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Glaube

"Eine Geste der Reue und Demut des Papstes"

Victoria Dannemann
27. April 2018

Papst Franziskus empfängt am Wochenende Missbrauchsopfer aus Chile. Im Interview mit der DW bezeichnet einer von ihnen die Einladung als großen Schritt, von dem er hofft, dass er zu tiefgreifenden Veränderungen führt.

James Hamilton, Missbrauchsopfer aus Chile zu Gast im Vatikan
Bild: privat

Der chilenische Arzt James Hamilton ist eines von drei Missbrauchsopfern aus Chile, die von Papst Franziskus in die Casa Santa Marta im Vatikan eingeladen wurden. Franziskus möchte ihnen "seinen Schmerz und seine Scham mitteilen über das, was sie erlitten haben, und vor allem ihre Vorschläge hören, um eine Wiederholung solcher verwerflichen Handlungen zu verhindern", heißt es im Kommuniqué des Heiligen Stuhles.

Hamilton, der Journalist Carlos Cruz und der Philosoph José Andrés Murillo wurden in ihrer Jugend Opfer von Fernando Karadima, dem Pfarrer einer einflussreichen Kirche in Santiago. Die Opfer sprechen von einem jahrzehntelangen System der Vertuschung, das Verbrechen wie jene von Karadima verheimlichte und gleichzeitig von Karadima ausgebildete Priester in hohe Kirchenämter beförderte. Einer von ihnen ist der Bischof von Osorno, Juan Barros; ihn hatte der Papst während seines Besuches in Chile im Januar noch gegen Vorwürfe in Schutz genommen. In Chile sorgten dies für große Empörung. Nach der Lektüre eines Untersuchungsberichts des maltesischen Bischofs Charles Scicluna gab der Papst "schwerwiegende Beurteilungsfehler" zu.

Deutsche Welle: Herr Hamilton. Was erwarten Sie vom Treffen mit Papst Franziskus?

James Hamilton: Dieses Treffen weckt zweifelsohne viele Erwartungen. Wir sind offen für den Dialog, erwarten aber auch konkrete Maßnahmen.

Wie schätzen Sie diese Einladung des Papstes ein?

Der Chile-Besuch des Papstes, von Missbrauchsvorwürfen überschattet Bild: Getty Images/AFP/V. Pinto

Es ist ein großer Schritt nach vorne. Es ist eine beeindruckende Form der Wiedergutmachung, nicht nur gegenüber uns, sondern gegenüber allen Missbrauchsopfern. Es ist eine Geste der Reue und Demut des Papstes. Zugleich lädt er uns ein, Vorschläge zu machen und an der Veränderung teilzuhaben, die unsere chilenische Kirche wieder in einen Ort verwandeln soll, in dem Kinder und Jugendliche Schutz finden. Wir sind froh, dass wir dazu beitragen können.

Welche konkreten Schritte erwarten Sie?

Wir erwarten Veränderungen in der hierarchischen Struktur. Priester, die sich schuldig gemacht habe, sollen sich nicht mehr hinter mächtigen Einflussgruppen verstecken können und müssen konsequent aus der Seelsorge entfernt werden. Dies sind für die Wiedergutmachung absolut notwendige Maßnahmen - für die Opfer und ihre Familien. Man darf nicht vergessen, dass einige der Opfer sich das Leben genommen haben und ihre Familien ewige Trauer mit sich tragen.

Der Papst will Sie einzeln empfangen und Ihnen so lange wie nötig zuhören. Wie bereiten Sie sich auf die Begegnung vor?

Ich werde so respektvoll wie möglich sein, dabei aber auch immer die Wahrheit aussprechen. Dies ist kein Marketing-Meeting. Es ist ein nie dagewesener Schritt, um in dieser Frage voranzukommen. Als normale Menschen, die sich ihren Familien und ihren Berufen widmen, sind wir bereit unseren Beitrag zu leisten, da sich der Klerus und der Vatikan manchmal etwas zu weit von der Alltagsrealität entfernt haben.

Eine in Chile oft erhobene Forderung ist die Absetzung von Bischöfen wie Juan Barrios, der die Missstände in der Kirche vertuscht haben soll. Werden Sie dies ansprechen?

Bischof Juan Barros währen der Papstmesse in IquiqueBild: Reuters/A. Bianchi

Natürlich. Um Ruhe und sozialen Frieden in der Diözese von Osorno wiederherzustellen, muss er gehen. Aber seine Ablösung alleine ändert nicht die grundlegenden Probleme. Es braucht strukturelle Veränderungen die den Schutz und die Sicherheit der Kinder und Jugendlichen garantieren; es braucht drastische Sanktionen für diejenigen, die bei der Vertuschung helfen und eine Bestrafung der Straftäter. Letztere müssen den zivilen Gerichten übergeben werden.

Denken Sie, dass dieses Treffen dazu beitragen wird, das Vertrauen der chilenischen Gesellschaft in die Kirche wiederherzustellen?

Wir hoffen natürlich, dass dies der Fall ist, weil es in Chile eine große katholische Bevölkerung gibt. In einer Welt, die von Kriegen und Ungerechtigkeit geprägt ist, bleibt die Kirche eine Institution, die, solange sie eine angemessene moralische und ethische Führung ausübt, ein richtungsweisendes Leuchtfeuer sein kann.

José Andrés Murillo, Juan Carlos Cruz, Juan Carlos Claret, Sprecher der Laienorganisation von Osorno, und James Hamilton(v. l. n. r.) Bild: Privat

Der chilenische Arzt James Hamilton wurde in seiner Jugend von Fernando Karadima missbraucht, dem Pfarrer einer einflussreichen Kirche in Santiago, der nach einer internen Untersuchung zahlreicher Fälle 2011 vom Vatikan für schuldig befunden und abgesetzt worden war.

Das Gespräch führte Victoria Dannemann.

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