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Robert Habeck und das Klimaministerium: Eine Mondlandung

30. November 2021

Die neue Koalition aus SPD, Grünen und FDP bezeichnet sich selbst als Klima-Regierung. Im Zentrum: Der designierte Minister für Klima und Wirtschaft, Robert Habeck von den Grünen. Die Erwartungen sind riesig.

BG Deutschland neue Bundesregierung
Bild: Reuhl/Fotostand/picture alliance

Noch bis 2030 haben die Staaten der Welt Zeit, den Klimawandel wirklich ernsthaft zu bekämpfen. Und das Ziel des Pariser Klima-Vertrages von 2015 zu schaffen, die Durchschnittstemperatur auf der Erde nicht um mehr als 1,5 Grad anwachsen zu lassen. Das jedenfalls fordern immer mehr Wissenschaftler. Und auch die neue deutsche Regierung nimmt schon in der Präambel ihres Koalitionsvertrages darauf Bezug. Dort heißt es: "Die Klimaschutz-Ziele von Paris zu erreichen hat für uns oberste Priorität. Klimaschutz sichert Freiheit, Gerechtigkeit und nachhaltigen Wohlstand. Es gilt, die soziale Marktwirtschaft als eine sozial-ökologische Marktwirtschaft neu zu begründen." Nichts anderes ist damit gemeint, als dass ein Industrieland von der Wichtigkeit Deutschlands seine Treibhausgase wirklich massiv senken muss.

Ein neues Super-Ministerium

Konkret wollen das die Koalitionäre vor allem mit drei Maßnahmen erreichen: Mit einem beschleunigten Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle-Verstromung möglichst schon bis 2030. Mit einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien ebenfalls bis 2030 und einem Abschied vom Verbrennungsmotor bis 2035. Und organisatorisch mit einem neuen, verstärkten Wirtschaftsministerium, das zusätzliche Kompetenzen beim Klimaschutz erhält und von Robert Habeck geführt werden soll, dem jetzigen Co-Parteichef der Grünen. Noch ist er nicht im Amt, in der kommenden Woche soll er vor dem Bundestag vereidigt werden. 

Den Braunkohletagebau, hier in Garzweiler in Nordrhein-Westfalen, schon bis 2030 beenden? Da sind heftige Konflikte schon jetzt absehbarBild: Stefan Ziese/imageBROKER/picture alliance

Schriftsteller, Philosoph, Parteichef - und Super-Minister

Die Erwartungen sind riesig, vielleicht zu riesig für den 52 Jahre alten verheirateten Vater von vier erwachsenen Söhnen. So sagt etwa Jan Kowalzig, Klima-Experte der Umweltgruppe Oxfam, im Gespräch mit der DW: "Die wichtigste Aufgabe für Robert Habeck ist es jetzt, sein Ministerium so aufzustellen, dass es die Transformation auch engagiert angeht. In der Vergangenheit hat das Wirtschaftsministerium als Antagonist des Umweltministeriums immer wieder vehement gegen den Klimaschutz gearbeitet."

DW-Interview mit Grünen-Chef Habeck

03:10

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Zuletzt nur schleppender Ausbau bei den Erneuerbaren 

Tatsächlich war etwa der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland in den vergangenen Jahren gebremst worden, die Kämpfe zwischen den beiden zuständigen Ministerien waren oft daran schuld. Das Umweltministerium vertrat die Interessen der Klimaschützer, das Wirtschaftsministerium die der klassischen Industrie, vor allem der energieintensiven Konzerne. Jetzt hat Habeck entscheidende Kompetenzen beim Klimaschutz dazu bekommen, außerdem sollen die ebenfalls für den Klimaschutz wichtigen Ministerien Umwelt und Landwirtschaft auch von Grünen-Politikerinnen und Politikern geführt werden. Die Startbedingungen für einen Klimaschutz aus einem Guss sind also besser als in der Vergangenheit.

Kohle-Ausstieg und Ausbau von Wind- und Sonnenstrom

Habeck ist klar, welche Herkules-Aufgabe er da übernommen hat. Bis 2030 soll der Anteil vor allem von Wind- und Solarenergie an der Stromversorgung auf einen Anteil von 80 Prozent katapultiert werden. Bislang machen die erneuerbaren Energien 48 Prozent an der Stromversorgung aus. Konkret heißt das: Statt wie zuletzt nur eines sollen demnächst bis zu fünf Windräder täglich an Land dazu gebaut werden. Erreichen wollen das SPD, Grüne und FDP durch wesentlich verkürzte Planungszeiten, die momentan einige Jahre dauern. Und der Kohle-Ausstieg, von der alten Regierung nach mühsamen Verhandlungen mit den betroffenen Bundesländern und der Industrie Anfang 2020 auf 2038 terminiert, soll auf 2030 vorgezogen werden. Angesichts der massiven Konflikte, die etwa die Errichtung eines jeden einzelnen Windrades in den ländlichen Gemeinden schon jetzt verursacht, klingt das sehr ambitioniert. 

