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Eine Nacht in Ferguson

Gero Schließ, Ferguson11. August 2015

Schon oft brachte die Nacht Tod und Gewalt in Ferguson. Auch nach dem anfangs friedlichen Gedenken für Michael Brown, der vor einem Jahr von der Polizei erschossen wurde, ist es wieder so. Von Gero Schließ, Ferguson.

Proteste auf der West Florissant Avenue in Ferguson - Foto: Sid Hastings (EPA)
Bild: picture-alliance/dpa/S. Hastings

Es ist Nacht in Ferguson. Am Himmel ist das drohende Röhren kreisender Hubschrauber zu hören. Auf dem leicht abschüssigen Gelände drängeln sich die Demonstranten zwischen parkenden Autos und notdürftig gesicherten Geschäften. Im gelblichen Licht der wenigen Lampen sind die Umrisse ihrer Körper, aber kaum die Gesichtszüge der Menschen zu erkennen.

Viele junge schwarze Männer sind darunter, manche mit nacktem Oberkörper, als wollten sie ihre Männlichkeit demonstrieren. Es sieht so aus, als hätten sich die Menschen die dunkelste Stelle der West Florissant Avenue ausgesucht. Mehrere Hundert sind es an beiden Seiten der vierspurigen Straße.

Protest auf der West Florissant Avenue: Demonstration von Männlichkeit?Bild: picture-alliance/dpa/S. Hastings

Plötzlich rast an ihnen ein Auto vorbei, auf dem Dach hält sich - einer Statue gleich - ein athletischer Mann fest. Bevor er wieder in der Nacht verschwindet, kann man noch erkennen, dass eines seiner Beine in Gips liegt. Später parkt das Auto vor einem Friseurladen, der in der Nacht zum Dienstag das Ziel von Randalierern war. Auch der Mann mit dem Gips ist da, formt ein Siegeszeichen und zieht tief an seiner Zigarette.

Konfrontation mit der Polizei

Die meisten Menschen beachten ihn nicht, sie lassen die Blicke schweifen, schweigen und warten. Wie schon in der Nacht zuvor, als genau an dieser Stelle ein Schusswechsel stattfand - zwischen Polizisten in Zivil und dem 18-jährigen Tyrone H. Am Ende kam der Jugendliche schwer verletzt ins Krankenhaus.

Roberta Lynch war dabei, als die Schüsse durch die Nacht peitschten und die Menschen panisch auseinanderstoben. Trotzdem ist sie wiedergekommen. Warum genau, kann sie nicht sagen. Sie trägt wie viele andere auch das schwarze T-Shirt mit der Aufschrift "Black Lives Matter". Auf jeden Fall ist sie erleichtert, dass die Behörden den Ausnahmezustand über Ferguson und den Bezirk von St. Louis verhängt haben.

Einsatzkräfte der St. Louis County Police: Ausnahmezustand in FergusonBild: picture-alliance/dpa/S. Hastings

Jetzt sind die Einsatzkräfte von St. Louis auf für Ferguson zuständig. "Das wird viele Leben retten", sagt sie. Doch das heißt nicht, dass sie den Ordnungshütern traut, weder denen aus dem County noch der Stadtpolizei von Ferguson. Trotzdem ist sie zuversichtlich, dass die Stadt damit fertig werde, auch wenn es nach den friedlichen Gedenkfeiern für Michael Brown doch noch zu Gewalt gekommen ist. Sie betet, dass es diesmal ruhig bleibt. Aber das soll sich nicht bewahrheiten.

Später in der Nacht kommt es zur Konfrontation zwischen Demonstranten und der Polizei. Die setzt Schlagstöcke, Pfefferspray und Tränengas ein. Einige der Demonstranten werden festgenommen, darunter soll auch ein 12-jähriges Mädchen sein. Nicht weit entfernt davon haben die Anhänger des Predigers Billy Graham ihren Truck geparkt. Sie nennen ihn "Mobile Ministry Center". Grahams Leute sind überall, wo Unruhen und Gewalt ausbrechen könnten, zuletzt in Baltimore und bereits mehrfach in Ferguson.

Christen beschwichtigen Randalierer

Kevin Williams ist hier ihr Chef und hat das "Rapid Response Team", wie sie es nennen, in die Nacht ausschwärmen lassen, um die Menschen anzusprechen und mögliche Randalierer zu beschwichtigen. Dabei sollen ihre Präsenz und ihre Glaubensstärke Wunder wirken.

Aktivist Williams: "In Gottes Macht"Bild: DW/G. Schließ

Angesichts der sich abzeichnenden Konfrontation draußen auf der Straße will Williams dennoch nichts von einem "Versagen" wissen. Wie die Menschen reagierten, sei "in Gottes Macht, nicht in unserer". Williams legt Wert darauf, dass sein Team nicht parteiisch ist: "Wir lieben auch den Gewalttäter", behauptet er. Doch wenn geschossen werde, dann sei das nicht mehr Sache seines Response Teams, sondern der Polizei. Und die will an diesem ersten Abend des Ausnahmezustands durchgreifen. "Sie werden diesmal nicht die Straße beherrschen", hat Polizeichef John Belmar gedroht. Und wie es aussieht, hat er damit recht behalten. Aber noch ist nicht klar, wie hoch der Preis dafür sein wird.

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