Eine Geschichte von Liebe und Finsternis
15. März 2005DW-WORLD: Herzlichen Glückwunsch, Herr Oz, Sie haben am Montag den Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch 2004 erhalten. Warum ist "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis" politisch?
Amos Oz: Vielen Dank. Ich denke, jedes Buch in der Welt ist ein politisches Buch in gewisser Weise, solange das Wort politisch kein politisches Manifest meint. Mein Buch hat eine politische und historische Dimension, weil mein Leben und das meiner Familie mit Politik durchtränkt sind.
Ist das Buch auch eine Autobiographie?
Ich leugne nicht, dass es Verbindungen mit der Hauptfigur gibt. Aber ich würde nicht sagen, dass es eine Autobiographie ist, denn die wahren Hauptfiguren in dem Buch sind meine Eltern. Der Junge in dem Buch ist ein Nebencharakter. Es ist die Geschichte von einem Mann und einer Frau, einer unglücklichen Ehe und einer historischen Turbulenz, die beide gegen ihren Willen nach Jerusalem bringt. Und es ist die Geschichte einer osteuropäischen jüdischen Familie. Sie wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Auf einigen Seiten des Buches ist sie aus der Sicht des Jungen geschrieben - doch es gibt mehr als nur diese eine Perspektive.
Was bedeutet es für Sie, das gerade dieses Buch, in dem es um die Staatsgründung Israels geht, in Deutschland so erfolgreich ist?
Es bedeutet für mich, dass der Dialog zwischen Juden und Deutschen heute so intensiv ist, wie in den 1920er-Jahren. Es ist dennoch ein anderer Dialog: Er wird nie mehr so naiv und unschuldig sein wie der deutsch-jüdische Dialog damals. Aber er ist intensiv, tief und bedeutsam, und ich bin sehr froh darüber.
Welches ist Ihr nächstes Buchprojekt?
Ich weiß nicht ob es noch einmal ein Buch wie "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis" geben kann. Aber ich habe gerade ein kurzes Märchen beendet, das auf verschiedenen Ebenen gelesen werden kann: als Abenteuerbuch für junge Erwachsene bis hin zu einer Fabel für Leser jeden Alters. Es ist ein kurzes, symbolisches Märchen.
Amos Oz, geboren 1939 in Jerusalem, ist Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels. 1998 wurde er für sein Gesamtwerk mit dem Israel-Preis ausgezeichnet. Er ist einer der bekanntesten israelischen Schriftsteller und Unterstützer des Friedensprozesses zwischen Palästinensern und Israelis.