Jan Kowalzig von Oxfam: "Den Antagonismus von Wirtschafts- und Umweltministerium beenden."Bild: Oxfam

Moderieren und zuhören kann Habeck

Aber immerhin: In seiner Zeit als Umweltminister in Schleswig-Holstein ab 2012 gelang es Habeck, den Anteil der erneuerbaren Energien im nördlichsten Bundesland in vier Jahren zu verdoppeln. Er sprach mit Landwirten und Kommunalpolitikern in den besonders vom Windkraft-Zubau betroffenen Regionen, und er schaffte es, nicht wenige von ihnen vom Sinn des Ausbaus zu überzeugen. Auch jetzt sagte Habeck im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung": "Die Klimaneutralität ist ein gigantisches Transformationsprojekt mit immensen Veränderungen und Auferlegungen, die moderiert werden muss." Und moderieren, das sagen viele Wegbegleiter, kann Habeck.

Konflikte in der Koalition sind vorprogrammiert

Habeck wird viel mit anderen reden müssen, glaubt jedenfalls Jan Kowalzig, auch mit seinen Koalitionspartnern: "Hinzu kommt, dass die Grünen in der Koalition mit der SPD und der FDP nur sehr bedingt Verbündete im Klimaschutz finden werden. Robert Habeck wird trotz seines neuen Ministeriums auf die Kooperation der Regierungsmitglieder aus den anderen Parteien angewiesen sein. Dass die nicht nur in ihren Sonntagsreden, sondern auch in der konkreten Politik wirklich hinter den Zielen des Pariser Abkommens stehen, halte ich an mehreren Stellen für mehr als fraglich." 

Ein erster Vorgeschmack auf künftige Kämpfe

Einen kleinen Vorgeschmack auf künftige Kämpfe in der Koalition bekamen die Grünen, als sich jetzt der designierte Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP für eine Entlastung von Besitzern von Diesel-Fahrzeugen stark machte, wenn die Kraftstoff-Preise wegen der geplanten höheren CO2-Steuer ansteigen. Davon steht nichts im Koalitionsvertrag. Grüne und SPD reagierten mit Unverständnis. 

Greenpeace: Kohleausstieg nächstes Jahr neu verhandeln

Auch die Umweltgruppe Greenpeace macht klar, was sie von Habeck erwartet. Deren Klimaexperte Martin Kaiser sagt der DW: "Die größte Hürde ist für Robert Habeck, nach fast zehn Jahren Stillstandes unter der Regierung Merkel den Ausbau der Erneuerbaren so zu beschleunigen, dass schon 2022 der Kohle-Ausstieg 2030 wasserdicht beschlossen werden kann. Denn das erwarten sowohl die Klima-Bewegung als auch die Wählerinnen und Wähler der Grünen." Das aber wird sicher zunächst einmal die härteste Herausforderung für Habeck: 20.500 Beschäftigte zählt der Braunkohletagebau vor allem in Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen, das Ausstiegsdatum 2038 wurde nur unter äußersten Mühen erreicht. 40 Milliarden Euro pumpt der Staat bis dahin in die vom Strukturwandel betroffenen Regionen, dennoch ist der Kohle-Ausstieg dort äußerst unpopulär. Jetzt noch einmal das Ausstiegsdatum vorzuziehen wird alle Kraft des Moderators Habeck erfordern.

Der eine Super-Minister für Klima und Wirtschaft, der andere für Finanzen: Menschlich verstehen sich Robert Habeck (links) und Christian Lindner gut. Beim Thema Klima könnten sich trotzdem aneinandergeratenBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Klimaschutz ist jetzt Aufgabe aller Ressorts

 Auch wenn FDP und SPD beim Klimaschutz sicher ein geringeres Tempo anschlagen werden als die Grünen, haben alle drei Parteien vereinbart, dass der Abbau der Treibhausgase eine Aufgabe aller Ressorts sein soll. Lange Zeit hatte Habeck klar signalisiert, dass er sich den Kampf gegen den Klimawandel am ehesten als Finanzminister vorstellen könnte. Denn dort, im Finanzressort, fallen am Ende die Entscheidungen, für welche Politik, für welche Projekte Milliarden-Summen bereitgestellt werden. Aber das Finanzministerium führt in der Ampel-Koalition die FDP, deren Parteichef Christian Lindner wird die Aufgabe übernehmen. Für Habeck bleibt der Posten der Vize-Kanzlers. Und die Führung des neuen Super-Ministeriums für Klima und Wirtschaft.

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