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Politik

Mahbuba Maqsoodi und ihre große Glaskunst

26. Februar 2020

Als Flüchtling aus Afghanistan kam sie vor über 25 Jahren mit ihrer Familie nach München und fand hier Heimat. Nun gestaltet die Muslimin Mahbuba Maqsoodi 34 Fenster für die Kirche des ältesten Klosters in Deutschland.

Mahbuba Maqsoodi Glaskünstlerin
Bild: DW/C. Strack

Vorsichtig, fast zärtlich gleitet die Hand von Mahbuba Maqsoodi über das kräftig bunte Glas. Es ist ein Kunstwerk, ihr Kunstwerk. Ein Kirchenfenster mit der Darstellung eines Heiligen. "Durch die Farbe und durch die Bewegung in der Farbe erreiche ich, was ich will", erzählt sie. Wenn Maqsoodi von Farbtönen, Licht und leuchtendem Glas spricht, wirken ihre Worte schon fast wie ein Gedicht.

Maqsoodi, 63 Jahre alt, ist Künstlerin. Lange arbeitete sie mit Keramik, nun in Glas. Und zwar am derzeit deutschlandweit spektakulärsten Projekt von moderner Kunst im kirchlichen Raum. Im saarländischen Tholey steht das älteste Kloster in Deutschland, eine Benediktiner-Abtei. Seit 2008 renovieren die Mönche ihre Klosterkirche. Der bislang eher dunkel wirkende Bau aus dem 13. Jahrhundert wird ab dem Herbst 2020 neu aufleuchten und ein großes Kleinod sein. Das dabei wichtigste Element sind neue Kirchenfenster, die den Raum prägen. Die Mönche sind stolz auf drei abstrakt gehaltene Fenster, die Gerhard Richter (88) beisteuert, einer der weltweit wichtigsten deutschen Künstler der Moderne. Auch für den Kölner Dom schuf er schon ein großes Fenster. 

Mahbuba Maqsoodi und ihr künstlerisches Schaffen im Kloster

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Kirchenfenster in den USA

Den international ausgeschriebenen Wettbewerb für den Großteil der Fenster gewann Maqsoodi. Für ihre Beratungen sah die Jury nur die Entwürfe, nicht die Namen der einreichenden Künstlerinnen und Künstler. Nun kommen 34 Fenster von einer muslimischen Frau. "Das ist ein großes Vertrauen. Andererseits vielleicht sogar eine Anerkennung. Der Auftrag zeigt ja: Ich kann das." In Deutschland ist das Werk der beim Material Glas herausragenden Künstlerin kaum bekannt. Für sie ist Tholey ein Meilenstein. Für eine Kirche in Österreich schuf sie bereits Fenster. Und in den USA gestaltete sie die Fenster dreier Gotteshäuser in Tennessee, Texas und Nebraska.

Die Benediktinerabtei St. Mauritius in TholeyBild: picture-alliance/DUMONT Bildarchiv/A. F. Selbach

Maqsoodis Kindheit im afghanischen Herat, jener Stadt, aus der über Jahrhunderte Keramikarbeiten für die Moscheen des Landes kamen, das ist eine Geschichte wider alle Klischees: Da sind die Eltern, die sieben Töchter hatten und sie zur Freiheit erzogen, der Vater, der für deren Erziehung im Dorf eine Mädchenschule gründete. Und die frühe Begegnung daheim mit Kunst, vor allem mit Miniaturmalerei. Davon erzählt sie in ihrem Buch "Der Tropfen weiß nichts vom Meer - Eine Geschichte von Liebe, Kraft und Freiheit – Mein afghanisches Herz".

Nach der Ausbildung unterrichtete Muhbaba Maqsoodi in Herat als Gymnasiallehrerin. Nachdem ihre Schwester Afifa, die die größte örtliche Mädchenschule leitete, auf offener Straße von einem Islamisten erschossen wurde, verließ Maqsoodi das Land mit ihrem Mann Fazl Maqsoodi, der einst ihr Kunstlehrer war. Ein Kunst-Stipendium führt sie ins russische Leningrad. Nach dem Studienabschluss machte der Bürgerkrieg in Afghanistan ihre Heimkehr unmöglich. So kommen die Maqsoodis mit ihren beiden kleinen Söhnen 1994 als Flüchtlinge nach München und erhalten rasch Asyl. Seit langem haben Mahbuba Maqsoodi und ihre beiden Söhne den deutschen Pass. Und wenn sie spricht, hört man die Herkunft aus der Ferne, aber gelegentlich auch das bayerische Idiom. In München entdeckten Glaswerkstätten ihre Kunst und ermutigten sie, auch Kirchenfenster zu gestalten.

