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Eine "echte Chance" für Deutschland

12. November 2005

Deutschland hat eine große Koalition, der Vertrag ist fertig: Nach rund vierwöchigen Verhandlungen einigten sich CDU, CSU und SPD auf ein gemeinsames Papier. Einige Punkte waren bis zuletzt strittig.

Verhandlungstroika: CSU-Chef Stoiber, CDU-Vorsitzende Angela Merkel und Noch-SPD-Chef MünteferingBild: dpa


"Der Vertrag für die zweite große Koalition auf Bundesebene in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland steht", sagte die designierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Abschluss der Verhandlungen sei eine "Freude" und der Vertrag eine "echte Chance", Deutschland aus der wirtschafts- und sozialpolitischen Krise zu führen. Nach Jahren politischer Gegnerschaft wollten CDU und SPD Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik schaffen. Der Vertrag werde Grundlage für weitere erfolgreiche Reformen in Deutschland sein. Dies könne eine "Koalition der neuen Möglichkeiten" werden.

Kompromiss

In manchen Bereichen seien Positionen des jeweiligen Partners eins zu eins übernommen worden. Der Vertrag biete auch die Möglichkeit für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Die CDU/CSU-Fraktion hat bereits einmütig zugestimmt, sagte Merkel. CSU-Chef Edmund Stoiber grummelte zwar noch einmal und sagte, eine große Koalition sei nicht gewollt gewesen, biete jetzt aber große Chancen. Noch-SPD-Chef Franz Müntefering sagte, die Einigung sei ein Kompromiss. Dennoch war er zuversichtlich, dass die SPD-Basis dem Vertrag zustimmen werde.

Besonders strittig: Reichensteuer, Kündigungsschutz, Pendlerpauschale, Atomausstieg

Den Durchbruch erzielten beide Seiten, nachdem sie sich bei den zuletzt noch besonders strittigen Punkten einigen konnten: Die SPD setzte sich mit ihrer Forderung nach einer Reichensteuer durch, während die Union eine Lockerung des Kündigungsschutzes erreichen konnte.

Bei der Reichensteuer soll es auf Wunsch der Union allerdings Ausnahmen für Familienunternehmen geben, die Arbeitsplätze schaffen, wie es aus Verhandlungskreisen hieß. Der dreiprozentige Zuschlag auf den Spitzensteuersatz soll für Einkommen ab 250.000 Euro für Ledige und 500.000 Euro für Verheiratete gelten.

Zuvor hatten sich beide Seiten bereits auf die Unionsforderung einer Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent ab 2007 sowie auf ein Investitionsprogramm im Umfang von 25 Milliarden Euro geeinigt.

Zudem kamen beide Seiten überein, dass der Kündigungsschutz künftig erst nach 24 Monaten Beschäftigung statt nach sechs Monaten greifen soll. Zugleich soll nach Angaben aus Unionskreisen der Rentenbeitrag ab 2007 von 19,5 auf 19,9 Prozent steigen.

Berichte, wonach die Steuervorteile für Schichtzuschläge doch eingeschränkt werden sollten, wurden dementiert. Die Steuerfreiheit der Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge bleibt grundsätzlich erhalten. Allerdings soll der Grenzwert für die Sozialversicherungspflicht von 50 Euro pro Stunde auf 25 Euro gesenkt werden.

Die Pendlerpauschale soll nach Angaben aus Verhandlungskreisen bis zu einer Entfernung von 20 Kilometern künftig wegfallen. Erst ab dem 21. Kilometer solle es für jeden weiteren Kilometer 30 Cent geben. Trotz der Sparmaßnahmen soll es eine Rekordneuverschuldung von rund 40 Milliarden Euro geben.

Den Atomausstieg, ein weiterer der bis zuletzt offenen und besonders strittigen Punkte, tasteten Union und SPD nicht an. Es gebe unterschiedliche Auffassungen zur Laufzeit, deshalb bleibe es bei den beschlossenen Regelungen, sagte Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU). SPD-Umweltexperte Michael Müller sagte, im Koalitionsvertrag werde nur die bestehende Rechtslage zur Kenntnis genommen.

Ab Ende November wird endlich regiert

Die FDP warf Union und SPD Wählertäuschung vor, weil beide ihre im Wahlkampf gegebenen Versprechen nicht einhielten. Linkspartei-Fraktionschef Oskar Lafontaine sprach von einer 'Koalition der Massenarbeitslosigkeit und des Sozialabbaus'. Der Präsident des Sozialverbandes VdK, Walter Hirrlinger, kündigte wegen der Mehrwertsteuererhöhung und den Nullrunden für Rentner einen heißen Herbst an. Scharf gegen die Regelung zum Kündigungsschutz wandte sich die Gewerkschaft Verdi. Am 14. November werden CDU, CSU und SPD auf Parteitagen über den Vertrag abstimmen. Am 18. November wollen die Parteichefs den Koalitionsvertrag unterzeichnen. Am 22. November soll Angela Merkel (CDU) zur Kanzlerin gewählt werden. (arn)

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