Eine Erdöl-Pipeline spaltet das Land
6. Juni 2006Über Jahrhunderte lag das Dorf Sarayacu am Fluss Bobonaza, im südwestlichen Amazonasbecken Ecuadors. Der Fluss war für die Ureinwohner vom Volk der Kichwa die einzige Möglichkeit, in ihr Dorf zu gelangen. Heute liegt Sarayacu nicht nur am Fluss Bobonaza. Sarayacu liegt auch in Block dreiundzwanzig. Seit die ecuadorianische Regierung weiß, dass es im Amazonas-Tiefland Erdöl gibt, teilt sie ihren Regenwald in Blöcke auf und versteigert dafür Förderlizenzen. Die spanische Repsol-YPF, Occidental aus den USA oder beispielsweise die brasilianische Petrobrás fördern seither im Amazonas Öl.
Enorme Verseuchung
Die Bundestagsabgeordnete Ute Koczy hat sich jahrelang mit der Situation im Amazonas beschäftigt und ist mehrmals vor Ort gewesen. "Es gibt keine Überwachungsorganisation. Es ist den Betreibern vollkommen egal, wenn mal eine Pipeline kaputt geht - dann läuft das Öl eben aus", erzählt sie. "Dann macht man halbherzige Maßnahmen mit dem Ergebnis, dass das Öl in das Gewässersystem des Amazonas fließt." Dessen Wasser werde jedoch zum Baden, Waschen und Kochen benutzt. "Dort entsteht nach und nach eine enorme Verseuchung."
Die ecuadorianische Regierung lässt die Ölunternehmen gewähren, denn Öl ist ihre wichtigste Einnahmequelle. Fast die Hälfte des ecuadorianischen Staatshaushaltes stammt aus Erdöleinnahmen. "Dadurch dass der Ölpreis sich erhöht hat, auf 70 Dollar pro Barrel, bedeutet das, dass selbst mit einer geringen Ölförderung der Staat gut leben kann", sagt Koczy. "Wenn der Ölpreis immer noch bei 20 oder 30 Dollar wäre, dann hätte Ecuador ein echtes Finanzproblem."
Im Herbst 2003 ging in Ecuador die neue Ölpipeline OCP in Betrieb. Die 500 km lange Pipeline, die sich vom Pazifik über die Anden bis zum Amazonas schlängelt, wurde mit Krediten der Westdeutschen Lan-desbank gebaut. Die OCP durchquert sieben Naturschutzgebiete und führt durch erdbeben- und erdrutschgefährdete Gebiete. Nichtregierungsorganisationen warfen der Westdeutschen Landesbank damals vor, ein Projekt zu fördern, das die Sozial- und Umweltstandards der Weltbank verletze. Trotzdem konnten sie den Bau der Pipeline nicht stoppen.
Druck, noch mehr zu fördern
Trotzdem steht Ecuador unter enormem Druck, noch mehr Öl zu fördern. Mit den Einnahmen aus dem Erdöl tilgt Ecuadors Regierung die Auslandsschulden des Landes. 70 bis 80 Prozent ihrer momentanen Öleinnahmen verwendet sie, um ihre Schulden von 14 Milliarden Dollar abzustottern. Dem Internationalen Währungsfond reichen diese Anstrengungen aber nicht aus - er fordert, dass Ecuador auch im Süden des Amazonas und damit fast im gesamten Regenwald Öl fördert. Die Regierung zögert aber noch, die Lizenzen für den südlichen Amazonas zu vergeben.
Ein Grund für das zögerliche Verhalten der Regierung sind die Sarayacu-Indianer in Block dreiundzwanzig. Sie stehen symbolisch für eine immer selbstbewusstere Urbevölkerung. Die argentinische Companía General de Combustibles hat die Lizenz zwar ersteigert, Öl fördert sie in dem Gebiet aber nicht. Die Sarayacu-Indianer beanspruchen die Landrechte für den Großteil des Ölfördergebietes für sich. Sie haben sich mit Palmholzlanzen bewaffnet und vertreiben die Ölarbeiter, sobald diese in ihr Gebiet eindringen. Seit elf Jahren leisten sie so in der Provinz Pastaza Widerstand.
Alte Prophezeiung
"Wir wissen jetzt auch, dass es tatsächlich Verträge zwischen dem Militär und den Ölunternehmen gab. Das Militär sollte die Bevölkerung gegen Bezahlung einschüchtern", sagt die grüne Abgeordnete Koczy. Obwohl die Verträge an die Öffentlichkeit kamen, gelten sie noch heute. Ende Juli 2006 sollen sie auslaufen, sagt Verteidigungsminister Oswaldo Jarrín. Noch können sich die Sarayacus wehren. Sind die Ölfirmen aber erst einmal da, sagt Ute Koczy, schlagen sie Schneisen, errichten Camps und bauen Straßen. "Straßenbau im Amazonas bedeutet immer: Siedler kommen. Leute gehen in den Wald hinein, holen sich die dicken Bäume heraus." Von einem schönen Tropenbaum könne man in Ecuador ein Jahr leben."
In Sarayacu gibt es eine Weissagung, in der erzählt wird, dass irgendwann etwas Schlimmes passieren wird, wodurch das Dorf verschwinden könnte. Die Menschen in Sarayacu haben lange gedacht, dies würde vielleicht ein Wirbelsturm oder ein Erdbeben sein. Jetzt glauben sie, dass es die Ölfirmen sind.