"In drei Kulturen zuhause"

"Ich bin sozusagen in drei Kulturen aufgewachsen. Aber die Basis ist Afghanistan, sind die frühen Jahre", sagt sie. "Das habe ich in mir." Auch darin ruht ihr Gespür für Licht und Farben. Und wenn sie nun für die Fenster von Tholey Szenen aus der Bibel oder der Kirchengeschichte darstellt, arbeitet sich Maqsoodi dafür ein, in Gesprächen, mit Literatur. "Die Bibel, das ist mir nicht fremd", sagt sie. Schon die Großmütter hätten ihr von den Propheten des Alten Testaments berichtet. "Wir kennen das ja auch das in unseren Erzählungen. Nur wird das nicht bildlich dargestellt."

Licht und Farben: Die Glaskünstlerin Mahbuba MaqsoodiBild: DW/C. Strack

Das lernte sie dann in Europa, in Leningrad und München, und wagt es nun erneut in Tholey. Während sie redet, kreuzt die 63-Jährige durch die Welten: "Was ist die Botschaft von Adam und Eva? Was ist die Botschaft von Moses? Was sind seine Zehn Gebote? Die sind doch für alle Kulturen da. Jeder Muslim versteht sie. Jeder Jude, eigentlich auch jeder Atheist. Und ich versuche, das übliche 'Klein-zu-denken' zu öffnen. Denn die Botschaft ist so viel größer. Und in der Zeit der Globalisierung wäre es schade, wenn wir immer noch so denken wie vor hundert Jahren oder zweihundert Jahren. Diese Botschaft ist universal. Das ist mein Gedanke."

Richter und Maqsoodi

Sie sagt es im Gespräch mit der Deutschen Welle in der "Bayerischen Hofglasmalerei Gustav van Treeck", eine der renommiertesten Werkstätten für Glasmalerei in Deutschland. An den Wänden hängen Entwürfe von Maqsoodi und von Gerhard Richter, auf den Arbeitstischen und Gerüsten sind Teile der entstehenden Arbeiten beider in Glas zu sehen. Eines Tages werden sie in der Kirche St. Mauritius in Tholey hängen. Und eine spannende Komposition bilden. Hinter dem Altar am Ende des Kirchenraums drei abstrakte Fenster des, wie er selbst sagt, Atheisten Gerhard Richter, die an die Ornamentik eines Moscheebaus erinnern  – ansonsten Arbeiten der Muslima Mahbuba Maqsoodi, die von der Bibel erzählen. Da sind Fenster mit Titeln wie "Geburt Jesu Christi", "Himmelfahrt Jesu Christi", "Passion Jesu Christi". Die Motive der einzelnen Fenster, von denen die ersten, kleineren Arbeiten bereits in Tholey eingebaut wurden, gaben die Mönche ihr vor, in der Gestaltung ist Maqsoodi frei.

Mahbuba Maqsoodi und ihre Freiheit als Künstlerin

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Damit werden Besucher von Tholey dank Maqsoodi ab dem Herbst auch ein anderes Bild von Afghanistan bekommen – jenseits der üblichen Klischees von Terror und Taliban, Krieg und Gewalt. "Das wäre wunderbar. Ich wünsche es mir", sagt die Künstlerin. Dann stockt sie eine lange Weile. "Das Schöne ist, dass man in der Kunst frei ist, frei von politischem Einfluss, frei von Zwängen. Und ich genieße diese Freiheit. Bei jeder künstlerischen Arbeit stelle ich mir die Frage: Inwieweit bist Du frei in Deiner eigenen Interpretation? In diesem Fall hier bin ich zu hundert Prozent frei. Und das genieße ich sehr." 

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