1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
GesellschaftPolen

Eine Katze hat sieben Leben: Das Café Kociak in Poznan

Aleksandra Fedorska (aus Poznan)
8. August 2023

Das Café Kociak ist nicht kleinzukriegen. Straßenbauarbeiten und die Coronakrise haben zur zeitweiligen Schließung des Lokals geführt. Aber nun ist "Der Kater" wieder geöffnet, zur Freude der ganzen Stadt.

Café Kociak
Das traditionsreiche Café Kociak in der Innenstadt von PoznanBild: Aleksandra Fedorska/DW

Dass die Ehe meiner Eltern sich hier im Café Kociak angebahnt haben soll, halte ich für unwahrscheinlich. Die beiden haben in Wroclaw (Breslau) studiert und sich wahrscheinlich dort kennengelernt. Getroffen haben sie sich aber später häufig hier, in diesem traditionsreichen Café in Poznan (Posen), dem Geburtsort meiner Mutter. Als leidenschaftliche Genießerin von Süßspeisen hat sie dieses Lokal in guter Erinnerung. Und auch ich liebe das Café Koziak im Zentrum meiner Heimatstadt.

Kociak heißt auf Deutsch Kater - und wie eine Katze hat das traditionsreiche Café mindestens sieben Leben. In den grauen 1960er Jahren war es das Toplokal in der Messestadt, bekannt für leckere Süßspeisen und bunte Desserts mit viel Schlagsahne in angenehmer Umgebung.

Das Café Kociak ist berühmt für seine leckeren Desserts und SüßspeisenBild: Aleksandra Fedorska/DW

Gegründet wurde es nach Angaben der heutigen Besitzer Adrian und Pawel Mieszala im Jahr 1962. Rund ein Jahr später wurden hier die ersten Desserts serviert, für die das Lokal bis heute berühmt und beliebt ist.

Bescheidene Freuden 

Die 1960er Jahre waren in Polen eine interessante Zeit. Die bleierne Schwere der Stalinzeit mit ihren Verbrechen und politischen Morden war vorüber, die Menschen kehrten langsam wieder zum Leben zurück, kleine Freuden wurden wieder möglich. In der Hauptstadt Warschau, aber auch in anderen polnischen Städten, öffneten Cafés und vereinzelt sogar Musik- und Tanzlokale. Der damals bekannte polnische Sänger Wojciech Mlynarski nannte diese Zeit "unsere kleine Stabilität". In der Tat standen diese Jahre für einen Hauch von Lebensgenuss, wenngleich nur auf einem sehr bodenständigen Niveau.

"An den Wochenenden kamen ganze Familien hierher, um die Eisdesserts Anula, Ambrosia oder die Fruchtdesserts Exquisite oder Fantasia zu genießen”, schreibt die Expertin für Alltagsgeschichte des polnischen Sozialismus, Anna Brzezinska-Czerska. Und der Publizist Wieslaw Kot hielt die bescheidenen Genüsse folgendermaßen fest: "Es war eine Art Ritual. Sonntags ging man zuerst in die Kirche und aß dann was Süßes im Kociak. Das Problem waren immer die Sitzplätze. Es war leicht, die Desserts zu kaufen, aber schwierig, einen Sitzplatz zu finden."

Zeitreise in die Vergangenheit

Das ist im Café Kociak bis heute so. Es ist immer gut besucht. Die großen Kristallgläser, in denen die Eis- und Süßspeisen serviert werden, wirken heute ein wenig aus der Zeit gefallen, aber genau das mögen wir Poznaner ganz besonders. Wir fühlen uns wie in einer Art Zeitmaschine, während wir die Schlagsahne aus den Gläsern löffeln. Für viele Gäste ist der Besuch im Kociak schlicht eine kulinarische Reise in ihre Jugend, als die süße Schlagsahne, später auch Milchcocktails und Sahneeis, eine Besonderheit waren. Zur gleichen Zeit mussten die Mütter und Großmütter stundenlang für Butter, Käse und Wurst in nie endenden Schlangen anstehen.

Kaffeekränzchen im beliebten Café Kociak in PoznanBild: Aleksandra Fedorska/DW

In den späten 1980er Jahren war das Kociak nicht mehr das einzige Lokal, in das man zumindest am Sonntag als gutbürgerlicher Poznaner hingehen konnte, denn an vielen Plätzen in der Stadt entstanden mittlerweile ähnliche Cafés. Die Einkaufsstraße, die in der kommunistischen Zeit nach der Roten Armee benannt war und seit 1989 wieder Swiety Marcin (St. Martin) heißt, verlor an Attraktivität. Andere Straßen und später die modernen Shoppingmalls übernahmen ihre Funktion als Einkaufs- und Ausgehstraße.

Neueröffnung nach Corona

Nach der Wende wurde das Kociak Teil der Gastronomiegenossenschaft "Smak Coop", die neben diesem Lokal noch drei weitere Betriebe in Poznan unterhält. Richtig schwierig wurde es für den "Kater" erstmals im Jahr 2001. Unklare Eigentumsverhältnisse der Immobilie führten dazu, dass die Türschlösser ausgetauscht wurden und offen blieb, wie es mit dem Café weiter gehen sollte. Man fand schließlich eine Lösung, wenn auch nicht ganz regelkonform, wie es augenzwinkernd heißt. Einen richtigen Boom gab es aber nicht mehr. Langwierige Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten am Sw. Marcin machten es dem Betrieb schwer.

Alle Plätze sind belegt im Café Kociak in PoznanBild: Aleksandra Fedorska/DW

Die ausschließlich auf Gastronomie ausgelegte Genossenschaft geriet mit den ersten Lockdowns im Zug der COVID-Pandemie in eine tiefe finanzielle Krise. Für das Café Kociak war dies zunächst das Aus. Hier hätte die Geschichte enden können.

Dass es anders kam, liegt an Konditor Pawel Mieszala und seinem Sohn Adrian. Die beiden setzten alles auf eine Karte und baten die Bürger Poznans um Unterstützung für die Wiedereröffnung des Kultcafés. Innerhalb von 48 Stunden kamen schon die ersten 30.000 Zloty zusammen, was rund 7500 Euro entspricht. Als die Türen des Cafés im Frühjahr 2023 wieder öffneten, kamen auch die Poznaner zurück, mit all ihren Erinnerungen und mit ihrem Heißhunger auf Süßes. Auch ich gehöre dazu und gehe gern ins Kociak. Dort ist es wie früher: kein Sitzplatz zu bekommen, aber jede Menge Süßspeisen mit ganz viel Sahne.

In der Serie "Mein Lieblingscafé" stellen wir in lockerer Reihenfolge besondere Lokale vor, die unsere Korrespondentinnen und Korrespondenten mögen und nicht nur für einen Kaffee und eine Süßspeise, sondern auch für eine Zeitreise empfehlen.

Aleksandra Fedorska Korrespondentin DW Polnisch