getötet. Die Täter blieben unbekannt.

"Serben haben ihn unterstützt" steht auf dem riesigen Trump-Plakat im serbischen Teil von MitrovicaBild: DW/B.Cani

An der Grenze funktioniert alles wie es sein soll. Die kosovarischen und serbischen Polizisten und Zöllner "arbeiten gut zusammen", sagt einer der Polizisten. "Hier gibt es keinen Schmuggel", sagt er. Allerdings, wenn man "ein paar hundert Meter weiter von dem Grenzübergang weggeht" und sich die "alternativen Wege" anschaut, sehe man etwas anderes. Da würden nachts mit LKW und Autos unterschiedliche Sachen geschmuggelt. Man solle aber besser nicht bis zum Einbruch der Dunkelheit da bleiben, empfiehlt der Polizist.

Aber nicht nur an der Grenze - auch in Mitrovica leeren sich mit abnehmenden Licht die Straßen immer mehr. An der Brücke über den Fluss Iber ist abends kaum noch jemand zu sehen. Zwei albanische Frauen gehen mit vollen Einkaufstaschen und schnellen Schrittes von der Nord- zur Südseite der Brücke. "Nachts haben wir Angst. Wir gehen sofort nach Hause - sicher ist sicher", sagt eine der beiden.

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