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KonflikteUkraine

"Eine Farce": Wie Kyjiw die Gespräche mit Moskau bewertet

17. Mai 2025

Das Treffen zwischen der Ukraine und Russland in Istanbul hat keinen Waffenstillstand gebracht. Unter welchen Bedingungen kann es zu realen Verhandlungen der Seiten kommen und wann könnte es soweit sein?

Vertretern der Ukraine und Russlands sowie der Türkei an einer U-förmigen Tischreihe
Gespräche zwischen der Ukraine und Russland in IstanbulBild: DHA

Zum ersten Mal seit drei Jahren haben sich ukrainische und russische Delegationen offiziell getroffen. In Istanbul ging es am Freitag um einen Waffenstillstand in dem Krieg, den Russland gegen die Ukraine entfesselt hat. Initiiert hatte das Gespräch der russische Präsident Wladimir Putin. Die Delegation aus Moskau umfasste stellvertretende Leiter mehrerer russischer Ministerien und Behörden, angeführt wurde sie von Putins Berater Wladimir Medinskij. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kritisierte, Putin habe Leute nach Istanbul geschickt, die "nichts entscheiden" und bezeichnete das Niveau der Delegation als "Farce".

Treffen zwischen den Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Wolodymyr Selenskyj in AnkaraBild: DHA

Selenskyj hatte sich am Tag vor dem Delegationstreffen mit seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan in der Türkei getroffen und sich zu einem persönlichen Treffen mit dem russischen Präsidenten bereiterklärt. Dies hätte die Gelegenheit  geboten, "alle wesentlichen Probleme zu lösen", sagte Selenskyj auf dem Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft in Albanien, zu dem er aus der Türkei gereist war. "Aber er (Putin) war nicht bereit dazu."

Was wurde besprochen und was erzielt?

Die ukrainische Delegation zu Gesprächen habe er vor allem "aus Respekt" vor US-Präsident Donald Trump und Erdogan nach Istanbul entsandt, sagte Selenskyj. Nennenswerte Ergebnisse habe er sich von ihr nicht versprochen.

Der Leiter der ukrainischen Delegation, Verteidigungsminister Rustem Umjerow, erklärte, dass für Kyjiw bei den Verhandlungen mit Moskau die Menschen oberste Priorität hätten. Deshalb hätten die ukrainischen Vertreter einen Austausch von jeweils 1000 Gefangenen vereinbart.

Zum Thema Waffenstillstand hätten beide Seiten sich über Modalitäten ausgetauscht, die Einzelheiten seien noch zu erarbeiten. Die Ukraine sei in der Lage, den Kampf fortzusetzen. Der Krieg müsse jedoch beendet werden. "Die dritte Priorität", betonte Umjerow: "Unser Präsident erwartet Gespräche auf höchster Ebene."

Skepsis unter Politikern und Experten

Bei den Verhandlungen in Istanbul habe die russische Seite für die Ukraine inakzeptable Aussagen gemacht, erklärte der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Heorhij Tychyj, vor Journalisten, ohne Beispiele zu nennen.

Die Co-Vorsitzende der oppositionellen Fraktion "Europäische Solidarität" im ukrainischen Parlament, Iryna Heraschtschenko, schrieb auf Facebook, dass Russland von der Ukraine als "Geste des guten Willens" den Abzug ihrer Truppen von eigenem Staatsgebiet verlangt habe, damit ein Waffenstillstand verkündet werden könne.

"Das ist ein Ultimatum und ein Aufruf zur Kapitulation, die den Grundsätzen des Völkerrechts direkt widersprechen", so die Parlamentarierin weiter, "Das Verhalten der russischen Delegation in Istanbul zeugt von Erpressung statt Verhandlungen, und statt Kompromissen gibt es eine Liste von Ultimaten, einschließlich der Forderung, ukrainisches Territorium an Russland abzutreten."

Iwan Us vom ukrainischen "Nationalen Institut für strategische Studien" wirft der russischen Delegation im Gespräch mit der DW Propaganda vor und betont, dass sie nichts Unerwartetes erklärt habe. "Es gab Verhandlungen, weil die USA sie sehen wollten." Die Ukraine habe dem zugestimmt, weil ihre europäischen Partner darum gebeten hatten, weil Europa nicht bereit sei, die Ukraine ohne die USA zu unterstützen. Moskau wiederum sei vor allem nach Istanbul gekommen, um seine üblichen Narrative zu verkünden, so Us: "Russland will einerseits weiterkämpfen, ist sich aber bewusst, dass es keinen Erfolg haben wird, solange die USA der Ukraine Hilfe gewähren."

Wann kommt es wieder zu Gesprächen?

Nach Angaben des türkischen Außenministers Hakan Fidan vereinbarten die ukrainischen und russischen Vertreter in Istanbul grundsätzlich ein erneutes Treffen. Allerdings könne dies auf sich warten lassen, sagte der Militärexperte und ehemalige Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der Ukraine, Iwan Stupak, der DW: "Die Russen sind derzeit nicht zu Gesprächen bereit, weil sie an der Front im Vorteil sind."

Der russische Präsidentenberater Wladimir Medinskij und der türkische Außenminister Hakan Fidan in IstanbulBild: ZUMA Press/IMAGO

Solange es an der Kontaktlinie keine Pattsituation gibt, werde sich niemand an den Verhandlungstisch setzen, so Stupak. Dazu werde es wohl frühestens im Oktober kommen - nach der Sommeroffensive, die Wladimir Putin gegen die Ukraine plane. "Beschwichtigungen in Form einer Aufhebung der Sanktionen, einer Anerkennung der Krim als russisches Staatsgebiet oder eines Versprechens zur gemeinsamen Erschließung der Arktis darf es nicht geben", fordert Stupak. Dies habe ohnehin nicht funktioniert. "Deshalb werden die Kämpfe weitergehen."

Auch Iwan Us hält eine Annäherung eher im Herbst für möglich. Studien zu offiziellen russischen Wirtschaftsindikatoren deuteten darauf hin, dass Russlands Wirtschaft gegen Oktober stark einbrechen könnte, erklärt der Experte. Erst dann werde Putin zu einem Dialog über einen Waffenstillstand, zu Zugeständnissen und einer Beendigung des Krieges bereit sein.

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk

 

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